Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite
Ceres.

Unter den drei hohen Göttinnen, die vom
Saturnus erzeugt, und von der Rhea gebohren
sind, ist Juno allein die Königin des Himmels. --
Ceres und Vesta sind auf Erden wohlthätige
Wesen, wovon die eine den nährenden Halm her-
vorruft; die andre selbst jungfräulich, dennoch
den Schooß der Erde mit heiliger fruchtbarmachen-
der Wärme durchglüht.

Mit der Ceres erzeugte der Vater der Götter
die jungfräuliche Proserpina, welcher des Lichtes
süßer Anblick nur kurze Zeit gewährt war -- denn
nur zu bald wurde Jugend und Schönheit ein
Opfer des unerbittlichen Orkus. --

Da sie in sorgenfreier Unschuld mit ihren Ge-
spielinnen auf der Wiese Blumen sammlet, schlingt
schon der König der Schrecken die starken Arme
um sie her, und hebt die umsonst sich sträubende
auf seinen mit schwarzen Rossen bespannten Wa-
gen. --

Zürnend und mitleidsvoll versucht die Nymphe
Cyane die schnaubenden Rosse aufzuhalten. --
Pluto aber stampft mit seinem zweizackigten Zepter
von Ebenholz den Boden, und öfnet sich mitten
durch die Klüfte der Erde zu seinem unterirdischen
Pallast einen Weg.

Ceres.

Unter den drei hohen Goͤttinnen, die vom
Saturnus erzeugt, und von der Rhea gebohren
ſind, iſt Juno allein die Koͤnigin des Himmels. —
Ceres und Veſta ſind auf Erden wohlthaͤtige
Weſen, wovon die eine den naͤhrenden Halm her-
vorruft; die andre ſelbſt jungfraͤulich, dennoch
den Schooß der Erde mit heiliger fruchtbarmachen-
der Waͤrme durchgluͤht.

Mit der Ceres erzeugte der Vater der Goͤtter
die jungfraͤuliche Proſerpina, welcher des Lichtes
ſuͤßer Anblick nur kurze Zeit gewaͤhrt war — denn
nur zu bald wurde Jugend und Schoͤnheit ein
Opfer des unerbittlichen Orkus. —

Da ſie in ſorgenfreier Unſchuld mit ihren Ge-
ſpielinnen auf der Wieſe Blumen ſammlet, ſchlingt
ſchon der Koͤnig der Schrecken die ſtarken Arme
um ſie her, und hebt die umſonſt ſich ſtraͤubende
auf ſeinen mit ſchwarzen Roſſen beſpannten Wa-
gen. —

Zuͤrnend und mitleidsvoll verſucht die Nymphe
Cyane die ſchnaubenden Roſſe aufzuhalten. —
Pluto aber ſtampft mit ſeinem zweizackigten Zepter
von Ebenholz den Boden, und oͤfnet ſich mitten
durch die Kluͤfte der Erde zu ſeinem unterirdiſchen
Pallaſt einen Weg.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0180" n="140"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Ceres</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p>Unter den drei hohen Go&#x0364;ttinnen, die vom<lb/>
Saturnus erzeugt, und von der Rhea gebohren<lb/>
&#x017F;ind, i&#x017F;t Juno allein die Ko&#x0364;nigin des Himmels. &#x2014;<lb/><hi rendition="#fr">Ceres</hi> und <hi rendition="#fr">Ve&#x017F;ta</hi> &#x017F;ind auf <hi rendition="#fr">Erden</hi> wohltha&#x0364;tige<lb/>
We&#x017F;en, wovon die eine den na&#x0364;hrenden Halm her-<lb/>
vorruft; die andre &#x017F;elb&#x017F;t jungfra&#x0364;ulich, dennoch<lb/>
den Schooß der Erde mit heiliger fruchtbarmachen-<lb/>
der Wa&#x0364;rme durchglu&#x0364;ht.</p><lb/>
          <p>Mit der Ceres erzeugte der Vater der Go&#x0364;tter<lb/>
die jungfra&#x0364;uliche Pro&#x017F;erpina, welcher des Lichtes<lb/>
&#x017F;u&#x0364;ßer Anblick nur kurze Zeit gewa&#x0364;hrt war &#x2014; denn<lb/>
nur zu bald wurde Jugend und Scho&#x0364;nheit ein<lb/>
Opfer des unerbittlichen Orkus. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Da &#x017F;ie in &#x017F;orgenfreier Un&#x017F;chuld mit ihren Ge-<lb/>
&#x017F;pielinnen auf der Wie&#x017F;e Blumen &#x017F;ammlet, &#x017F;chlingt<lb/>
&#x017F;chon der Ko&#x0364;nig der Schrecken die &#x017F;tarken Arme<lb/>
um &#x017F;ie her, und hebt die um&#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ich &#x017F;tra&#x0364;ubende<lb/>
auf &#x017F;einen mit &#x017F;chwarzen Ro&#x017F;&#x017F;en be&#x017F;pannten Wa-<lb/>
gen. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Zu&#x0364;rnend und mitleidsvoll ver&#x017F;ucht die Nymphe<lb/>
Cyane die &#x017F;chnaubenden Ro&#x017F;&#x017F;e aufzuhalten. &#x2014;<lb/>
Pluto aber &#x017F;tampft mit &#x017F;einem zweizackigten Zepter<lb/>
von Ebenholz den Boden, und o&#x0364;fnet &#x017F;ich mitten<lb/>
durch die Klu&#x0364;fte der Erde zu &#x017F;einem unterirdi&#x017F;chen<lb/>
Palla&#x017F;t einen Weg.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0180] Ceres. Unter den drei hohen Goͤttinnen, die vom Saturnus erzeugt, und von der Rhea gebohren ſind, iſt Juno allein die Koͤnigin des Himmels. — Ceres und Veſta ſind auf Erden wohlthaͤtige Weſen, wovon die eine den naͤhrenden Halm her- vorruft; die andre ſelbſt jungfraͤulich, dennoch den Schooß der Erde mit heiliger fruchtbarmachen- der Waͤrme durchgluͤht. Mit der Ceres erzeugte der Vater der Goͤtter die jungfraͤuliche Proſerpina, welcher des Lichtes ſuͤßer Anblick nur kurze Zeit gewaͤhrt war — denn nur zu bald wurde Jugend und Schoͤnheit ein Opfer des unerbittlichen Orkus. — Da ſie in ſorgenfreier Unſchuld mit ihren Ge- ſpielinnen auf der Wieſe Blumen ſammlet, ſchlingt ſchon der Koͤnig der Schrecken die ſtarken Arme um ſie her, und hebt die umſonſt ſich ſtraͤubende auf ſeinen mit ſchwarzen Roſſen beſpannten Wa- gen. — Zuͤrnend und mitleidsvoll verſucht die Nymphe Cyane die ſchnaubenden Roſſe aufzuhalten. — Pluto aber ſtampft mit ſeinem zweizackigten Zepter von Ebenholz den Boden, und oͤfnet ſich mitten durch die Kluͤfte der Erde zu ſeinem unterirdiſchen Pallaſt einen Weg.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/180
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/180>, abgerufen am 26.11.2024.