Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0026" n="26"/><lb/> eine fremde Person oder Sache betreffen, wovon selbst in diesem Magazine haͤufige Beispiele vorkommen, die sich nicht so leicht wegraisoniren lassen, wenn man nicht <hi rendition="#b">einem Systeme zugefallen allen historischen Glauben vernichten will;</hi> und wozu ist dieses nothwendig? Ein und eben dasselbe Ding kann, sowohl <hi rendition="#b">fuͤr sich,</hi> als <hi rendition="#b">mit Andern</hi> ein System (ein nach einem Prinzip geordnetes Ganzes) ausmachen; einige Modifikationen desselben koͤnnen also nach der Ersten, andere hingegen nach der letztern Voraussetzung erklaͤrt werden. Die besondren Modifikationen, die die Seele durch die aͤußern Eindruͤcke erhaͤlt, sind offenbar von der zweiten Art. Daß ich jetzt eben die Empfindung der rothen Farbe z.B. habe, laͤßt sich so wenig aus der bloßen Rezeptivitaͤt oder der Faͤhigkeit meiner Seele, Eindruͤcke uͤberhaupt zu erhalten, als aus den schon erhaltnen Seelenmodifikationen erklaͤren; d.h. in dieser Ruͤcksicht macht meine Seele nicht <hi rendition="#b">fuͤr sich,</hi> sondern <hi rendition="#b">mit andern Dingen</hi> ein System aus. Es koͤnnen also verschiedene den aͤußern Beziehungen nach so sehr von einander getrennte Seelen dennoch in einer Wechselwirkung mit einander stehn; und so wie wir, wenn wir die Seele als ein <hi rendition="#b">fuͤr sich bestehendes</hi> Ding betrachten, die Luͤcken der <hi rendition="#b">Zeit</hi> in Gedanken ausfuͤllen, so koͤnnen wir auch hier die Luͤcken des <hi rendition="#b">Raumes</hi> ausfuͤllen. — </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [26/0026]
eine fremde Person oder Sache betreffen, wovon selbst in diesem Magazine haͤufige Beispiele vorkommen, die sich nicht so leicht wegraisoniren lassen, wenn man nicht einem Systeme zugefallen allen historischen Glauben vernichten will; und wozu ist dieses nothwendig? Ein und eben dasselbe Ding kann, sowohl fuͤr sich, als mit Andern ein System (ein nach einem Prinzip geordnetes Ganzes) ausmachen; einige Modifikationen desselben koͤnnen also nach der Ersten, andere hingegen nach der letztern Voraussetzung erklaͤrt werden. Die besondren Modifikationen, die die Seele durch die aͤußern Eindruͤcke erhaͤlt, sind offenbar von der zweiten Art. Daß ich jetzt eben die Empfindung der rothen Farbe z.B. habe, laͤßt sich so wenig aus der bloßen Rezeptivitaͤt oder der Faͤhigkeit meiner Seele, Eindruͤcke uͤberhaupt zu erhalten, als aus den schon erhaltnen Seelenmodifikationen erklaͤren; d.h. in dieser Ruͤcksicht macht meine Seele nicht fuͤr sich, sondern mit andern Dingen ein System aus. Es koͤnnen also verschiedene den aͤußern Beziehungen nach so sehr von einander getrennte Seelen dennoch in einer Wechselwirkung mit einander stehn; und so wie wir, wenn wir die Seele als ein fuͤr sich bestehendes Ding betrachten, die Luͤcken der Zeit in Gedanken ausfuͤllen, so koͤnnen wir auch hier die Luͤcken des Raumes ausfuͤllen. —
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