Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.
Daß aber diese Sekte sich so geschwind ausbreitete, und ihre neue Lehre bei dem größten Theile der Nation so vielen Beifall fand, läßt sich sehr leicht erklären. Die natürliche Neigung zum Müßiggang und zur spekulativen Lebensart, des größten Theils der Nation (der von der Geburt an zum Studiren bestimmt wird), die Trockenheit und Unfruchtbarkeit des rabbinischen Studiums, und die große Last des Zeremonialgesetzes, die diese Lehre zu erleichtern verspricht, endlich die Neigung zur Schwärmerei und zum Wunderbaren, die durch diese Lehre genährt wird, sind hinreichend, dieses Phänomen begreiflich zu machen. Anfangs widersetzten sich zwar die Rabbiner und die Frommen nach dem alten Stil, der Verbreitung dieser Sekte, diese behielt aber dennoch, aus vorerwähnten Gründen, die Oberhand. Es wurden Feindseeligkeiten von beiden Seiten ausge-
Daß aber diese Sekte sich so geschwind ausbreitete, und ihre neue Lehre bei dem groͤßten Theile der Nation so vielen Beifall fand, laͤßt sich sehr leicht erklaͤren. Die natuͤrliche Neigung zum Muͤßiggang und zur spekulativen Lebensart, des groͤßten Theils der Nation (der von der Geburt an zum Studiren bestimmt wird), die Trockenheit und Unfruchtbarkeit des rabbinischen Studiums, und die große Last des Zeremonialgesetzes, die diese Lehre zu erleichtern verspricht, endlich die Neigung zur Schwaͤrmerei und zum Wunderbaren, die durch diese Lehre genaͤhrt wird, sind hinreichend, dieses Phaͤnomen begreiflich zu machen. Anfangs widersetzten sich zwar die Rabbiner und die Frommen nach dem alten Stil, der Verbreitung dieser Sekte, diese behielt aber dennoch, aus vorerwaͤhnten Gruͤnden, die Oberhand. Es wurden Feindseeligkeiten von beiden Seiten ausge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0073" n="73"/><lb/> schraͤnkt war; so mußte der Zustand, worin sie ihre Thaͤtigkeit auf einen (in Ansehung ihrer Faͤhigkeit) unfruchtbaren Gegenstand konzentrirten, unnatuͤrlich seyn. Ferner konnten sie nur alsdann ihre Handlungen Gott zurechnen, wenn sie <hi rendition="#b">Folgen einer richtigen Erkenntniß</hi> Gottes waren; waren sie aber <hi rendition="#b">Folgen der Eingeschraͤnktheit</hi> dieser Erkenntniß, so musten sie nothwendig <hi rendition="#b">auf Gottes Rechnung</hi> allerhand Excesse begehn, wie zum Ungluͤck der Erfolg gelehret hat.</p> <p>Daß aber diese Sekte sich so geschwind ausbreitete, und ihre neue Lehre bei dem groͤßten Theile der Nation so vielen Beifall fand, laͤßt sich sehr leicht erklaͤren. <hi rendition="#b">Die natuͤrliche Neigung zum Muͤßiggang und zur spekulativen Lebensart,</hi> des groͤßten Theils der Nation (der von der Geburt an zum Studiren bestimmt wird), <hi rendition="#b">die Trockenheit und Unfruchtbarkeit des rabbinischen Studiums, und die große Last des Zeremonialgesetzes,</hi> die diese Lehre zu erleichtern verspricht, endlich <hi rendition="#b">die Neigung zur Schwaͤrmerei und zum Wunderbaren,</hi> die durch diese Lehre genaͤhrt wird, sind hinreichend, dieses Phaͤnomen begreiflich zu machen.</p> <p>Anfangs widersetzten sich zwar die Rabbiner und die Frommen nach dem alten Stil, der Verbreitung dieser Sekte, diese behielt aber dennoch, aus vorerwaͤhnten Gruͤnden, die Oberhand. Es wurden Feindseeligkeiten von beiden Seiten ausge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [73/0073]
schraͤnkt war; so mußte der Zustand, worin sie ihre Thaͤtigkeit auf einen (in Ansehung ihrer Faͤhigkeit) unfruchtbaren Gegenstand konzentrirten, unnatuͤrlich seyn. Ferner konnten sie nur alsdann ihre Handlungen Gott zurechnen, wenn sie Folgen einer richtigen Erkenntniß Gottes waren; waren sie aber Folgen der Eingeschraͤnktheit dieser Erkenntniß, so musten sie nothwendig auf Gottes Rechnung allerhand Excesse begehn, wie zum Ungluͤck der Erfolg gelehret hat.
Daß aber diese Sekte sich so geschwind ausbreitete, und ihre neue Lehre bei dem groͤßten Theile der Nation so vielen Beifall fand, laͤßt sich sehr leicht erklaͤren. Die natuͤrliche Neigung zum Muͤßiggang und zur spekulativen Lebensart, des groͤßten Theils der Nation (der von der Geburt an zum Studiren bestimmt wird), die Trockenheit und Unfruchtbarkeit des rabbinischen Studiums, und die große Last des Zeremonialgesetzes, die diese Lehre zu erleichtern verspricht, endlich die Neigung zur Schwaͤrmerei und zum Wunderbaren, die durch diese Lehre genaͤhrt wird, sind hinreichend, dieses Phaͤnomen begreiflich zu machen.
Anfangs widersetzten sich zwar die Rabbiner und die Frommen nach dem alten Stil, der Verbreitung dieser Sekte, diese behielt aber dennoch, aus vorerwaͤhnten Gruͤnden, die Oberhand. Es wurden Feindseeligkeiten von beiden Seiten ausge-
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