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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

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"Singt Gott ein neues Lied, sein Lob ist in der Gemeinde der Frommen (Psalm 1491,1.). Unsre hohen Obern erklären diesen Vers auf folgende Art: die Eigenschaften Gottes, als des allervollkommensten Wesens, müssen die Eigenschaften eines jeden eingeschränkten Wesens weit übertreffen, folglich auch sein Lob (als Ausdruck seiner Eigenschaften) das Lob dieser. Bis jetzt bestand Gottes Lob darin, daß man ihm übernatürliche Würkungen (das Verborgne zu entdecken, das Zukünftige vorher zu sehn, mit seinem bloßen Willen unmittelbar zu wirken u. dergl.) beilegte. Nun aber sind die Frommen (die hohen Obern) im Stande, solche übernatürliche Handlungen selbst zu verrichten, und da Gott also hierin vor ihnen keinen Vorzug hat, muß man bedacht seyn, ein neues Lob ausfindig zu machen, das nur Gott allein zukommen kann."

B. J., entzückt über die sinnreiche Art, die heilige Schrift auszulegen, bat den Fremden um noch mehrere Explikationen dieser Art. Dieser fuhr also in seiner Begeisterung fort: "Als der Spieler (Musikus) spielte, kam auf ihn der Geist Gottes (II. Buch der Könige 3, 15.). Dies legen sie so aus: So lange sich der Mensch selbstthätig zeigt, ist er unfähig, die Würkung des heiligen Geistes zu empfangen; zu diesem Behuf muß er sich als ein Jnstrument, blos leidend verhalten. Die Bedeutung dieser Stelle ist also:


»Singt Gott ein neues Lied, sein Lob ist in der Gemeinde der Frommen (Psalm 1491,1.). Unsre hohen Obern erklaͤren diesen Vers auf folgende Art: die Eigenschaften Gottes, als des allervollkommensten Wesens, muͤssen die Eigenschaften eines jeden eingeschraͤnkten Wesens weit uͤbertreffen, folglich auch sein Lob (als Ausdruck seiner Eigenschaften) das Lob dieser. Bis jetzt bestand Gottes Lob darin, daß man ihm uͤbernatuͤrliche Wuͤrkungen (das Verborgne zu entdecken, das Zukuͤnftige vorher zu sehn, mit seinem bloßen Willen unmittelbar zu wirken u. dergl.) beilegte. Nun aber sind die Frommen (die hohen Obern) im Stande, solche uͤbernatuͤrliche Handlungen selbst zu verrichten, und da Gott also hierin vor ihnen keinen Vorzug hat, muß man bedacht seyn, ein neues Lob ausfindig zu machen, das nur Gott allein zukommen kann.«

B. J., entzuͤckt uͤber die sinnreiche Art, die heilige Schrift auszulegen, bat den Fremden um noch mehrere Explikationen dieser Art. Dieser fuhr also in seiner Begeisterung fort: »Als der Spieler (Musikus) spielte, kam auf ihn der Geist Gottes (II. Buch der Koͤnige 3, 15.). Dies legen sie so aus: So lange sich der Mensch selbstthaͤtig zeigt, ist er unfaͤhig, die Wuͤrkung des heiligen Geistes zu empfangen; zu diesem Behuf muß er sich als ein Jnstrument, blos leidend verhalten. Die Bedeutung dieser Stelle ist also:

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[76/0076] »Singt Gott ein neues Lied, sein Lob ist in der Gemeinde der Frommen (Psalm 1491,1.). Unsre hohen Obern erklaͤren diesen Vers auf folgende Art: die Eigenschaften Gottes, als des allervollkommensten Wesens, muͤssen die Eigenschaften eines jeden eingeschraͤnkten Wesens weit uͤbertreffen, folglich auch sein Lob (als Ausdruck seiner Eigenschaften) das Lob dieser. Bis jetzt bestand Gottes Lob darin, daß man ihm uͤbernatuͤrliche Wuͤrkungen (das Verborgne zu entdecken, das Zukuͤnftige vorher zu sehn, mit seinem bloßen Willen unmittelbar zu wirken u. dergl.) beilegte. Nun aber sind die Frommen (die hohen Obern) im Stande, solche uͤbernatuͤrliche Handlungen selbst zu verrichten, und da Gott also hierin vor ihnen keinen Vorzug hat, muß man bedacht seyn, ein neues Lob ausfindig zu machen, das nur Gott allein zukommen kann.« B. J., entzuͤckt uͤber die sinnreiche Art, die heilige Schrift auszulegen, bat den Fremden um noch mehrere Explikationen dieser Art. Dieser fuhr also in seiner Begeisterung fort: »Als der Spieler (Musikus) spielte, kam auf ihn der Geist Gottes (II. Buch der Koͤnige 3, 15.). Dies legen sie so aus: So lange sich der Mensch selbstthaͤtig zeigt, ist er unfaͤhig, die Wuͤrkung des heiligen Geistes zu empfangen; zu diesem Behuf muß er sich als ein Jnstrument, blos leidend verhalten. Die Bedeutung dieser Stelle ist also:

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/76>, abgerufen am 09.11.2024.