Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Medium tenuere beati!*) Was dem edlen Reinhold Kants ganze Kritik der reinen Vernunft war, nach Vollendung der ungeheuer schwierigen, allseitig kritischen Untersuchung, nehmlich unumschränkt befriedigende Auflösung alles Erklärbaren, das ist dem Obereit nun Reinholds einziges Elementarprinzip, mehr ihm als von zwei tausend Jahren alle laufende Philosophie der Welt, vielmehr Phil-Asophie, seine eigene bisherige mit zugeschossen für Lumpen zu neuem Papier. Wiewohl die Kürze der Zeit, die man auf eigentliches Philosophiren anwenden kann, wie Hume wohl anmerkt, aus zweitausend Jahren einen sehr kleinen Zeitraum macht, der gegen unzählige Schwierigkeiten des strengen Philosophirens beinahe wie Nichts ist.

Man stelle sich einen Durst nach allbestimmender Grundwahrheit vor, der einen Menschen wenigstens vierzig Jahr und darüber, wie die Kinder Jsrael in der Wüste Arabiens herumführte, sich selbst und alle Welt durchsuchen machte, nach jedem im Ganzen verfehlt ersehenen Versuch größer wurde, ob er gleich in einigen Theilen befriedigt wurde, als in der bloßen Wesens Theologie, und im wichtigsten

*) Jch glaube schwerlich, daß sich dieser Vers zu der vorigen Aeußerung schickt! Reinholds reinste klare Elementarlehre hätte mehr helle Grundeinsicht in einem Tage eröffnet, als Lambert, Leibniz, die größten Vorigen in ganzen Jahren und Lebensläufen! Medium tenuere beati!

Medium tenuere beati!*) Was dem edlen Reinhold Kants ganze Kritik der reinen Vernunft war, nach Vollendung der ungeheuer schwierigen, allseitig kritischen Untersuchung, nehmlich unumschraͤnkt befriedigende Aufloͤsung alles Erklaͤrbaren, das ist dem Obereit nun Reinholds einziges Elementarprinzip, mehr ihm als von zwei tausend Jahren alle laufende Philosophie der Welt, vielmehr Phil-Asophie, seine eigene bisherige mit zugeschossen fuͤr Lumpen zu neuem Papier. Wiewohl die Kuͤrze der Zeit, die man auf eigentliches Philosophiren anwenden kann, wie Hume wohl anmerkt, aus zweitausend Jahren einen sehr kleinen Zeitraum macht, der gegen unzaͤhlige Schwierigkeiten des strengen Philosophirens beinahe wie Nichts ist.

Man stelle sich einen Durst nach allbestimmender Grundwahrheit vor, der einen Menschen wenigstens vierzig Jahr und daruͤber, wie die Kinder Jsrael in der Wuͤste Arabiens herumfuͤhrte, sich selbst und alle Welt durchsuchen machte, nach jedem im Ganzen verfehlt ersehenen Versuch groͤßer wurde, ob er gleich in einigen Theilen befriedigt wurde, als in der bloßen Wesens Theologie, und im wichtigsten

*) Jch glaube schwerlich, daß sich dieser Vers zu der vorigen Aeußerung schickt! Reinholds reinste klare Elementarlehre haͤtte mehr helle Grundeinsicht in einem Tage eroͤffnet, als Lambert, Leibniz, die groͤßten Vorigen in ganzen Jahren und Lebenslaͤufen! Medium tenuere beati!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0136" n="136"/><lb/>
            <p>Medium tenuere beati!*)<note place="foot"><p>*) Jch  glaube schwerlich, daß sich dieser Vers zu der  vorigen Aeußerung schickt! <hi rendition="#b">Reinholds reinste klare Elementarlehre ha&#x0364;tte mehr  helle Grundeinsicht in einem Tage ero&#x0364;ffnet, als  Lambert, Leibniz, die gro&#x0364;ßten Vorigen in ganzen  Jahren und Lebensla&#x0364;ufen!</hi> <hi rendition="#i">Medium tenuere  beati!</hi></p></note> Was dem edlen Reinhold  <persName ref="#ref0128"><note type="editorial">Kant, Jmmanuel</note>Kants</persName> ganze Kritik der reinen Vernunft  war, nach Vollendung der ungeheuer schwierigen,  allseitig kritischen Untersuchung, nehmlich  unumschra&#x0364;nkt befriedigende Auflo&#x0364;sung alles  Erkla&#x0364;rbaren, das ist dem <persName ref="#ref0052"><note type="editorial">Obereit, Jakob Hermann</note>Obereit</persName> nun <hi rendition="#b">Reinholds einziges Elementarprinzip,</hi> mehr  ihm als von zwei tausend Jahren alle laufende  Philosophie der Welt, vielmehr Phil-Asophie, seine  eigene bisherige mit zugeschossen fu&#x0364;r Lumpen zu  neuem Papier. Wiewohl die Ku&#x0364;rze der Zeit, die man  auf eigentliches Philosophiren anwenden kann, wie  Hume wohl anmerkt, aus zweitausend Jahren einen sehr  kleinen Zeitraum macht, der gegen unza&#x0364;hlige  Schwierigkeiten des strengen Philosophirens beinahe  wie Nichts ist.</p>
            <p>Man stelle sich einen Durst nach allbestimmender  Grundwahrheit vor, der einen Menschen wenigstens  vierzig Jahr und daru&#x0364;ber, wie die Kinder Jsrael in  der Wu&#x0364;ste Arabiens herumfu&#x0364;hrte, sich selbst und alle  Welt durchsuchen machte, nach jedem im Ganzen  verfehlt ersehenen Versuch gro&#x0364;ßer wurde, ob er  gleich in einigen Theilen befriedigt wurde, als in  der bloßen Wesens Theologie, und im wichtigsten<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0136] Medium tenuere beati!*) Was dem edlen Reinhold Kants ganze Kritik der reinen Vernunft war, nach Vollendung der ungeheuer schwierigen, allseitig kritischen Untersuchung, nehmlich unumschraͤnkt befriedigende Aufloͤsung alles Erklaͤrbaren, das ist dem Obereit nun Reinholds einziges Elementarprinzip, mehr ihm als von zwei tausend Jahren alle laufende Philosophie der Welt, vielmehr Phil-Asophie, seine eigene bisherige mit zugeschossen fuͤr Lumpen zu neuem Papier. Wiewohl die Kuͤrze der Zeit, die man auf eigentliches Philosophiren anwenden kann, wie Hume wohl anmerkt, aus zweitausend Jahren einen sehr kleinen Zeitraum macht, der gegen unzaͤhlige Schwierigkeiten des strengen Philosophirens beinahe wie Nichts ist. Man stelle sich einen Durst nach allbestimmender Grundwahrheit vor, der einen Menschen wenigstens vierzig Jahr und daruͤber, wie die Kinder Jsrael in der Wuͤste Arabiens herumfuͤhrte, sich selbst und alle Welt durchsuchen machte, nach jedem im Ganzen verfehlt ersehenen Versuch groͤßer wurde, ob er gleich in einigen Theilen befriedigt wurde, als in der bloßen Wesens Theologie, und im wichtigsten *) Jch glaube schwerlich, daß sich dieser Vers zu der vorigen Aeußerung schickt! Reinholds reinste klare Elementarlehre haͤtte mehr helle Grundeinsicht in einem Tage eroͤffnet, als Lambert, Leibniz, die groͤßten Vorigen in ganzen Jahren und Lebenslaͤufen! Medium tenuere beati!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/136
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/136>, abgerufen am 11.05.2024.