Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.
B. J. war zwar mit dieser Antwort nicht befriedigt, aber er dachte doch, Papa müsse es besser wissen als er, er müsse es also dabei bewenden lassen. Ein andermal las er in der Bibel die Geschichte von Jakob und Esau; sein Vater citirte ihm hiebei eine Stelle aus dem Talmud, wo es hieß: Jakob und Esau theilten alle Güter der Welt untereinander; Esau wählte sich die Güter dieses, Jakob hingegen die Güter des zukünftigen Lebens; und da wir von Jakob herstammen, so müssen wir allen Anspruch auf die zeitlichen Güter aufgeben. Hierauf sagte B. J. mit Unwillen, Jakob sollte kein Narr gewesen seyn, und lieber die Güter dieser Welt gewählt haben. Der arme B. J. bekam hierauf zur Antwort: du gottloser Bube! und unmittelbar darauf eine Ohrfeige. Sein Zweifel war freilich damit nicht gehoben, aber es brachte ihn doch zum Stillschweigen. B. J. hatte von seiner Kindheit an viel Neigung und Genie zum Zeichnen. Er hatte zwar in seinem väterlichen Hause nie ein Werk dieser Kunst zu sehen bekommen, aber er fand am Titelblatt einiger hebräischer Bücher Holzschnitte von Laubwerk,
B. J. war zwar mit dieser Antwort nicht befriedigt, aber er dachte doch, Papa muͤsse es besser wissen als er, er muͤsse es also dabei bewenden lassen. Ein andermal las er in der Bibel die Geschichte von Jakob und Esau; sein Vater citirte ihm hiebei eine Stelle aus dem Talmud, wo es hieß: Jakob und Esau theilten alle Guͤter der Welt untereinander; Esau waͤhlte sich die Guͤter dieses, Jakob hingegen die Guͤter des zukuͤnftigen Lebens; und da wir von Jakob herstammen, so muͤssen wir allen Anspruch auf die zeitlichen Guͤter aufgeben. Hierauf sagte B. J. mit Unwillen, Jakob sollte kein Narr gewesen seyn, und lieber die Guͤter dieser Welt gewaͤhlt haben. Der arme B. J. bekam hierauf zur Antwort: du gottloser Bube! und unmittelbar darauf eine Ohrfeige. Sein Zweifel war freilich damit nicht gehoben, aber es brachte ihn doch zum Stillschweigen. B. J. hatte von seiner Kindheit an viel Neigung und Genie zum Zeichnen. Er hatte zwar in seinem vaͤterlichen Hause nie ein Werk dieser Kunst zu sehen bekommen, aber er fand am Titelblatt einiger hebraͤischer Buͤcher Holzschnitte von Laubwerk, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0027" n="25"/><lb/> vor hundert Jahren da. <persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName> Also ist Gott vielleicht schon tausend Jahr alt? <hi rendition="#b">V.</hi> Behuͤte! Gott war ewig. <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> Aber er hat doch einmal gebohren werden muͤssen? <hi rendition="#b">V.</hi> Naͤrrchen, nein! er war ewig und ewig und ewig. —</p> <p><hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> war zwar mit dieser Antwort nicht befriedigt, aber er dachte doch, Papa muͤsse es besser wissen als er, er muͤsse es also dabei bewenden lassen.</p> <p>Ein andermal las er in der Bibel die Geschichte von Jakob und Esau; sein Vater citirte ihm hiebei eine Stelle aus dem Talmud, wo es hieß: Jakob und Esau theilten alle Guͤter der Welt untereinander; Esau waͤhlte sich die Guͤter dieses, Jakob hingegen die Guͤter des zukuͤnftigen Lebens; und da wir von Jakob herstammen, so muͤssen wir allen Anspruch auf die zeitlichen Guͤter aufgeben.</p> <p>Hierauf sagte <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> mit Unwillen, Jakob sollte kein Narr gewesen seyn, und lieber die Guͤter dieser Welt gewaͤhlt haben.</p> <p>Der arme <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> bekam hierauf zur Antwort: du gottloser Bube! und unmittelbar darauf eine Ohrfeige. Sein Zweifel war freilich damit nicht gehoben, aber es brachte ihn doch zum Stillschweigen.</p> <p><hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> hatte von seiner Kindheit an viel Neigung und Genie zum Zeichnen. Er hatte zwar in seinem vaͤterlichen Hause nie ein Werk dieser Kunst zu sehen bekommen, aber er fand am Titelblatt einiger hebraͤischer Buͤcher Holzschnitte von Laubwerk,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [25/0027]
vor hundert Jahren da. B. J. Also ist Gott vielleicht schon tausend Jahr alt? V. Behuͤte! Gott war ewig. B. J. Aber er hat doch einmal gebohren werden muͤssen? V. Naͤrrchen, nein! er war ewig und ewig und ewig. —
B. J. war zwar mit dieser Antwort nicht befriedigt, aber er dachte doch, Papa muͤsse es besser wissen als er, er muͤsse es also dabei bewenden lassen.
Ein andermal las er in der Bibel die Geschichte von Jakob und Esau; sein Vater citirte ihm hiebei eine Stelle aus dem Talmud, wo es hieß: Jakob und Esau theilten alle Guͤter der Welt untereinander; Esau waͤhlte sich die Guͤter dieses, Jakob hingegen die Guͤter des zukuͤnftigen Lebens; und da wir von Jakob herstammen, so muͤssen wir allen Anspruch auf die zeitlichen Guͤter aufgeben.
Hierauf sagte B. J. mit Unwillen, Jakob sollte kein Narr gewesen seyn, und lieber die Guͤter dieser Welt gewaͤhlt haben.
Der arme B. J. bekam hierauf zur Antwort: du gottloser Bube! und unmittelbar darauf eine Ohrfeige. Sein Zweifel war freilich damit nicht gehoben, aber es brachte ihn doch zum Stillschweigen.
B. J. hatte von seiner Kindheit an viel Neigung und Genie zum Zeichnen. Er hatte zwar in seinem vaͤterlichen Hause nie ein Werk dieser Kunst zu sehen bekommen, aber er fand am Titelblatt einiger hebraͤischer Buͤcher Holzschnitte von Laubwerk,
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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