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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

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Philosophie aller Zeiten und Nationen, soweit möglich, auch die sonst in der Welt ungeachtete, dunkelste, tiefsinnigste, paradoxeste, allgemein gleichgesinnt, neutral und frei durchgangen hatte, jede nur in Prinzipien und besten Quellen ihrer Art, nach ihrer Geistesmanier wie ein Schauspieler seine Rollen,

Nullius addictus jurare in verba magistri,

Multa tulit fecitque puer, sudavit & alsit.

Auch als später Autor, schon in der Geburt veraltet, wollte er weder herrschen noch kriechen, nur in Mitte Freiheit zum Unendlichen. Denn ehe ein Philosoph de Sanssouci seyn kann, muß erst der Philosoph de Grandsouci in aller Länge, Tiefe, Breite, Höhe da seyn. Nunmehr findet er am besten, Reinholds natürlich simpel genetische Theorie und Elemantarphilosophie mit Kants allgemein praktischem Vernunftgesetz zu vereinigen, und in Absicht der ersten spekulativen Vernunftkritik von Kant widerruft er hiemit förmlich laut überall alle Urtheile über sie, die er, seit 1787 von der verzweifelten Metaphisik an, bis in dieses laufende Jahr seines Schattenfechtens, in öffentlichen kleinen Schriften, die zum Glücke keinen Anhang keinen Bruit zu machen taugten noch bestimmt waren, sich hat entfallen lassen als voreilig, vorschüssig, sagen die Schweizer, null und nichtig. -- So lange und so weit einer in seiner eigenen


Philosophie aller Zeiten und Nationen, soweit moͤglich, auch die sonst in der Welt ungeachtete, dunkelste, tiefsinnigste, paradoxeste, allgemein gleichgesinnt, neutral und frei durchgangen hatte, jede nur in Prinzipien und besten Quellen ihrer Art, nach ihrer Geistesmanier wie ein Schauspieler seine Rollen,

Nullius addictus jurare in verba magistri,

Multa tulit fecitque puer, sudavit & alsit.

Auch als spaͤter Autor, schon in der Geburt veraltet, wollte er weder herrschen noch kriechen, nur in Mitte Freiheit zum Unendlichen. Denn ehe ein Philosoph de Sanssouci seyn kann, muß erst der Philosoph de Grandsouci in aller Laͤnge, Tiefe, Breite, Hoͤhe da seyn. Nunmehr findet er am besten, Reinholds natuͤrlich simpel genetische Theorie und Elemantarphilosophie mit Kants allgemein praktischem Vernunftgesetz zu vereinigen, und in Absicht der ersten spekulativen Vernunftkritik von Kant widerruft er hiemit foͤrmlich laut uͤberall alle Urtheile uͤber sie, die er, seit 1787 von der verzweifelten Metaphisik an, bis in dieses laufende Jahr seines Schattenfechtens, in oͤffentlichen kleinen Schriften, die zum Gluͤcke keinen Anhang keinen Bruit zu machen taugten noch bestimmt waren, sich hat entfallen lassen als voreilig, vorschuͤssig, sagen die Schweizer, null und nichtig. — So lange und so weit einer in seiner eigenen

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[115/0115] Philosophie aller Zeiten und Nationen, soweit moͤglich, auch die sonst in der Welt ungeachtete, dunkelste, tiefsinnigste, paradoxeste, allgemein gleichgesinnt, neutral und frei durchgangen hatte, jede nur in Prinzipien und besten Quellen ihrer Art, nach ihrer Geistesmanier wie ein Schauspieler seine Rollen, Nullius addictus jurare in verba magistri, Multa tulit fecitque puer, sudavit & alsit. Auch als spaͤter Autor, schon in der Geburt veraltet, wollte er weder herrschen noch kriechen, nur in Mitte Freiheit zum Unendlichen. Denn ehe ein Philosoph de Sanssouci seyn kann, muß erst der Philosoph de Grandsouci in aller Laͤnge, Tiefe, Breite, Hoͤhe da seyn. Nunmehr findet er am besten, Reinholds natuͤrlich simpel genetische Theorie und Elemantarphilosophie mit Kants allgemein praktischem Vernunftgesetz zu vereinigen, und in Absicht der ersten spekulativen Vernunftkritik von Kant widerruft er hiemit foͤrmlich laut uͤberall alle Urtheile uͤber sie, die er, seit 1787 von der verzweifelten Metaphisik an, bis in dieses laufende Jahr seines Schattenfechtens, in oͤffentlichen kleinen Schriften, die zum Gluͤcke keinen Anhang keinen Bruit zu machen taugten noch bestimmt waren, sich hat entfallen lassen als voreilig, vorschuͤssig, sagen die Schweizer, null und nichtig. — So lange und so weit einer in seiner eigenen

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/115>, abgerufen am 09.11.2024.