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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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selbst auch seine Blitze auf mich schleudert. -- Da
sprang Minerva zu, riß ihm den ehernen Spieß
aus seiner starken Hand, den Helm vom Haupte,
den Schild von seiner Schulter. -- Rasender,
sprach sie, willst du uns alle ins Verderben stür-
zen, wenn aufs höchste Jupiters Zorn gereitzt
ist! -- Laß ab zu zürnen, denn mancher ist er-
schlagen, der stärker war als dein Sohn, und
mancher Stärkere wird noch fallen; -- wer kann
die Sterblichen vom Tode befreien! -- so sprach
sie, und brachte den Mars zu seinem Sitz zurück.

Wer sieht nicht, durch alle diese menschenähn-
lichen Darstellungen der Götter, die großen Bilder
und Gedanken durchschimmern, welche diesen Dich-
tungen Hoheit und Würde geben; -- es sind im-
mer die Begriffe von wilder Zerstörung, Sanft-
heit des Erhabenen, hohem Reitz des Schönen,
und von lenkender Weisheit, die auf mannichfal-
tige Weise ineinander spielen, und unter der Decke
des Menschenähnlichen sich verhüllen.

Auf der hier beigefügten Kupfertafel ist nach
einem antiken geschnittenen Steine aus der Lippert-
schen Daktyliothek, der Kriegesgott abgebildet,
wie er, sich mit der Rechten stützend, und Spieß
und Schild in der Linken tragend, vom Gipfel
des umwölkten Olymps herniedersteigt. -- Auf
eben dieser Tafel ist Venus mit dem Liebesgott,

ſelbſt auch ſeine Blitze auf mich ſchleudert. — Da
ſprang Minerva zu, riß ihm den ehernen Spieß
aus ſeiner ſtarken Hand, den Helm vom Haupte,
den Schild von ſeiner Schulter. — Raſender,
ſprach ſie, willſt du uns alle ins Verderben ſtuͤr-
zen, wenn aufs hoͤchſte Jupiters Zorn gereitzt
iſt! — Laß ab zu zuͤrnen, denn mancher iſt er-
ſchlagen, der ſtaͤrker war als dein Sohn, und
mancher Staͤrkere wird noch fallen; — wer kann
die Sterblichen vom Tode befreien! — ſo ſprach
ſie, und brachte den Mars zu ſeinem Sitz zuruͤck.

Wer ſieht nicht, durch alle dieſe menſchenaͤhn-
lichen Darſtellungen der Goͤtter, die großen Bilder
und Gedanken durchſchimmern, welche dieſen Dich-
tungen Hoheit und Wuͤrde geben; — es ſind im-
mer die Begriffe von wilder Zerſtoͤrung, Sanft-
heit des Erhabenen, hohem Reitz des Schoͤnen,
und von lenkender Weisheit, die auf mannichfal-
tige Weiſe ineinander ſpielen, und unter der Decke
des Menſchenaͤhnlichen ſich verhuͤllen.

Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel iſt nach
einem antiken geſchnittenen Steine aus der Lippert-
ſchen Daktyliothek, der Kriegesgott abgebildet,
wie er, ſich mit der Rechten ſtuͤtzend, und Spieß
und Schild in der Linken tragend, vom Gipfel
des umwoͤlkten Olymps herniederſteigt. — Auf
eben dieſer Tafel iſt Venus mit dem Liebesgott,

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[130/0166] ſelbſt auch ſeine Blitze auf mich ſchleudert. — Da ſprang Minerva zu, riß ihm den ehernen Spieß aus ſeiner ſtarken Hand, den Helm vom Haupte, den Schild von ſeiner Schulter. — Raſender, ſprach ſie, willſt du uns alle ins Verderben ſtuͤr- zen, wenn aufs hoͤchſte Jupiters Zorn gereitzt iſt! — Laß ab zu zuͤrnen, denn mancher iſt er- ſchlagen, der ſtaͤrker war als dein Sohn, und mancher Staͤrkere wird noch fallen; — wer kann die Sterblichen vom Tode befreien! — ſo ſprach ſie, und brachte den Mars zu ſeinem Sitz zuruͤck. Wer ſieht nicht, durch alle dieſe menſchenaͤhn- lichen Darſtellungen der Goͤtter, die großen Bilder und Gedanken durchſchimmern, welche dieſen Dich- tungen Hoheit und Wuͤrde geben; — es ſind im- mer die Begriffe von wilder Zerſtoͤrung, Sanft- heit des Erhabenen, hohem Reitz des Schoͤnen, und von lenkender Weisheit, die auf mannichfal- tige Weiſe ineinander ſpielen, und unter der Decke des Menſchenaͤhnlichen ſich verhuͤllen. Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel iſt nach einem antiken geſchnittenen Steine aus der Lippert- ſchen Daktyliothek, der Kriegesgott abgebildet, wie er, ſich mit der Rechten ſtuͤtzend, und Spieß und Schild in der Linken tragend, vom Gipfel des umwoͤlkten Olymps herniederſteigt. — Auf eben dieſer Tafel iſt Venus mit dem Liebesgott,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/166>, abgerufen am 16.05.2024.