Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.
Nach sinnlichen Empfindungen, unter die sich nur wenige Geistesthätigkeit mischt, entsteht eine Geistesstockung, wir gerathen in eine Art von Fahrlosigkeit, wir verlieren den Muth auf unsre Vorstellung zu wirken, weil wir uns als ein leidendes Ding betrachten; auch ist in diesem Zustande die Einbildungskraft außerordentlich herrschend. Junge, guthmüthige und scharfsinnige Leute verlieren nicht nur durch wiederholte Demüthigungen, welche ihnen von vermeintlichen Freunden zugefügt worden, alle Geisteskräfte, werden unselbstständig, so daß man sie leiten kann, wie man will, sondern man merkt auch an ihren Gebehrden und an ihrem Betragen, daß sie der Einbildungskraft unterjocht worden; sie steigen aber wiederum zu ihrer ehemaligen Geisteshöhe hinauf, wenn sie einsehn, daß die Demüthigungen nur arglistige Kunstgriffe waren, um sie in ihren eigenen Augen zu verkleinern, und bekommen alsdann einen festen unerschütterlichen
Nach sinnlichen Empfindungen, unter die sich nur wenige Geistesthaͤtigkeit mischt, entsteht eine Geistesstockung, wir gerathen in eine Art von Fahrlosigkeit, wir verlieren den Muth auf unsre Vorstellung zu wirken, weil wir uns als ein leidendes Ding betrachten; auch ist in diesem Zustande die Einbildungskraft außerordentlich herrschend. Junge, guthmuͤthige und scharfsinnige Leute verlieren nicht nur durch wiederholte Demuͤthigungen, welche ihnen von vermeintlichen Freunden zugefuͤgt worden, alle Geisteskraͤfte, werden unselbststaͤndig, so daß man sie leiten kann, wie man will, sondern man merkt auch an ihren Gebehrden und an ihrem Betragen, daß sie der Einbildungskraft unterjocht worden; sie steigen aber wiederum zu ihrer ehemaligen Geisteshoͤhe hinauf, wenn sie einsehn, daß die Demuͤthigungen nur arglistige Kunstgriffe waren, um sie in ihren eigenen Augen zu verkleinern, und bekommen alsdann einen festen unerschuͤtterlichen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0019" n="19"/><lb/> stellungen ansehn, je mehr wir uͤberzeugt sind, daß wir kein bloßes leidendes Wesen sind, welches seine Vorstellungen blos empfaͤngt, sondern zum Theil selbst hervorbringt; und endlich, je mehr wir den Werth kennen, welchen unsre Vorstellungen durch die Leitung, die wir ihnen geben, erhalten, desto lebhafter werden wir angefeuert, unsre Vorstellungen zu regieren, und so auch umgekehrt, je weniger das eine statt hat, je weniger hat es auch das andre.</p> <p>Nach sinnlichen Empfindungen, unter die sich nur wenige Geistesthaͤtigkeit mischt, entsteht eine Geistesstockung, wir gerathen in eine Art von Fahrlosigkeit, wir verlieren den Muth auf unsre Vorstellung zu wirken, weil wir uns als ein leidendes Ding betrachten; auch ist in diesem Zustande die Einbildungskraft außerordentlich herrschend. Junge, guthmuͤthige und scharfsinnige Leute verlieren nicht nur durch wiederholte Demuͤthigungen, welche ihnen von vermeintlichen Freunden zugefuͤgt worden, alle Geisteskraͤfte, werden unselbststaͤndig, so daß man sie leiten kann, wie man will, sondern man merkt auch an ihren Gebehrden und an ihrem Betragen, daß sie der Einbildungskraft unterjocht worden; sie steigen aber wiederum zu ihrer ehemaligen Geisteshoͤhe hinauf, wenn sie einsehn, daß die Demuͤthigungen nur arglistige Kunstgriffe waren, um sie in ihren eigenen Augen zu verkleinern, und bekommen alsdann einen festen unerschuͤtterlichen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [19/0019]
stellungen ansehn, je mehr wir uͤberzeugt sind, daß wir kein bloßes leidendes Wesen sind, welches seine Vorstellungen blos empfaͤngt, sondern zum Theil selbst hervorbringt; und endlich, je mehr wir den Werth kennen, welchen unsre Vorstellungen durch die Leitung, die wir ihnen geben, erhalten, desto lebhafter werden wir angefeuert, unsre Vorstellungen zu regieren, und so auch umgekehrt, je weniger das eine statt hat, je weniger hat es auch das andre.
Nach sinnlichen Empfindungen, unter die sich nur wenige Geistesthaͤtigkeit mischt, entsteht eine Geistesstockung, wir gerathen in eine Art von Fahrlosigkeit, wir verlieren den Muth auf unsre Vorstellung zu wirken, weil wir uns als ein leidendes Ding betrachten; auch ist in diesem Zustande die Einbildungskraft außerordentlich herrschend. Junge, guthmuͤthige und scharfsinnige Leute verlieren nicht nur durch wiederholte Demuͤthigungen, welche ihnen von vermeintlichen Freunden zugefuͤgt worden, alle Geisteskraͤfte, werden unselbststaͤndig, so daß man sie leiten kann, wie man will, sondern man merkt auch an ihren Gebehrden und an ihrem Betragen, daß sie der Einbildungskraft unterjocht worden; sie steigen aber wiederum zu ihrer ehemaligen Geisteshoͤhe hinauf, wenn sie einsehn, daß die Demuͤthigungen nur arglistige Kunstgriffe waren, um sie in ihren eigenen Augen zu verkleinern, und bekommen alsdann einen festen unerschuͤtterlichen
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