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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.

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Jst es gewiß, daß jedes Temperament sich eine eigene Physiognomik bildet, auf einem gewissen Kopfumrisse, Wölbung der Stirne u.s.w. ruhe, so ist es wohl eben so gewiß, daß nach dem äußern Ansehen der Physiognomik die Handschrift des Menschen zu bestimmen ist, und daß es nicht blos Marktschreierei sei, nach dem äußern eines Menschen auch das Charakteristische seiner Handschrift vorherzusagen. Aehnliche Menschen haben ähnliche Handschriften, -- unähnliche auch unähnliche. So wenig sich Mann und Weib, Jüngling und Greiß, Kind und Mann einander ähnlich sehen, so sehr disharmonirt auch gleichsam das Alter, das Gepräge ihrer Handschriften. Sanguinische Menschen, je mehr sie sich in dem Sanguinismus einander gleich waren, habe ich immer in ihren Buchstaben eine Regel, ein Gepräge und ein gleiches Kolorit beobachten gesehen. Cholerische Menschen eben so das brennende, das heiße ihrer Empfindung in ihren Handschriften durch das eckigte, scharfe, spitzige, gebrochene, lange gezogene ihrer Buchstaben, die wie Bajonette vorgestreckt liegen. Wie der Sanguiniker, wenn er irgend ein interessantes Faktum seines Lebens oder seiner Reisen erzählt, es mit den Händen gleichsam nochmahls vor sich hinmahlt: eben so mahlt sich auch das unruhige, unstäte in dem hingeschliffenen, unordentlichen seiner Buchstaben ab. Wie der Sanguinismus ruhiger wird, wird auch die Handschrift ruhig, bis


Jst es gewiß, daß jedes Temperament sich eine eigene Physiognomik bildet, auf einem gewissen Kopfumrisse, Woͤlbung der Stirne u.s.w. ruhe, so ist es wohl eben so gewiß, daß nach dem aͤußern Ansehen der Physiognomik die Handschrift des Menschen zu bestimmen ist, und daß es nicht blos Marktschreierei sei, nach dem aͤußern eines Menschen auch das Charakteristische seiner Handschrift vorherzusagen. Aehnliche Menschen haben aͤhnliche Handschriften, — unaͤhnliche auch unaͤhnliche. So wenig sich Mann und Weib, Juͤngling und Greiß, Kind und Mann einander aͤhnlich sehen, so sehr disharmonirt auch gleichsam das Alter, das Gepraͤge ihrer Handschriften. Sanguinische Menschen, je mehr sie sich in dem Sanguinismus einander gleich waren, habe ich immer in ihren Buchstaben eine Regel, ein Gepraͤge und ein gleiches Kolorit beobachten gesehen. Cholerische Menschen eben so das brennende, das heiße ihrer Empfindung in ihren Handschriften durch das eckigte, scharfe, spitzige, gebrochene, lange gezogene ihrer Buchstaben, die wie Bajonette vorgestreckt liegen. Wie der Sanguiniker, wenn er irgend ein interessantes Faktum seines Lebens oder seiner Reisen erzaͤhlt, es mit den Haͤnden gleichsam nochmahls vor sich hinmahlt: eben so mahlt sich auch das unruhige, unstaͤte in dem hingeschliffenen, unordentlichen seiner Buchstaben ab. Wie der Sanguinismus ruhiger wird, wird auch die Handschrift ruhig, bis

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[63/0063] Jst es gewiß, daß jedes Temperament sich eine eigene Physiognomik bildet, auf einem gewissen Kopfumrisse, Woͤlbung der Stirne u.s.w. ruhe, so ist es wohl eben so gewiß, daß nach dem aͤußern Ansehen der Physiognomik die Handschrift des Menschen zu bestimmen ist, und daß es nicht blos Marktschreierei sei, nach dem aͤußern eines Menschen auch das Charakteristische seiner Handschrift vorherzusagen. Aehnliche Menschen haben aͤhnliche Handschriften, — unaͤhnliche auch unaͤhnliche. So wenig sich Mann und Weib, Juͤngling und Greiß, Kind und Mann einander aͤhnlich sehen, so sehr disharmonirt auch gleichsam das Alter, das Gepraͤge ihrer Handschriften. Sanguinische Menschen, je mehr sie sich in dem Sanguinismus einander gleich waren, habe ich immer in ihren Buchstaben eine Regel, ein Gepraͤge und ein gleiches Kolorit beobachten gesehen. Cholerische Menschen eben so das brennende, das heiße ihrer Empfindung in ihren Handschriften durch das eckigte, scharfe, spitzige, gebrochene, lange gezogene ihrer Buchstaben, die wie Bajonette vorgestreckt liegen. Wie der Sanguiniker, wenn er irgend ein interessantes Faktum seines Lebens oder seiner Reisen erzaͤhlt, es mit den Haͤnden gleichsam nochmahls vor sich hinmahlt: eben so mahlt sich auch das unruhige, unstaͤte in dem hingeschliffenen, unordentlichen seiner Buchstaben ab. Wie der Sanguinismus ruhiger wird, wird auch die Handschrift ruhig, bis

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/63>, abgerufen am 24.11.2024.