Sie spannt den goldenen Bogen, und sendet die tödtlichen Pfeile ab; die Spitzen der Berge zittern. -- Vom Aechzen des Wildes ertönt der Wald, -- hoch über alle ihre Nymphen ragt die Göttin mit Stirn und Haupt empor, und wen- det ihr Geschoß nach allen Seiten.
Doch vergißt die hohe Göttin auch im Ge- tümmel der Jagd des himmlischen Bruders nicht. -- Und wenn sie gnug mit Jagen sich ergötzt hat, so spannt sie den goldnen Bogen ab, und eilet nach Delphi, zu dem Sitze des leuchtenden Apollo, -- da hängt sie ihren Bogen auf, und führt die Chöre der Musen und Grazien an, welche das Lob der himmlischen Latona singen, die solche Kin- der gebahr. --
Als die Schwester des Apollo schimmert Dia- na am hellsten hervor, weil dieser seinen Glanz mit auf sie wirft -- so wie sie mit ihm vereint, die Kinder der Niobe mit schrecklichen Pfeilen töd- tet; so richtet sie auch mit ihm vereint ihr sanftes Geschoß auf die Geschlechter der Menschen, die gleich den welkenden Blättern, der blühenden Nachkommenschaft allmälig weichen.
Nach einer schönen Dichtung übte sich Diana zu diesem Geschäft zuerst an Bäumen, dann an Thieren, und zuletzt an einer ungerechten Stadt, wo sie die Menschen mit verderblichen, Krankheit und Seuchen bringenden Pfeilen erlegte.
Sie ſpannt den goldenen Bogen, und ſendet die toͤdtlichen Pfeile ab; die Spitzen der Berge zittern. — Vom Aechzen des Wildes ertoͤnt der Wald, — hoch uͤber alle ihre Nymphen ragt die Goͤttin mit Stirn und Haupt empor, und wen- det ihr Geſchoß nach allen Seiten.
Doch vergißt die hohe Goͤttin auch im Ge- tuͤmmel der Jagd des himmliſchen Bruders nicht. — Und wenn ſie gnug mit Jagen ſich ergoͤtzt hat, ſo ſpannt ſie den goldnen Bogen ab, und eilet nach Delphi, zu dem Sitze des leuchtenden Apollo, — da haͤngt ſie ihren Bogen auf, und fuͤhrt die Choͤre der Muſen und Grazien an, welche das Lob der himmliſchen Latona ſingen, die ſolche Kin- der gebahr. —
Als die Schweſter des Apollo ſchimmert Dia- na am hellſten hervor, weil dieſer ſeinen Glanz mit auf ſie wirft — ſo wie ſie mit ihm vereint, die Kinder der Niobe mit ſchrecklichen Pfeilen toͤd- tet; ſo richtet ſie auch mit ihm vereint ihr ſanftes Geſchoß auf die Geſchlechter der Menſchen, die gleich den welkenden Blaͤttern, der bluͤhenden Nachkommenſchaft allmaͤlig weichen.
Nach einer ſchoͤnen Dichtung uͤbte ſich Diana zu dieſem Geſchaͤft zuerſt an Baͤumen, dann an Thieren, und zuletzt an einer ungerechten Stadt, wo ſie die Menſchen mit verderblichen, Krankheit und Seuchen bringenden Pfeilen erlegte.
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Sie ſpannt den goldenen Bogen, und ſendet
die toͤdtlichen Pfeile ab; die Spitzen der Berge
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Wald, — hoch uͤber alle ihre Nymphen ragt die
Goͤttin mit Stirn und Haupt empor, und wen-
det ihr Geſchoß nach allen Seiten.
Doch vergißt die hohe Goͤttin auch im Ge-
tuͤmmel der Jagd des himmliſchen Bruders nicht. —
Und wenn ſie gnug mit Jagen ſich ergoͤtzt hat, ſo
ſpannt ſie den goldnen Bogen ab, und eilet nach
Delphi, zu dem Sitze des leuchtenden Apollo, —
da haͤngt ſie ihren Bogen auf, und fuͤhrt die
Choͤre der Muſen und Grazien an, welche das
Lob der himmliſchen Latona ſingen, die ſolche Kin-
der gebahr. —
Als die Schweſter des Apollo ſchimmert Dia-
na am hellſten hervor, weil dieſer ſeinen Glanz
mit auf ſie wirft — ſo wie ſie mit ihm vereint,
die Kinder der Niobe mit ſchrecklichen Pfeilen toͤd-
tet; ſo richtet ſie auch mit ihm vereint ihr ſanftes
Geſchoß auf die Geſchlechter der Menſchen, die
gleich den welkenden Blaͤttern, der bluͤhenden
Nachkommenſchaft allmaͤlig weichen.
Nach einer ſchoͤnen Dichtung uͤbte ſich Diana
zu dieſem Geſchaͤft zuerſt an Baͤumen, dann an
Thieren, und zuletzt an einer ungerechten Stadt,
wo ſie die Menſchen mit verderblichen, Krankheit
und Seuchen bringenden Pfeilen erlegte.
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/174>, abgerufen am 25.11.2024.
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