Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite


sen, sondern auch zur Erreichung ihres Zweckes bei andern, indem sie diese Schwachen den andern, als ein nachahmungswürdiges Muster der Submission empfiehlt, und dadurch die aus der Selbstthätigkeit dieser andern entspringenden Hindernisse aus dem Wege räumt.

Diese höchste Klasse fängt gemeiniglich mit dem Stoizismus an, und endigt mit dem feinen Epikuräismus. Jhre Mitglieder bestehen aus den Frommen von der ersten Art, d.h. aus solchen, die sich eine geraume Zeit der strengsten Ausübung der Religions- und Moralgesetze, und Beherrschung ihrer Begierden und Leidenschaften gewidmet haben; da sie aber nicht, wie jene, den Stoizismus selbst als Zweck, sondern blos als Mittel zum höchsten Zweck des Menschen, nehmlich der Glückseeligkeit, betrachten, so bleiben sie nicht dabei stehn, sondern, nachdem sie davon so viel, als zu diesem Zwecke nöthig ist, in ihre Gewalt bekommen haben, eilen sie zum Zwecke selbst, d.h. zum Genusse der Glückseeligkeit.

Durch ihre Uebung im strengsten Stoizismus ist ihr Gefühl für alle Arten des Vergnügens erhöhet und veredelt worden, anstatt daß es bei den groben Epikuräern immer stumpfer wird. Durch diese Uebung sind sie auch in den Stand gesetzt worden, ein jedes vorkommende Vergnügen so lange zu verschieben, bis sie seinen wahren Werth bestimmt haben, welches bei den groben Epikuräern der Fall nicht ist.



sen, sondern auch zur Erreichung ihres Zweckes bei andern, indem sie diese Schwachen den andern, als ein nachahmungswuͤrdiges Muster der Submission empfiehlt, und dadurch die aus der Selbstthaͤtigkeit dieser andern entspringenden Hindernisse aus dem Wege raͤumt.

Diese hoͤchste Klasse faͤngt gemeiniglich mit dem Stoizismus an, und endigt mit dem feinen Epikuraͤismus. Jhre Mitglieder bestehen aus den Frommen von der ersten Art, d.h. aus solchen, die sich eine geraume Zeit der strengsten Ausuͤbung der Religions- und Moralgesetze, und Beherrschung ihrer Begierden und Leidenschaften gewidmet haben; da sie aber nicht, wie jene, den Stoizismus selbst als Zweck, sondern blos als Mittel zum hoͤchsten Zweck des Menschen, nehmlich der Gluͤckseeligkeit, betrachten, so bleiben sie nicht dabei stehn, sondern, nachdem sie davon so viel, als zu diesem Zwecke noͤthig ist, in ihre Gewalt bekommen haben, eilen sie zum Zwecke selbst, d.h. zum Genusse der Gluͤckseeligkeit.

Durch ihre Uebung im strengsten Stoizismus ist ihr Gefuͤhl fuͤr alle Arten des Vergnuͤgens erhoͤhet und veredelt worden, anstatt daß es bei den groben Epikuraͤern immer stumpfer wird. Durch diese Uebung sind sie auch in den Stand gesetzt worden, ein jedes vorkommende Vergnuͤgen so lange zu verschieben, bis sie seinen wahren Werth bestimmt haben, welches bei den groben Epikuraͤern der Fall nicht ist.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0086" n="86"/><lb/>
sen, sondern auch zur Erreichung ihres  Zweckes bei andern, indem sie diese Schwachen den  andern, <hi rendition="#b">als ein  nachahmungswu&#x0364;rdiges Muster der Submission</hi> empfiehlt, und dadurch die aus der Selbsttha&#x0364;tigkeit  dieser andern entspringenden Hindernisse aus dem  Wege ra&#x0364;umt.</p>
            <p>Diese ho&#x0364;chste Klasse <hi rendition="#b">fa&#x0364;ngt gemeiniglich  mit dem Stoizismus an, und endigt mit dem feinen  Epikura&#x0364;ismus.</hi> Jhre Mitglieder bestehen aus  den <hi rendition="#b">Frommen von der ersten  Art,</hi> d.h. aus solchen, die sich eine  geraume Zeit der strengsten Ausu&#x0364;bung der Religions-  und Moralgesetze, und Beherrschung ihrer Begierden  und Leidenschaften gewidmet haben; da sie aber  nicht, wie jene, den Stoizismus selbst als <hi rendition="#b">Zweck,</hi> sondern blos als <hi rendition="#b">Mittel zum ho&#x0364;chsten Zweck des  Menschen,</hi> nehmlich der <hi rendition="#b">Glu&#x0364;ckseeligkeit,</hi> betrachten, so bleiben  sie nicht dabei stehn, sondern, nachdem sie davon so  viel, als zu diesem Zwecke no&#x0364;thig ist, in ihre  Gewalt bekommen haben, eilen sie zum Zwecke selbst,  d.h. zum Genusse der Glu&#x0364;ckseeligkeit.</p>
            <p>Durch ihre Uebung im strengsten Stoizismus ist ihr Gefu&#x0364;hl  fu&#x0364;r alle Arten des Vergnu&#x0364;gens <hi rendition="#b">erho&#x0364;het und veredelt</hi> worden, anstatt daß  es bei den groben Epikura&#x0364;ern <hi rendition="#b">immer  stumpfer</hi> wird. Durch diese Uebung sind sie  auch in den Stand gesetzt worden, ein jedes  vorkommende Vergnu&#x0364;gen so lange zu verschieben, bis  sie seinen wahren Werth bestimmt haben, welches bei  den groben Epikura&#x0364;ern der Fall nicht ist.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0086] sen, sondern auch zur Erreichung ihres Zweckes bei andern, indem sie diese Schwachen den andern, als ein nachahmungswuͤrdiges Muster der Submission empfiehlt, und dadurch die aus der Selbstthaͤtigkeit dieser andern entspringenden Hindernisse aus dem Wege raͤumt. Diese hoͤchste Klasse faͤngt gemeiniglich mit dem Stoizismus an, und endigt mit dem feinen Epikuraͤismus. Jhre Mitglieder bestehen aus den Frommen von der ersten Art, d.h. aus solchen, die sich eine geraume Zeit der strengsten Ausuͤbung der Religions- und Moralgesetze, und Beherrschung ihrer Begierden und Leidenschaften gewidmet haben; da sie aber nicht, wie jene, den Stoizismus selbst als Zweck, sondern blos als Mittel zum hoͤchsten Zweck des Menschen, nehmlich der Gluͤckseeligkeit, betrachten, so bleiben sie nicht dabei stehn, sondern, nachdem sie davon so viel, als zu diesem Zwecke noͤthig ist, in ihre Gewalt bekommen haben, eilen sie zum Zwecke selbst, d.h. zum Genusse der Gluͤckseeligkeit. Durch ihre Uebung im strengsten Stoizismus ist ihr Gefuͤhl fuͤr alle Arten des Vergnuͤgens erhoͤhet und veredelt worden, anstatt daß es bei den groben Epikuraͤern immer stumpfer wird. Durch diese Uebung sind sie auch in den Stand gesetzt worden, ein jedes vorkommende Vergnuͤgen so lange zu verschieben, bis sie seinen wahren Werth bestimmt haben, welches bei den groben Epikuraͤern der Fall nicht ist.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/86
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/86>, abgerufen am 09.11.2024.