Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.B. J. dessen äußere Umstände sehr schlecht waren, weil er sich nicht mehr zu seinen gewöhnlichen Geschäften schicken wollte, und sich daher überall außer seiner Sphäre befand; und von der andern Seite auch seine Lieblingsneigung zum Studium der Wissenschaften, in seinem Wohnorte, nicht genug befriedigen konnte, beschloß endlich, sich nach Deutschland zu begeben, und da Medizin, und bei dieser Gelegenheit auch andere Wissenschaften zu studiren. Nun war nur die Frage, wie eine solche weite Reise zu machen sey? Er wußte zwar, daß einige Kaufleute aus seiner Stadt bald nach Königsberg in Preußen reisen würden; aber da er mit diesen wenig Bekanntschaft hatte, so konnte er nicht hoffen, daß sie ihn umsonst mitnehmen würden. Nach vielem Ueberlegen gerieth er endlich auf ein gutes Expediens. Er hatte einen sehr gelehrten und frommen Mann zum Freunde, der in der Stadt bei der ganzen Judenschaft in großer Achtung stand, diesem entdeckte er sein Vorhaben, und zog ihn hierüber zu Rath. Er stellte ihm seine schlechten Umstände vor; zeigte ihm, daß, indem er einmal seine Neigungen auf die Erkenntniß Gottes und seiner Werke gerichtet habe, er zu allen gewöhnlichen Geschäften nicht mehr tauglich sey; besonders stellte er ihm vor, daß er sich jetzt bloß von seiner Gelehrsamkeit, als Jnformator in der Bibel und dem Talmud, er- B. J. dessen aͤußere Umstaͤnde sehr schlecht waren, weil er sich nicht mehr zu seinen gewoͤhnlichen Geschaͤften schicken wollte, und sich daher uͤberall außer seiner Sphaͤre befand; und von der andern Seite auch seine Lieblingsneigung zum Studium der Wissenschaften, in seinem Wohnorte, nicht genug befriedigen konnte, beschloß endlich, sich nach Deutschland zu begeben, und da Medizin, und bei dieser Gelegenheit auch andere Wissenschaften zu studiren. Nun war nur die Frage, wie eine solche weite Reise zu machen sey? Er wußte zwar, daß einige Kaufleute aus seiner Stadt bald nach Koͤnigsberg in Preußen reisen wuͤrden; aber da er mit diesen wenig Bekanntschaft hatte, so konnte er nicht hoffen, daß sie ihn umsonst mitnehmen wuͤrden. Nach vielem Ueberlegen gerieth er endlich auf ein gutes Expediens. Er hatte einen sehr gelehrten und frommen Mann zum Freunde, der in der Stadt bei der ganzen Judenschaft in großer Achtung stand, diesem entdeckte er sein Vorhaben, und zog ihn hieruͤber zu Rath. Er stellte ihm seine schlechten Umstaͤnde vor; zeigte ihm, daß, indem er einmal seine Neigungen auf die Erkenntniß Gottes und seiner Werke gerichtet habe, er zu allen gewoͤhnlichen Geschaͤften nicht mehr tauglich sey; besonders stellte er ihm vor, daß er sich jetzt bloß von seiner Gelehrsamkeit, als Jnformator in der Bibel und dem Talmud, er- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0046" n="44"/><lb/> <p><hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> dessen aͤußere Umstaͤnde sehr schlecht waren, weil er sich nicht mehr zu seinen gewoͤhnlichen Geschaͤften schicken wollte, und sich daher uͤberall außer seiner Sphaͤre befand; und von der andern Seite auch seine Lieblingsneigung zum Studium der Wissenschaften, in seinem Wohnorte, nicht genug befriedigen konnte, beschloß endlich, sich nach Deutschland zu begeben, und da Medizin, und bei dieser Gelegenheit auch andere Wissenschaften zu studiren.</p> <p>Nun war nur die Frage, wie eine solche weite Reise zu machen sey?</p> <p>Er wußte zwar, daß einige Kaufleute aus seiner Stadt bald nach Koͤnigsberg in Preußen reisen wuͤrden; aber da er mit diesen wenig Bekanntschaft hatte, so konnte er nicht hoffen, daß sie ihn umsonst mitnehmen wuͤrden. Nach <choice><corr>vielem</corr><sic>vielen</sic></choice> Ueberlegen gerieth er endlich auf ein gutes Expediens.</p> <p>Er hatte einen sehr gelehrten und frommen Mann zum Freunde, der in der Stadt bei der ganzen Judenschaft in großer Achtung stand, diesem entdeckte er sein Vorhaben, und zog ihn hieruͤber zu Rath.</p> <p>Er stellte ihm seine schlechten Umstaͤnde vor; zeigte ihm, daß, indem er einmal seine Neigungen auf die Erkenntniß Gottes und seiner Werke gerichtet habe, er zu allen gewoͤhnlichen Geschaͤften nicht mehr tauglich sey; besonders stellte er ihm vor, daß er sich jetzt bloß von seiner Gelehrsamkeit, als Jnformator in der Bibel und dem Talmud, er-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0046]
B. J. dessen aͤußere Umstaͤnde sehr schlecht waren, weil er sich nicht mehr zu seinen gewoͤhnlichen Geschaͤften schicken wollte, und sich daher uͤberall außer seiner Sphaͤre befand; und von der andern Seite auch seine Lieblingsneigung zum Studium der Wissenschaften, in seinem Wohnorte, nicht genug befriedigen konnte, beschloß endlich, sich nach Deutschland zu begeben, und da Medizin, und bei dieser Gelegenheit auch andere Wissenschaften zu studiren.
Nun war nur die Frage, wie eine solche weite Reise zu machen sey?
Er wußte zwar, daß einige Kaufleute aus seiner Stadt bald nach Koͤnigsberg in Preußen reisen wuͤrden; aber da er mit diesen wenig Bekanntschaft hatte, so konnte er nicht hoffen, daß sie ihn umsonst mitnehmen wuͤrden. Nach vielem Ueberlegen gerieth er endlich auf ein gutes Expediens.
Er hatte einen sehr gelehrten und frommen Mann zum Freunde, der in der Stadt bei der ganzen Judenschaft in großer Achtung stand, diesem entdeckte er sein Vorhaben, und zog ihn hieruͤber zu Rath.
Er stellte ihm seine schlechten Umstaͤnde vor; zeigte ihm, daß, indem er einmal seine Neigungen auf die Erkenntniß Gottes und seiner Werke gerichtet habe, er zu allen gewoͤhnlichen Geschaͤften nicht mehr tauglich sey; besonders stellte er ihm vor, daß er sich jetzt bloß von seiner Gelehrsamkeit, als Jnformator in der Bibel und dem Talmud, er-
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