Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite


stellung (daß wenn eine Vorstellung im Bewußtseyn existiren soll, auch diese Jdeen zugleich existiren müssen) sondern umgekehrt. Die Erklärung der Vorstellung ist also nicht einmal in dieser Rücksicht (wo es nicht ein etwas dem vorgestellten Gegenstande ähnliches, sondern mit demselben nothwendig Koexistirendes bedeutet) richtig. Die Beziehung der Vorstellung aufs Subjekt und Objekt ist nicht ursprünglich, sondern sie entsteht erst durch eine psychologische Täuschung auf folgende Art.

Aus der Gewohnheit eine jede Wahrnehmung auf andre Wahrnehmungen durch den Begrif der Koexistenz zu beziehn, entsteht diese transzendente Neigung der Einbildungskraft, eine jede Wahrnehmung auf ein Etwas überhaupt zu beziehn. Jch habe z.B. immer wahrgenommen, daß die gelbe Farbe entweder mit der vorzüglichen Schwere, der Härte und Dichtigkeit im Golde; oder mit der Zähigkeit und Weiche des Wachses, oder sonst einer Eigenschaft koexistirt. Jch mache daher diesen Erfahrungssatz nicht nur allgemein, sondern auch transzendent; die gelbe Farbe muß einem nicht nur unbestimmten, sondern unbestimmbaren Etwas gehören. Auf diese Art entsteht die fingirte Jdee von einem Objekt außer dem Denkungsvermögen (nicht Dinge überhaupt) das auch außer diesem Begriffe einer möglichen Beziehung überhaupt (Form der Apperception) seine Realität haben soll. So-


stellung (daß wenn eine Vorstellung im Bewußtseyn existiren soll, auch diese Jdeen zugleich existiren muͤssen) sondern umgekehrt. Die Erklaͤrung der Vorstellung ist also nicht einmal in dieser Ruͤcksicht (wo es nicht ein etwas dem vorgestellten Gegenstande aͤhnliches, sondern mit demselben nothwendig Koexistirendes bedeutet) richtig. Die Beziehung der Vorstellung aufs Subjekt und Objekt ist nicht urspruͤnglich, sondern sie entsteht erst durch eine psychologische Taͤuschung auf folgende Art.

Aus der Gewohnheit eine jede Wahrnehmung auf andre Wahrnehmungen durch den Begrif der Koexistenz zu beziehn, entsteht diese transzendente Neigung der Einbildungskraft, eine jede Wahrnehmung auf ein Etwas uͤberhaupt zu beziehn. Jch habe z.B. immer wahrgenommen, daß die gelbe Farbe entweder mit der vorzuͤglichen Schwere, der Haͤrte und Dichtigkeit im Golde; oder mit der Zaͤhigkeit und Weiche des Wachses, oder sonst einer Eigenschaft koexistirt. Jch mache daher diesen Erfahrungssatz nicht nur allgemein, sondern auch transzendent; die gelbe Farbe muß einem nicht nur unbestimmten, sondern unbestimmbaren Etwas gehoͤren. Auf diese Art entsteht die fingirte Jdee von einem Objekt außer dem Denkungsvermoͤgen (nicht Dinge uͤberhaupt) das auch außer diesem Begriffe einer moͤglichen Beziehung uͤberhaupt (Form der Apperception) seine Realitaͤt haben soll. So-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0011" n="11"/><lb/>
stellung (daß wenn eine                         Vorstellung im Bewußtseyn existiren soll, auch diese Jdeen zugleich                         existiren mu&#x0364;ssen) sondern umgekehrt. Die Erkla&#x0364;rung der Vorstellung ist also                         nicht einmal in dieser Ru&#x0364;cksicht (wo es nicht ein etwas dem vorgestellten                         Gegenstande <hi rendition="#b">a&#x0364;hnliches,</hi> sondern mit demselben                         nothwendig Koexistirendes bedeutet) richtig. Die Beziehung der Vorstellung                         aufs Subjekt und Objekt ist nicht <hi rendition="#b">urspru&#x0364;nglich,</hi> sondern sie entsteht erst durch eine <hi rendition="#b">psychologische                             Ta&#x0364;uschung</hi> auf folgende Art. </p>
          <p>Aus der Gewohnheit eine jede Wahrnehmung auf andre Wahrnehmungen durch den                         Begrif der Koexistenz zu beziehn, entsteht diese transzendente Neigung der                         Einbildungskraft, eine jede Wahrnehmung auf <hi rendition="#b">ein Etwas                             u&#x0364;berhaupt</hi> zu beziehn. Jch habe z.B. immer wahrgenommen, daß die                         gelbe Farbe entweder mit der vorzu&#x0364;glichen Schwere, der Ha&#x0364;rte und Dichtigkeit                         im Golde; oder mit der Za&#x0364;higkeit und Weiche des Wachses, oder sonst einer                         Eigenschaft koexistirt. Jch mache daher diesen Erfahrungssatz nicht nur                         allgemein, sondern auch transzendent; die gelbe Farbe muß einem nicht nur <hi rendition="#b">unbestimmten,</hi> sondern <hi rendition="#b">unbestimmbaren</hi> Etwas geho&#x0364;ren. Auf diese Art entsteht die                         fingirte Jdee von einem Objekt außer dem Denkungsvermo&#x0364;gen (nicht Dinge                         u&#x0364;berhaupt) das auch außer diesem Begriffe einer mo&#x0364;glichen Beziehung                         u&#x0364;berhaupt (Form der Apperception) seine Realita&#x0364;t haben soll. So-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0011] stellung (daß wenn eine Vorstellung im Bewußtseyn existiren soll, auch diese Jdeen zugleich existiren muͤssen) sondern umgekehrt. Die Erklaͤrung der Vorstellung ist also nicht einmal in dieser Ruͤcksicht (wo es nicht ein etwas dem vorgestellten Gegenstande aͤhnliches, sondern mit demselben nothwendig Koexistirendes bedeutet) richtig. Die Beziehung der Vorstellung aufs Subjekt und Objekt ist nicht urspruͤnglich, sondern sie entsteht erst durch eine psychologische Taͤuschung auf folgende Art. Aus der Gewohnheit eine jede Wahrnehmung auf andre Wahrnehmungen durch den Begrif der Koexistenz zu beziehn, entsteht diese transzendente Neigung der Einbildungskraft, eine jede Wahrnehmung auf ein Etwas uͤberhaupt zu beziehn. Jch habe z.B. immer wahrgenommen, daß die gelbe Farbe entweder mit der vorzuͤglichen Schwere, der Haͤrte und Dichtigkeit im Golde; oder mit der Zaͤhigkeit und Weiche des Wachses, oder sonst einer Eigenschaft koexistirt. Jch mache daher diesen Erfahrungssatz nicht nur allgemein, sondern auch transzendent; die gelbe Farbe muß einem nicht nur unbestimmten, sondern unbestimmbaren Etwas gehoͤren. Auf diese Art entsteht die fingirte Jdee von einem Objekt außer dem Denkungsvermoͤgen (nicht Dinge uͤberhaupt) das auch außer diesem Begriffe einer moͤglichen Beziehung uͤberhaupt (Form der Apperception) seine Realitaͤt haben soll. So-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/11
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/11>, abgerufen am 03.12.2024.