Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0045" n="45"/><lb/><hi rendition="#b">Malketh-Schlagen</hi> vor dem großen Versoͤhnungstage, wo jeder Jude sich in der Synagoge auf den Bauch legt, und ein anderer ihm mit einem schmalen Streif Leder 39 Schlaͤge giebt. So auch <hi rendition="#b">Hajorath andorim,</hi> oder das <hi rendition="#b">Loßsagen von den Geluͤbden</hi> am Tage vor dem Neujahrstage, wo sich drei Maͤnner niedersetzen, und ein anderer vor sie hintritt, und eine gewisse Formel sagt, deren Jnhalt ungefaͤhr dieser ist: Meine Herrn! ich weiß, welch eine schwere Suͤnde es sey, Geluͤbde nicht zu vollziehn, und da ich ohne Zweifel in diesem Jahre einige Geluͤbde gethan, die ich noch nicht vollzogen habe, und auf die ich mich nicht mehr besinnen kann, so bitte ich von Euch, daß Jhr mich von denselben lossagen wollet. Jch bereue nicht die guten Entschließungen, wozu ich mich durch dergleichen Geluͤbde verpflichtet habe, sondern bloß, daß ich nicht bei dergleichen Entschließungen hinzugefuͤgt habe, daß sie nicht die Kraft eines Geluͤbdes haben sollten u.s.w. Darauf entfernt er sich von dem Sitze dieser Richter, zieht die Schuhe aus und setzt sich auf die bloße Erde (wodurch er sich selbst verbannt, bis seine Geluͤbde aufgeloͤßt worden). Nachdem er einige Zeit gesessen, und fuͤr sich ein Gebet verrichtet hat, fangen die Richter an laut zu rufen: Du bist unser Bruder! du bist unser Bruder! du bist unser Bruder! Es giebt keine Geluͤbde, keinen Schwur, keine Verbannung mehr, nachdem du dich dem Gerichte unterworfen hast! Steh auf<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [45/0045]
Malketh-Schlagen vor dem großen Versoͤhnungstage, wo jeder Jude sich in der Synagoge auf den Bauch legt, und ein anderer ihm mit einem schmalen Streif Leder 39 Schlaͤge giebt. So auch Hajorath andorim, oder das Loßsagen von den Geluͤbden am Tage vor dem Neujahrstage, wo sich drei Maͤnner niedersetzen, und ein anderer vor sie hintritt, und eine gewisse Formel sagt, deren Jnhalt ungefaͤhr dieser ist: Meine Herrn! ich weiß, welch eine schwere Suͤnde es sey, Geluͤbde nicht zu vollziehn, und da ich ohne Zweifel in diesem Jahre einige Geluͤbde gethan, die ich noch nicht vollzogen habe, und auf die ich mich nicht mehr besinnen kann, so bitte ich von Euch, daß Jhr mich von denselben lossagen wollet. Jch bereue nicht die guten Entschließungen, wozu ich mich durch dergleichen Geluͤbde verpflichtet habe, sondern bloß, daß ich nicht bei dergleichen Entschließungen hinzugefuͤgt habe, daß sie nicht die Kraft eines Geluͤbdes haben sollten u.s.w. Darauf entfernt er sich von dem Sitze dieser Richter, zieht die Schuhe aus und setzt sich auf die bloße Erde (wodurch er sich selbst verbannt, bis seine Geluͤbde aufgeloͤßt worden). Nachdem er einige Zeit gesessen, und fuͤr sich ein Gebet verrichtet hat, fangen die Richter an laut zu rufen: Du bist unser Bruder! du bist unser Bruder! du bist unser Bruder! Es giebt keine Geluͤbde, keinen Schwur, keine Verbannung mehr, nachdem du dich dem Gerichte unterworfen hast! Steh auf
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