Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.Da, wie bekannt, in dieser Residenzstadt kein Betteljude gelitten wird; so hat die hiesige jüdische Gemeinde zur Versorgung ihrer Armen ein Haus am Rt. Thore bauen lassen, worin die Armen aufgenommen, von den jüdischen Aeltesten über ihr Gesuch in B. befragt, und nach Befinden entweder, wenn sie krank sind, oder einen Dienst suchen, in der Stadt aufgenommen, oder weiter verschickt werden. B. J. wurde also in dieses Haus gebracht, das theils mit Kranken, theils aber mit liederlichem Gesindel angefüllet war. Er sahe sich lange Zeit vergebens nach einem Menschen um, mit dem er sich über seine Angelegenheiten hätte besprechen können. Endlich bemerkte er einen Menschen, der nach seinem Anzuge zu urtheilen ein Rabbiner seyn mußte; er wandte sich also an diesen, und wie groß war nicht seine Freude, als er von diesem erfuhr, daß er wirklich ein Rabbiner, und in B. ziemlich bekannt sey. Er unterhielt sich mit ihm über allerhand Gegenstände der rabbinischen Gelehrsamkeit, und da B. J. sehr offenherzig ist, so erzählte er jenem seinen Lebenslauf in P. eröffnete ihm sein Vorhaben in B. Medizin zu studieren, zeigte ihm seinen Kommentar über den More Newochim u.s.w. Dieser merkte sich alles, und schien sich für B. J. zu interessiren. Aber auf einmal verschwand er ihm aus dem Gesichte. Da, wie bekannt, in dieser Residenzstadt kein Betteljude gelitten wird; so hat die hiesige juͤdische Gemeinde zur Versorgung ihrer Armen ein Haus am Rt. Thore bauen lassen, worin die Armen aufgenommen, von den juͤdischen Aeltesten uͤber ihr Gesuch in B. befragt, und nach Befinden entweder, wenn sie krank sind, oder einen Dienst suchen, in der Stadt aufgenommen, oder weiter verschickt werden. B. J. wurde also in dieses Haus gebracht, das theils mit Kranken, theils aber mit liederlichem Gesindel angefuͤllet war. Er sahe sich lange Zeit vergebens nach einem Menschen um, mit dem er sich uͤber seine Angelegenheiten haͤtte besprechen koͤnnen. Endlich bemerkte er einen Menschen, der nach seinem Anzuge zu urtheilen ein Rabbiner seyn mußte; er wandte sich also an diesen, und wie groß war nicht seine Freude, als er von diesem erfuhr, daß er wirklich ein Rabbiner, und in B. ziemlich bekannt sey. Er unterhielt sich mit ihm uͤber allerhand Gegenstaͤnde der rabbinischen Gelehrsamkeit, und da B. J. sehr offenherzig ist, so erzaͤhlte er jenem seinen Lebenslauf in P. eroͤffnete ihm sein Vorhaben in B. Medizin zu studieren, zeigte ihm seinen Kommentar uͤber den More Newochim u.s.w. Dieser merkte sich alles, und schien sich fuͤr B. J. zu interessiren. Aber auf einmal verschwand er ihm aus dem Gesichte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0053" n="51"/><lb/> <p>Da, wie bekannt, in dieser Residenzstadt kein Betteljude gelitten wird; so hat die hiesige juͤdische Gemeinde zur Versorgung ihrer Armen ein Haus am Rt. Thore bauen lassen, worin die Armen aufgenommen, von den juͤdischen Aeltesten uͤber ihr Gesuch in B. befragt, und nach Befinden entweder, wenn sie krank sind, oder einen Dienst suchen, in der Stadt aufgenommen, oder weiter verschickt werden.</p> <p><hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> wurde also in dieses Haus gebracht, das theils mit Kranken, theils aber mit liederlichem Gesindel angefuͤllet war. Er sahe sich lange Zeit vergebens nach einem Menschen um, mit dem er sich uͤber seine Angelegenheiten haͤtte besprechen koͤnnen.</p> <p>Endlich bemerkte er einen Menschen, der nach seinem Anzuge zu urtheilen ein Rabbiner seyn mußte; er wandte sich also an diesen, und wie groß war nicht seine Freude, als er von diesem erfuhr, daß er wirklich ein Rabbiner, und in B. ziemlich bekannt sey. Er unterhielt sich mit ihm uͤber allerhand Gegenstaͤnde der rabbinischen Gelehrsamkeit, und da <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> sehr offenherzig ist, so erzaͤhlte er jenem seinen Lebenslauf in P. eroͤffnete ihm sein Vorhaben in B. Medizin zu studieren, zeigte ihm seinen Kommentar uͤber den More Newochim u.s.w. Dieser merkte sich alles, und schien sich fuͤr <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> zu interessiren. Aber auf einmal verschwand er ihm aus dem Gesichte.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [51/0053]
Da, wie bekannt, in dieser Residenzstadt kein Betteljude gelitten wird; so hat die hiesige juͤdische Gemeinde zur Versorgung ihrer Armen ein Haus am Rt. Thore bauen lassen, worin die Armen aufgenommen, von den juͤdischen Aeltesten uͤber ihr Gesuch in B. befragt, und nach Befinden entweder, wenn sie krank sind, oder einen Dienst suchen, in der Stadt aufgenommen, oder weiter verschickt werden.
B. J. wurde also in dieses Haus gebracht, das theils mit Kranken, theils aber mit liederlichem Gesindel angefuͤllet war. Er sahe sich lange Zeit vergebens nach einem Menschen um, mit dem er sich uͤber seine Angelegenheiten haͤtte besprechen koͤnnen.
Endlich bemerkte er einen Menschen, der nach seinem Anzuge zu urtheilen ein Rabbiner seyn mußte; er wandte sich also an diesen, und wie groß war nicht seine Freude, als er von diesem erfuhr, daß er wirklich ein Rabbiner, und in B. ziemlich bekannt sey. Er unterhielt sich mit ihm uͤber allerhand Gegenstaͤnde der rabbinischen Gelehrsamkeit, und da B. J. sehr offenherzig ist, so erzaͤhlte er jenem seinen Lebenslauf in P. eroͤffnete ihm sein Vorhaben in B. Medizin zu studieren, zeigte ihm seinen Kommentar uͤber den More Newochim u.s.w. Dieser merkte sich alles, und schien sich fuͤr B. J. zu interessiren. Aber auf einmal verschwand er ihm aus dem Gesichte.
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