Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.
Nun möchte der Leser vielleicht glauben, daß dieser Oberrabbiner ein reicher Mann gewesen sey, bei dem die Kosten, die er auf den B. J. wandte, wirklich eine Kleinigkeit gewesen wären; aber B. J. versicherte mich, daß es sich damit ganz anders verhalten habe, der Oberrabbiner habe nur ein mäßiges Gehalt gehabt, und da er sich bloß mit dem Studium abgegeben, so habe seine Frau die Verwaltung seiner Geschäfte, und seine Haushaltung zu besorgen gehabt. Er habe also dergleichen Handlungen ohne Wissen seiner Frau ausüben, und vorgeben müssen, daß ihm andere Leute Geld dazu gegeben hätten. Uebrigens habe er für sich ein sehr mäßiges Leben geführt, tagtäglich, außer am Sabbath, gefastet, und die ganze Woche über kein Fleisch gegessen. Demohngeachtet aber habe er doch, um seine Neigung zum Wohlwollen zu befriedigen, Schulden machen müssen. Diese strenge Lebensart, das viele Studieren und Nachtwachen haben seine Kräfte so sehr geschwächt, daß er, nachdem er zum Oberrabbiner in Förde aufgenommen worden, wohin ihm eine große Anzahl Schüler gefolgt, ohnge-
Nun moͤchte der Leser vielleicht glauben, daß dieser Oberrabbiner ein reicher Mann gewesen sey, bei dem die Kosten, die er auf den B. J. wandte, wirklich eine Kleinigkeit gewesen waͤren; aber B. J. versicherte mich, daß es sich damit ganz anders verhalten habe, der Oberrabbiner habe nur ein maͤßiges Gehalt gehabt, und da er sich bloß mit dem Studium abgegeben, so habe seine Frau die Verwaltung seiner Geschaͤfte, und seine Haushaltung zu besorgen gehabt. Er habe also dergleichen Handlungen ohne Wissen seiner Frau ausuͤben, und vorgeben muͤssen, daß ihm andere Leute Geld dazu gegeben haͤtten. Uebrigens habe er fuͤr sich ein sehr maͤßiges Leben gefuͤhrt, tagtaͤglich, außer am Sabbath, gefastet, und die ganze Woche uͤber kein Fleisch gegessen. Demohngeachtet aber habe er doch, um seine Neigung zum Wohlwollen zu befriedigen, Schulden machen muͤssen. Diese strenge Lebensart, das viele Studieren und Nachtwachen haben seine Kraͤfte so sehr geschwaͤcht, daß er, nachdem er zum Oberrabbiner in Foͤrde aufgenommen worden, wohin ihm eine große Anzahl Schuͤler gefolgt, ohnge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0064" n="62"/><lb/> einige abgebrochne Worte herausbringen. Fuͤr den Oberrabbiner war dieses ein entzuͤckender Anblick. Er sagte zu dem <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> daß er ihm dieses nicht so hoch anschreiben solle, indem das, was er fuͤr ihn gethan habe, eine Kleinigkeit und der Rede nicht werth sey.</p> <p>Nun moͤchte der Leser vielleicht glauben, daß dieser Oberrabbiner ein reicher Mann gewesen sey, bei dem die Kosten, die er auf den <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> wandte, wirklich eine Kleinigkeit gewesen waͤren; aber <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> versicherte mich, daß es sich damit ganz anders verhalten habe, der Oberrabbiner habe nur ein maͤßiges Gehalt gehabt, und da er sich bloß mit dem Studium abgegeben, so habe seine Frau die Verwaltung seiner Geschaͤfte, und seine Haushaltung zu besorgen gehabt. Er habe also dergleichen Handlungen ohne Wissen seiner Frau ausuͤben, und vorgeben muͤssen, daß ihm andere Leute Geld dazu gegeben haͤtten. Uebrigens habe er fuͤr sich ein sehr maͤßiges Leben gefuͤhrt, tagtaͤglich, außer am Sabbath, gefastet, und die ganze Woche uͤber kein Fleisch gegessen.</p> <p>Demohngeachtet aber habe er doch, um seine Neigung zum Wohlwollen zu befriedigen, Schulden machen muͤssen. Diese strenge Lebensart, das viele Studieren und Nachtwachen haben seine Kraͤfte so sehr geschwaͤcht, daß er, nachdem er zum Oberrabbiner in Foͤrde aufgenommen worden, wohin ihm eine große Anzahl Schuͤler gefolgt, ohnge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0064]
einige abgebrochne Worte herausbringen. Fuͤr den Oberrabbiner war dieses ein entzuͤckender Anblick. Er sagte zu dem B. J. daß er ihm dieses nicht so hoch anschreiben solle, indem das, was er fuͤr ihn gethan habe, eine Kleinigkeit und der Rede nicht werth sey.
Nun moͤchte der Leser vielleicht glauben, daß dieser Oberrabbiner ein reicher Mann gewesen sey, bei dem die Kosten, die er auf den B. J. wandte, wirklich eine Kleinigkeit gewesen waͤren; aber B. J. versicherte mich, daß es sich damit ganz anders verhalten habe, der Oberrabbiner habe nur ein maͤßiges Gehalt gehabt, und da er sich bloß mit dem Studium abgegeben, so habe seine Frau die Verwaltung seiner Geschaͤfte, und seine Haushaltung zu besorgen gehabt. Er habe also dergleichen Handlungen ohne Wissen seiner Frau ausuͤben, und vorgeben muͤssen, daß ihm andere Leute Geld dazu gegeben haͤtten. Uebrigens habe er fuͤr sich ein sehr maͤßiges Leben gefuͤhrt, tagtaͤglich, außer am Sabbath, gefastet, und die ganze Woche uͤber kein Fleisch gegessen.
Demohngeachtet aber habe er doch, um seine Neigung zum Wohlwollen zu befriedigen, Schulden machen muͤssen. Diese strenge Lebensart, das viele Studieren und Nachtwachen haben seine Kraͤfte so sehr geschwaͤcht, daß er, nachdem er zum Oberrabbiner in Foͤrde aufgenommen worden, wohin ihm eine große Anzahl Schuͤler gefolgt, ohnge-
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