herrschte. -- Helle, die Schwester des Phryxus aber sank unterwegens in die Fluthen, und das Meer, wo sie untersank, wurde nach ihrem Nah- men der Hellespont genannt.
Phryxus langte in Kolchis beim Aeetes an, wo er den Widder, der ihn trug, den Göttern zum Opfer brachte, und das goldne Fell des Wid- ders, oder goldne Fließ, als ein kostbares Hei- ligthum, in einem geweihten Haine aufhing; er selber vermählte sich mit der Tochter des Königs und starb im fremden Lande.
Das goldne Fließ in Kolchis, wovon das Gerücht erscholl, erweckte schon lange die Sehn- sucht aller, die etwas Köstliches zu erstreben wünschten. Es war im fernen Osten das, was in Westen die goldnen Aepfel der Hesperiden wa- ren; man dachte sich darunter etwas, das der größten Mühe, Anstrengung und Gefahren werth sey. -- So wie denn überhaupt bei den Alten das Bild vom Widder und vom hochwolligten Wid- derfell vorzüglich den Begriff des Reichthums in sich faßte, wodurch denn auch die Dichtung von dem goldnen Fließ, in so fern man sich darunter Reichthum und Schätze dachte, natürlich veran- laßt wurde.
Das Wunderbare aber, und die weite Ent- fernung lockte am meisten den Muth der Helden an; und Jason hatte kaum des Pelias Wort ver-
herrſchte. — Helle, die Schweſter des Phryxus aber ſank unterwegens in die Fluthen, und das Meer, wo ſie unterſank, wurde nach ihrem Nah- men der Helleſpont genannt.
Phryxus langte in Kolchis beim Aeetes an, wo er den Widder, der ihn trug, den Goͤttern zum Opfer brachte, und das goldne Fell des Wid- ders, oder goldne Fließ, als ein koſtbares Hei- ligthum, in einem geweihten Haine aufhing; er ſelber vermaͤhlte ſich mit der Tochter des Koͤnigs und ſtarb im fremden Lande.
Das goldne Fließ in Kolchis, wovon das Geruͤcht erſcholl, erweckte ſchon lange die Sehn- ſucht aller, die etwas Koͤſtliches zu erſtreben wuͤnſchten. Es war im fernen Oſten das, was in Weſten die goldnen Aepfel der Heſperiden wa- ren; man dachte ſich darunter etwas, das der groͤßten Muͤhe, Anſtrengung und Gefahren werth ſey. — So wie denn uͤberhaupt bei den Alten das Bild vom Widder und vom hochwolligten Wid- derfell vorzuͤglich den Begriff des Reichthums in ſich faßte, wodurch denn auch die Dichtung von dem goldnen Fließ, in ſo fern man ſich darunter Reichthum und Schaͤtze dachte, natuͤrlich veran- laßt wurde.
Das Wunderbare aber, und die weite Ent- fernung lockte am meiſten den Muth der Helden an; und Jaſon hatte kaum des Pelias Wort ver-
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herrſchte. — Helle, die Schweſter des Phryxus
aber ſank unterwegens in die Fluthen, und das
Meer, wo ſie unterſank, wurde nach ihrem Nah-
men der Helleſpont genannt.
Phryxus langte in Kolchis beim Aeetes an,
wo er den Widder, der ihn trug, den Goͤttern
zum Opfer brachte, und das goldne Fell des Wid-
ders, oder goldne Fließ, als ein koſtbares Hei-
ligthum, in einem geweihten Haine aufhing; er
ſelber vermaͤhlte ſich mit der Tochter des Koͤnigs
und ſtarb im fremden Lande.
Das goldne Fließ in Kolchis, wovon das
Geruͤcht erſcholl, erweckte ſchon lange die Sehn-
ſucht aller, die etwas Koͤſtliches zu erſtreben
wuͤnſchten. Es war im fernen Oſten das, was
in Weſten die goldnen Aepfel der Heſperiden wa-
ren; man dachte ſich darunter etwas, das der
groͤßten Muͤhe, Anſtrengung und Gefahren werth
ſey. — So wie denn uͤberhaupt bei den Alten
das Bild vom Widder und vom hochwolligten Wid-
derfell vorzuͤglich den Begriff des Reichthums in
ſich faßte, wodurch denn auch die Dichtung von
dem goldnen Fließ, in ſo fern man ſich darunter
Reichthum und Schaͤtze dachte, natuͤrlich veran-
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Das Wunderbare aber, und die weite Ent-
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/315>, abgerufen am 25.11.2024.
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