daß einige der Helden bei diesem Sturm gelobten, sich in die Samothracischen Geheimnisse einwei- hen zu lassen; eben so wie Herkules, da er zu der gefahrvollsten Unternehmung in die Unterwelt hinabstieg, sich erst in die Eleusinischen Geheimnisse einweihen ließ.
In Lemnos drohte den Argonauten eine größre Gefahr, als selbst der Sturm war, der sie dort- hin verschlug. Die Schönheit und die Liebkosun- gen der Lemnierinnen fesselten die Helden, und verweilten ihre Fahrt nach Kolchis auf eine gerau- me Zeit.
Kurz vor der Ankunft der Argonauten hatten nehmlich die Einwohnerinnen von Lemnos alle Männer auf ihrer Insel ermordet; nur Hypsi- pyle hatte ihrem Vater, dem Könige Thoas, das Leben erhalten. Der Zorn der Venus gegen die Lemnierinnen, welche die mächtige Göttin nicht gnug verehrten, veranlaßte diese schreckliche That.
Die zürnende Göttin flößte den Männern von Lemnos, welche mit den Thraciern Krieg führten, eine unüberwindliche Abneigung gegen ihre Weiber ein, statt deren sie sich Thracische Sklavinnen zu Beischläferinnen wählten; welche Schmach die Weiber von Lemnos nicht ertrugen, sondern alle ihre Männer, die nicht in Thracien zurückgeblie- ben waren, in einer Nacht im Schlafe ermor- deten.
daß einige der Helden bei dieſem Sturm gelobten, ſich in die Samothraciſchen Geheimniſſe einwei- hen zu laſſen; eben ſo wie Herkules, da er zu der gefahrvollſten Unternehmung in die Unterwelt hinabſtieg, ſich erſt in die Eleuſiniſchen Geheimniſſe einweihen ließ.
In Lemnos drohte den Argonauten eine groͤßre Gefahr, als ſelbſt der Sturm war, der ſie dort- hin verſchlug. Die Schoͤnheit und die Liebkoſun- gen der Lemnierinnen feſſelten die Helden, und verweilten ihre Fahrt nach Kolchis auf eine gerau- me Zeit.
Kurz vor der Ankunft der Argonauten hatten nehmlich die Einwohnerinnen von Lemnos alle Maͤnner auf ihrer Inſel ermordet; nur Hypſi- pyle hatte ihrem Vater, dem Koͤnige Thoas, das Leben erhalten. Der Zorn der Venus gegen die Lemnierinnen, welche die maͤchtige Goͤttin nicht gnug verehrten, veranlaßte dieſe ſchreckliche That.
Die zuͤrnende Goͤttin floͤßte den Maͤnnern von Lemnos, welche mit den Thraciern Krieg fuͤhrten, eine unuͤberwindliche Abneigung gegen ihre Weiber ein, ſtatt deren ſie ſich Thraciſche Sklavinnen zu Beiſchlaͤferinnen waͤhlten; welche Schmach die Weiber von Lemnos nicht ertrugen, ſondern alle ihre Maͤnner, die nicht in Thracien zuruͤckgeblie- ben waren, in einer Nacht im Schlafe ermor- deten.
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daß einige der Helden bei dieſem Sturm gelobten,
ſich in die Samothraciſchen Geheimniſſe einwei-
hen zu laſſen; eben ſo wie Herkules, da er zu
der gefahrvollſten Unternehmung in die Unterwelt
hinabſtieg, ſich erſt in die Eleuſiniſchen Geheimniſſe
einweihen ließ.
In Lemnos drohte den Argonauten eine groͤßre
Gefahr, als ſelbſt der Sturm war, der ſie dort-
hin verſchlug. Die Schoͤnheit und die Liebkoſun-
gen der Lemnierinnen feſſelten die Helden, und
verweilten ihre Fahrt nach Kolchis auf eine gerau-
me Zeit.
Kurz vor der Ankunft der Argonauten hatten
nehmlich die Einwohnerinnen von Lemnos alle
Maͤnner auf ihrer Inſel ermordet; nur Hypſi-
pyle hatte ihrem Vater, dem Koͤnige Thoas, das
Leben erhalten. Der Zorn der Venus gegen die
Lemnierinnen, welche die maͤchtige Goͤttin nicht
gnug verehrten, veranlaßte dieſe ſchreckliche That.
Die zuͤrnende Goͤttin floͤßte den Maͤnnern von
Lemnos, welche mit den Thraciern Krieg fuͤhrten,
eine unuͤberwindliche Abneigung gegen ihre Weiber
ein, ſtatt deren ſie ſich Thraciſche Sklavinnen zu
Beiſchlaͤferinnen waͤhlten; welche Schmach die
Weiber von Lemnos nicht ertrugen, ſondern alle
ihre Maͤnner, die nicht in Thracien zuruͤckgeblie-
ben waren, in einer Nacht im Schlafe ermor-
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/318>, abgerufen am 26.11.2024.
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