Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite


die Sache genugsam zu bestätigen. Ein wegen seiner Frömmigkeit damals bekannter jüdischer Gelehrter, Simon aus Lubtsch, der schon die Tschubath hakana (die Buße des Kana) ausgeübt hatte, welche darin besteht, daß er sechs Jahre täglich fastet, und alle Abend nichts von allem, was von einem lebendigen Wesen herkömmt (Fleisch, Milchspeisen, Honig und dergl.), genießt, Golath, d.h. eine beständige Wanderung, wo man nicht zwei Tage an einem Orte bleiben darf, gehalten, und einen haarnen Sack aufm bloßen Leibe getragen hatte, glaubte, noch nicht genug zur Befriedigung seines Gewissens gethan zu haben, wenn er nicht noch die Tschubath hmischkal (die Buße des Abwägens) d.h. eine partikuläre, jeder Sünde proportionirte Buße, ausüben werde. Da er aber nach Berechnung gefunden hatte, daß die Anzahl seiner Sünden zu groß sey, als daß er sie auf diese Art abbüßen könnte, so ließ er sich einfallen, sich zu Tode zu hungern. Nachdem er schon einige Zeit auf diese Art zugebracht hatte, kam er auf seiner Wanderung an den Ort, wo B. J. Vater wohnte, und gieng, ohne daß jemand im Hause etwas davon wußte, in die Scheune, wo er ganz ohnmächtig auf den Boden fiel. B. J. Vater kam zufälligerweise in die Scheune, und fand diesen Mann, der ihm schon längst bekannt war, mit einem Sahar in der Hand (das Hauptbuch der Kabalisten), halb todt auf dem Boden liegen.



die Sache genugsam zu bestaͤtigen. Ein wegen seiner Froͤmmigkeit damals bekannter juͤdischer Gelehrter, Simon aus Lubtsch, der schon die Tschubath hakana (die Buße des Kana) ausgeuͤbt hatte, welche darin besteht, daß er sechs Jahre taͤglich fastet, und alle Abend nichts von allem, was von einem lebendigen Wesen herkoͤmmt (Fleisch, Milchspeisen, Honig und dergl.), genießt, Golath, d.h. eine bestaͤndige Wanderung, wo man nicht zwei Tage an einem Orte bleiben darf, gehalten, und einen haarnen Sack aufm bloßen Leibe getragen hatte, glaubte, noch nicht genug zur Befriedigung seines Gewissens gethan zu haben, wenn er nicht noch die Tschubath hmischkal (die Buße des Abwaͤgens) d.h. eine partikulaͤre, jeder Suͤnde proportionirte Buße, ausuͤben werde. Da er aber nach Berechnung gefunden hatte, daß die Anzahl seiner Suͤnden zu groß sey, als daß er sie auf diese Art abbuͤßen koͤnnte, so ließ er sich einfallen, sich zu Tode zu hungern. Nachdem er schon einige Zeit auf diese Art zugebracht hatte, kam er auf seiner Wanderung an den Ort, wo B. J. Vater wohnte, und gieng, ohne daß jemand im Hause etwas davon wußte, in die Scheune, wo er ganz ohnmaͤchtig auf den Boden fiel. B. J. Vater kam zufaͤlligerweise in die Scheune, und fand diesen Mann, der ihm schon laͤngst bekannt war, mit einem Sahar in der Hand (das Hauptbuch der Kabalisten), halb todt auf dem Boden liegen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0042" n="42"/><lb/>
die Sache  genugsam zu besta&#x0364;tigen. Ein wegen seiner Fro&#x0364;mmigkeit  damals bekannter ju&#x0364;discher Gelehrter, <hi rendition="#b">Simon</hi> aus <hi rendition="#b">Lubtsch,</hi> der schon die <hi rendition="#b">Tschubath hakana</hi> (die Buße des <hi rendition="#b">Kana</hi>) ausgeu&#x0364;bt hatte, welche  darin besteht, daß er sechs Jahre ta&#x0364;glich fastet,  und alle Abend nichts von allem, was von einem  lebendigen Wesen herko&#x0364;mmt (Fleisch, Milchspeisen,  Honig und dergl.), genießt, <hi rendition="#b">Golath,</hi> d.h. eine besta&#x0364;ndige Wanderung, wo  man nicht zwei Tage an einem Orte bleiben darf,  gehalten, und einen haarnen Sack aufm bloßen Leibe  getragen hatte, glaubte, noch nicht genug zur  Befriedigung seines Gewissens gethan zu haben, wenn  er nicht noch die <hi rendition="#b">Tschubath  hmischkal</hi> (die Buße des Abwa&#x0364;gens) d.h. eine  partikula&#x0364;re, jeder Su&#x0364;nde proportionirte Buße,  ausu&#x0364;ben werde. Da er aber nach Berechnung gefunden  hatte, daß die Anzahl seiner Su&#x0364;nden zu groß sey, als  daß er sie auf diese Art abbu&#x0364;ßen ko&#x0364;nnte, so ließ er  sich einfallen, <hi rendition="#b">sich zu Tode zu  hungern.</hi> Nachdem er schon einige Zeit auf  diese Art zugebracht hatte, kam er auf seiner  Wanderung an den Ort, wo B. J. Vater wohnte, und  gieng, ohne daß jemand im Hause etwas davon wußte,  in die Scheune, wo er ganz ohnma&#x0364;chtig auf den Boden  fiel. B. J. Vater kam zufa&#x0364;lligerweise in die  Scheune, und fand diesen Mann, der ihm schon la&#x0364;ngst  bekannt war, mit einem <hi rendition="#b">Sahar</hi> in der Hand (das Hauptbuch der  Kabalisten), halb todt auf dem Boden liegen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0042] die Sache genugsam zu bestaͤtigen. Ein wegen seiner Froͤmmigkeit damals bekannter juͤdischer Gelehrter, Simon aus Lubtsch, der schon die Tschubath hakana (die Buße des Kana) ausgeuͤbt hatte, welche darin besteht, daß er sechs Jahre taͤglich fastet, und alle Abend nichts von allem, was von einem lebendigen Wesen herkoͤmmt (Fleisch, Milchspeisen, Honig und dergl.), genießt, Golath, d.h. eine bestaͤndige Wanderung, wo man nicht zwei Tage an einem Orte bleiben darf, gehalten, und einen haarnen Sack aufm bloßen Leibe getragen hatte, glaubte, noch nicht genug zur Befriedigung seines Gewissens gethan zu haben, wenn er nicht noch die Tschubath hmischkal (die Buße des Abwaͤgens) d.h. eine partikulaͤre, jeder Suͤnde proportionirte Buße, ausuͤben werde. Da er aber nach Berechnung gefunden hatte, daß die Anzahl seiner Suͤnden zu groß sey, als daß er sie auf diese Art abbuͤßen koͤnnte, so ließ er sich einfallen, sich zu Tode zu hungern. Nachdem er schon einige Zeit auf diese Art zugebracht hatte, kam er auf seiner Wanderung an den Ort, wo B. J. Vater wohnte, und gieng, ohne daß jemand im Hause etwas davon wußte, in die Scheune, wo er ganz ohnmaͤchtig auf den Boden fiel. B. J. Vater kam zufaͤlligerweise in die Scheune, und fand diesen Mann, der ihm schon laͤngst bekannt war, mit einem Sahar in der Hand (das Hauptbuch der Kabalisten), halb todt auf dem Boden liegen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/42
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/42>, abgerufen am 23.11.2024.