nende Güte, welche die Heldenthaten des Kastor und Pollux begleitete, flößte den Sterblichen das vorzügliche Zutrauen ein, womit man sie nachher als Rettung und Hülfe gewährende Götter ehrte.
Aber auch die Treue, womit dieß unzertrenn- liche Paar sich selber einander in Gefahren bei- stand, machte die göttergleichen Helden den Menschen zum Gegenstande der Lieb' und des Ver- trauens, und ist zugleich einer der schönsten Züge, welche die Dichtung in das glänzende Zeitalter der Helden eingewebt hat.
Als nehmlich Kastor und Pollux um die Töch- ter des Leucippus, Phöbe und Ilaira, sich be- warben, und erst mit ihren Nebenbuhlern, den Söhnen des Aphareus, Idas und Lynceus, jeder um seine Geliebte kämpfen mußten, wurde Lynceus zwar vom Kastor getödtet, Kastor selber aber, der nicht unsterblich war, vom Idas überwunden und erschlagen.
Ob nun Pollux gleich den Tod seines Bruders an dem Idas rächte, so konnte er dennoch den Todten nicht wieder aufwecken; und flehte dem Jupiter, ihm selber das Leben zu nehmen, oder zu vergönnen, daß er mit seinem Bruder seine Unsterblichkeit theilen dürfe.
Jupiter gewährte die Bitte, und Pollux stieg nun wechselnd den einen Tag mit seinem Bru- der ins Schattenreich hinab, um sich des andern
nende Guͤte, welche die Heldenthaten des Kaſtor und Pollux begleitete, floͤßte den Sterblichen das vorzuͤgliche Zutrauen ein, womit man ſie nachher als Rettung und Huͤlfe gewaͤhrende Goͤtter ehrte.
Aber auch die Treue, womit dieß unzertrenn- liche Paar ſich ſelber einander in Gefahren bei- ſtand, machte die goͤttergleichen Helden den Menſchen zum Gegenſtande der Lieb’ und des Ver- trauens, und iſt zugleich einer der ſchoͤnſten Zuͤge, welche die Dichtung in das glaͤnzende Zeitalter der Helden eingewebt hat.
Als nehmlich Kaſtor und Pollux um die Toͤch- ter des Leucippus, Phoͤbe und Ilaira, ſich be- warben, und erſt mit ihren Nebenbuhlern, den Soͤhnen des Aphareus, Idas und Lynceus, jeder um ſeine Geliebte kaͤmpfen mußten, wurde Lynceus zwar vom Kaſtor getoͤdtet, Kaſtor ſelber aber, der nicht unſterblich war, vom Idas uͤberwunden und erſchlagen.
Ob nun Pollux gleich den Tod ſeines Bruders an dem Idas raͤchte, ſo konnte er dennoch den Todten nicht wieder aufwecken; und flehte dem Jupiter, ihm ſelber das Leben zu nehmen, oder zu vergoͤnnen, daß er mit ſeinem Bruder ſeine Unſterblichkeit theilen duͤrfe.
Jupiter gewaͤhrte die Bitte, und Pollux ſtieg nun wechſelnd den einen Tag mit ſeinem Bru- der ins Schattenreich hinab, um ſich des andern
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nende Guͤte, welche die Heldenthaten des Kaſtor
und Pollux begleitete, floͤßte den Sterblichen das
vorzuͤgliche Zutrauen ein, womit man ſie nachher
als Rettung und Huͤlfe gewaͤhrende Goͤtter ehrte.
Aber auch die Treue, womit dieß unzertrenn-
liche Paar ſich ſelber einander in Gefahren bei-
ſtand, machte die goͤttergleichen Helden den
Menſchen zum Gegenſtande der Lieb’ und des Ver-
trauens, und iſt zugleich einer der ſchoͤnſten Zuͤge,
welche die Dichtung in das glaͤnzende Zeitalter der
Helden eingewebt hat.
Als nehmlich Kaſtor und Pollux um die Toͤch-
ter des Leucippus, Phoͤbe und Ilaira, ſich be-
warben, und erſt mit ihren Nebenbuhlern, den
Soͤhnen des Aphareus, Idas und Lynceus,
jeder um ſeine Geliebte kaͤmpfen mußten, wurde
Lynceus zwar vom Kaſtor getoͤdtet, Kaſtor ſelber
aber, der nicht unſterblich war, vom Idas
uͤberwunden und erſchlagen.
Ob nun Pollux gleich den Tod ſeines Bruders
an dem Idas raͤchte, ſo konnte er dennoch den
Todten nicht wieder aufwecken; und flehte dem
Jupiter, ihm ſelber das Leben zu nehmen, oder
zu vergoͤnnen, daß er mit ſeinem Bruder ſeine
Unſterblichkeit theilen duͤrfe.
Jupiter gewaͤhrte die Bitte, und Pollux ſtieg
nun wechſelnd den einen Tag mit ſeinem Bru-
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/308>, abgerufen am 25.11.2024.
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