Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite


heit, und dachte, selbst auf den Spatziergängen, die er, seiner Gesundheit halber, machen müßte, über Gegenstände der Weltweisheit nach.

Seine Freunde machten ihm schonende Vorwürfe über seine Handlungsweise, warfen ihm die Vernachläßigung seines Brodstudiums vor, und zeigten ihm, wie verschieden seine Lage von der Lage des Mannes wäre, den er sich zum Muster gewählt hätte. Alles vergeblich, ihn von seiner Lieblingswissenschaft abzubringen, aber hinreichend auf seinen Geist widrig genug zu wirken. Wollte er über einen Gegenstand der Methaphisik nachdenken, so stellten sich ihm die Vorwürfe seiner Freunde und die Möglichkeit, daß sie ihre wohlthätige Hand von ihm abziehn konnten, mit allen ihren schrecklichen Folgen vor. Seine Aufmerksamkeit wurde dadurch getheilt, seine Ruhe gestört. Er zwang sich, sie wieder herzustellen; aber auch dieser Zwang mußte ihn angreifen.

Dazu kam noch, daß die Fortschritte, die er nun schon in den Wissenschaften gemacht hatte, ihn einigermaßen berechtigten, sich dem Ziele seiner Wünsche näher glauben, seiner Leidenschaft für sein geliebtes Mädchen ganz nachhängen, und den Eltern den Antrag förmlich machen zu dürfen. Man hielt es nicht der Mühe werth, ihn geradezu abzuweisen. Man glaubte, durch sein sonderbares Benehmen, Auftritte zu erleben, an denen das Auge


heit, und dachte, selbst auf den Spatziergaͤngen, die er, seiner Gesundheit halber, machen muͤßte, uͤber Gegenstaͤnde der Weltweisheit nach.

Seine Freunde machten ihm schonende Vorwuͤrfe uͤber seine Handlungsweise, warfen ihm die Vernachlaͤßigung seines Brodstudiums vor, und zeigten ihm, wie verschieden seine Lage von der Lage des Mannes waͤre, den er sich zum Muster gewaͤhlt haͤtte. Alles vergeblich, ihn von seiner Lieblingswissenschaft abzubringen, aber hinreichend auf seinen Geist widrig genug zu wirken. Wollte er uͤber einen Gegenstand der Methaphisik nachdenken, so stellten sich ihm die Vorwuͤrfe seiner Freunde und die Moͤglichkeit, daß sie ihre wohlthaͤtige Hand von ihm abziehn konnten, mit allen ihren schrecklichen Folgen vor. Seine Aufmerksamkeit wurde dadurch getheilt, seine Ruhe gestoͤrt. Er zwang sich, sie wieder herzustellen; aber auch dieser Zwang mußte ihn angreifen.

Dazu kam noch, daß die Fortschritte, die er nun schon in den Wissenschaften gemacht hatte, ihn einigermaßen berechtigten, sich dem Ziele seiner Wuͤnsche naͤher glauben, seiner Leidenschaft fuͤr sein geliebtes Maͤdchen ganz nachhaͤngen, und den Eltern den Antrag foͤrmlich machen zu duͤrfen. Man hielt es nicht der Muͤhe werth, ihn geradezu abzuweisen. Man glaubte, durch sein sonderbares Benehmen, Auftritte zu erleben, an denen das Auge

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0071" n="71"/><lb/>
heit, und dachte, selbst auf den                         Spatzierga&#x0364;ngen, die er, seiner Gesundheit halber, machen mu&#x0364;ßte, u&#x0364;ber                         Gegensta&#x0364;nde der Weltweisheit nach. </p>
            <p>Seine Freunde machten ihm schonende Vorwu&#x0364;rfe u&#x0364;ber seine Handlungsweise,                         warfen ihm die Vernachla&#x0364;ßigung seines Brodstudiums vor, und zeigten ihm, wie                         verschieden seine Lage von der Lage des Mannes wa&#x0364;re, den er sich zum Muster                         gewa&#x0364;hlt ha&#x0364;tte. Alles vergeblich, ihn von seiner Lieblingswissenschaft                         abzubringen, aber hinreichend auf seinen Geist widrig genug zu wirken.                         Wollte er u&#x0364;ber einen Gegenstand der Methaphisik nachdenken, so stellten sich                         ihm die Vorwu&#x0364;rfe seiner Freunde und die Mo&#x0364;glichkeit, daß sie ihre                         wohltha&#x0364;tige Hand von ihm abziehn konnten, mit allen ihren schrecklichen                         Folgen vor. Seine Aufmerksamkeit wurde dadurch getheilt, seine Ruhe gesto&#x0364;rt.                         Er zwang sich, sie wieder herzustellen; aber auch dieser Zwang mußte ihn                         angreifen. </p>
            <p>Dazu kam noch, daß die Fortschritte, die er nun schon in den Wissenschaften                         gemacht hatte, ihn einigermaßen berechtigten, sich dem Ziele seiner Wu&#x0364;nsche                         na&#x0364;her glauben, seiner Leidenschaft fu&#x0364;r sein geliebtes Ma&#x0364;dchen ganz                         nachha&#x0364;ngen, und den Eltern den Antrag fo&#x0364;rmlich machen zu du&#x0364;rfen. Man hielt                         es nicht der Mu&#x0364;he werth, ihn geradezu abzuweisen. Man glaubte, durch sein                         sonderbares Benehmen, Auftritte zu erleben, an denen das Auge<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0071] heit, und dachte, selbst auf den Spatziergaͤngen, die er, seiner Gesundheit halber, machen muͤßte, uͤber Gegenstaͤnde der Weltweisheit nach. Seine Freunde machten ihm schonende Vorwuͤrfe uͤber seine Handlungsweise, warfen ihm die Vernachlaͤßigung seines Brodstudiums vor, und zeigten ihm, wie verschieden seine Lage von der Lage des Mannes waͤre, den er sich zum Muster gewaͤhlt haͤtte. Alles vergeblich, ihn von seiner Lieblingswissenschaft abzubringen, aber hinreichend auf seinen Geist widrig genug zu wirken. Wollte er uͤber einen Gegenstand der Methaphisik nachdenken, so stellten sich ihm die Vorwuͤrfe seiner Freunde und die Moͤglichkeit, daß sie ihre wohlthaͤtige Hand von ihm abziehn konnten, mit allen ihren schrecklichen Folgen vor. Seine Aufmerksamkeit wurde dadurch getheilt, seine Ruhe gestoͤrt. Er zwang sich, sie wieder herzustellen; aber auch dieser Zwang mußte ihn angreifen. Dazu kam noch, daß die Fortschritte, die er nun schon in den Wissenschaften gemacht hatte, ihn einigermaßen berechtigten, sich dem Ziele seiner Wuͤnsche naͤher glauben, seiner Leidenschaft fuͤr sein geliebtes Maͤdchen ganz nachhaͤngen, und den Eltern den Antrag foͤrmlich machen zu duͤrfen. Man hielt es nicht der Muͤhe werth, ihn geradezu abzuweisen. Man glaubte, durch sein sonderbares Benehmen, Auftritte zu erleben, an denen das Auge

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/71
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/71>, abgerufen am 24.11.2024.