Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Kraft nun wurden, wozu kein Gott sie bilden
konnte; indem sie jedes Gut, mit unverdrossenem
Fleiß, sich selbst verschaften, dessen Besitz sie nun
der Wohlthat keines Gottes mehr verdankten.

Als Hasser des Prometheus und der Titanen-
feind, suchte Jupiter durch die Beraubung des
Feuers, die Menschen zu verderben. -- Aber als
die über ihren eigenen Zorn erhabene, ruhige,
mit dem Schicksal einverstandene Macht, sahe er
aus der Unterdrückung, die sein eigenes Werk war,
ein neues Geschlecht hervorgehen, das durch Aus-
harren, Kraft, und Duldung, den Göttern ähn-
lich ward. -- So stellt ein Dichter aus dem Al-
terthum in folgenden Zeilen, den Jupiter nicht
als den Hasser, sondern als den Wohlthäter und
Vater der Menschen dar.

Selbst der Vater beschied dem Feldbau Müh,
und bestellt' ihn
Erst durch Kunst, mit Sorgen den Geist der Sterb-
lichen schärfend;
Daß nicht starrte sein Reich in des Schlummers
dumpfer Betäubung.
Nie vor Jupiter bauten das Fruchtfeld ackern-
de Pflüger;
Weder Mal noch Theilung durchschnitt die gemein-
samen Fluren:

Kraft nun wurden, wozu kein Gott ſie bilden
konnte; indem ſie jedes Gut, mit unverdroſſenem
Fleiß, ſich ſelbſt verſchaften, deſſen Beſitz ſie nun
der Wohlthat keines Gottes mehr verdankten.

Als Haſſer des Prometheus und der Titanen-
feind, ſuchte Jupiter durch die Beraubung des
Feuers, die Menſchen zu verderben. — Aber als
die uͤber ihren eigenen Zorn erhabene, ruhige,
mit dem Schickſal einverſtandene Macht, ſahe er
aus der Unterdruͤckung, die ſein eigenes Werk war,
ein neues Geſchlecht hervorgehen, das durch Aus-
harren, Kraft, und Duldung, den Goͤttern aͤhn-
lich ward. — So ſtellt ein Dichter aus dem Al-
terthum in folgenden Zeilen, den Jupiter nicht
als den Haſſer, ſondern als den Wohlthaͤter und
Vater der Menſchen dar.

Selbſt der Vater beſchied dem Feldbau Muͤh,
und beſtellt’ ihn
Erſt durch Kunſt, mit Sorgen den Geiſt der Sterb-
lichen ſchaͤrfend;
Daß nicht ſtarrte ſein Reich in des Schlummers
dumpfer Betaͤubung.
Nie vor Jupiter bauten das Fruchtfeld ackern-
de Pfluͤger;
Weder Mal noch Theilung durchſchnitt die gemein-
ſamen Fluren:
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><hi rendition="#fr"><pb facs="#f0116" n="90"/>
Kraft</hi> nun wurden, wozu kein Gott &#x017F;ie bilden<lb/>
konnte; indem &#x017F;ie jedes Gut, mit unverdro&#x017F;&#x017F;enem<lb/>
Fleiß, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;chaften, de&#x017F;&#x017F;en Be&#x017F;itz &#x017F;ie nun<lb/>
der Wohlthat keines Gottes mehr verdankten.</p><lb/>
        <p>Als Ha&#x017F;&#x017F;er des Prometheus und der Titanen-<lb/>
feind, &#x017F;uchte Jupiter durch die Beraubung des<lb/>
Feuers, die Men&#x017F;chen zu verderben. &#x2014; Aber als<lb/>
die u&#x0364;ber ihren eigenen Zorn erhabene, ruhige,<lb/>
mit dem Schick&#x017F;al einver&#x017F;tandene Macht, &#x017F;ahe er<lb/>
aus der Unterdru&#x0364;ckung, die &#x017F;ein eigenes Werk war,<lb/>
ein neues Ge&#x017F;chlecht hervorgehen, das durch Aus-<lb/>
harren, Kraft, und Duldung, den Go&#x0364;ttern a&#x0364;hn-<lb/>
lich ward. &#x2014; So &#x017F;tellt ein Dichter aus dem Al-<lb/>
terthum in folgenden Zeilen, den Jupiter nicht<lb/>
als den Ha&#x017F;&#x017F;er, &#x017F;ondern als den Wohltha&#x0364;ter und<lb/><hi rendition="#fr">Vater der Men&#x017F;chen</hi> dar.</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>Selb&#x017F;t der Vater be&#x017F;chied dem Feldbau Mu&#x0364;h,</l><lb/>
            <l>und be&#x017F;tellt&#x2019; ihn</l><lb/>
            <l>Er&#x017F;t durch Kun&#x017F;t, mit Sorgen den Gei&#x017F;t der Sterb-</l><lb/>
            <l>lichen &#x017F;cha&#x0364;rfend;</l><lb/>
            <l>Daß nicht &#x017F;tarrte &#x017F;ein Reich in des Schlummers</l><lb/>
            <l>dumpfer Beta&#x0364;ubung.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Nie vor Jupiter bauten das Fruchtfeld ackern-</l><lb/>
            <l>de Pflu&#x0364;ger;</l><lb/>
            <l>Weder Mal noch Theilung durch&#x017F;chnitt die gemein-</l><lb/>
            <l>&#x017F;amen Fluren:</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0116] Kraft nun wurden, wozu kein Gott ſie bilden konnte; indem ſie jedes Gut, mit unverdroſſenem Fleiß, ſich ſelbſt verſchaften, deſſen Beſitz ſie nun der Wohlthat keines Gottes mehr verdankten. Als Haſſer des Prometheus und der Titanen- feind, ſuchte Jupiter durch die Beraubung des Feuers, die Menſchen zu verderben. — Aber als die uͤber ihren eigenen Zorn erhabene, ruhige, mit dem Schickſal einverſtandene Macht, ſahe er aus der Unterdruͤckung, die ſein eigenes Werk war, ein neues Geſchlecht hervorgehen, das durch Aus- harren, Kraft, und Duldung, den Goͤttern aͤhn- lich ward. — So ſtellt ein Dichter aus dem Al- terthum in folgenden Zeilen, den Jupiter nicht als den Haſſer, ſondern als den Wohlthaͤter und Vater der Menſchen dar. Selbſt der Vater beſchied dem Feldbau Muͤh, und beſtellt’ ihn Erſt durch Kunſt, mit Sorgen den Geiſt der Sterb- lichen ſchaͤrfend; Daß nicht ſtarrte ſein Reich in des Schlummers dumpfer Betaͤubung. Nie vor Jupiter bauten das Fruchtfeld ackern- de Pfluͤger; Weder Mal noch Theilung durchſchnitt die gemein- ſamen Fluren:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/116
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/116>, abgerufen am 23.11.2024.