Medeens überdrüssig, war Jason im Begriff sich mit der fürstlichen Tochter Kreons zu ver- mählen, uneingedenk der Rache, verachteter Ei- fersucht und verschmähter Treue. Medea stellte sich sanft und duldend; sie schickte selber der Braut ein Hochzeitkleid. Kaum hatte diese es angelegt, so fühlte sie schon die Flamme ihr Innerstes ver- zehren und starb einen qualenvollen Tod. --
Nun ließ Medea ihrer Rache freien Lauf; auf Kreons Pallast ließ sie Feuer regnen; den Kreon selbst einen Raub der Flammen werden; -- ermordete ihre beiden Kinder, die Jason mit ihr erzeugt hatte, und eilte darauf in ihren mit Dra- chen bespannten Wagen durch die Lüfte, indem sie den Jason seinem Gram und der Verzweiflung überließ, die seine Tage kürzte, und ihm den Rest seines Lebens verbitterte.
Auf der hier beigefügten Kupfertafel sind Jason und Medea, sich einander die Hände gebend, nebst Jasons Waffenträger, nach einem antiken Basrelief aus Winkelmanns Monumenten, abgebildet, indeß der mit dem Drachen umwundne Lorbeerbaum den Sieg des Jason schon im Voraus andeutet, der mit Medeens Zauberkräften ausgerüstet, seiner Waf- fen, die an der Wand hängen, nicht mehr bedarf, und leichtbekleidet ohne Harnisch dasteht. Auf eben dieser Tafel ist, nach einer antiken Gemme, auch Meleager und der Kopf des Kalydonischen Ebers vor ihm, dargestellt.
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Medeens uͤberdruͤſſig, war Jaſon im Begriff ſich mit der fuͤrſtlichen Tochter Kreons zu ver- maͤhlen, uneingedenk der Rache, verachteter Ei- ferſucht und verſchmaͤhter Treue. Medea ſtellte ſich ſanft und duldend; ſie ſchickte ſelber der Braut ein Hochzeitkleid. Kaum hatte dieſe es angelegt, ſo fuͤhlte ſie ſchon die Flamme ihr Innerſtes ver- zehren und ſtarb einen qualenvollen Tod. —
Nun ließ Medea ihrer Rache freien Lauf; auf Kreons Pallaſt ließ ſie Feuer regnen; den Kreon ſelbſt einen Raub der Flammen werden; — ermordete ihre beiden Kinder, die Jaſon mit ihr erzeugt hatte, und eilte darauf in ihren mit Dra- chen beſpannten Wagen durch die Luͤfte, indem ſie den Jaſon ſeinem Gram und der Verzweiflung uͤberließ, die ſeine Tage kuͤrzte, und ihm den Reſt ſeines Lebens verbitterte.
Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel ſind Jaſon und Medea, ſich einander die Haͤnde gebend, nebſt Jaſons Waffentraͤger, nach einem antiken Basrelief aus Winkelmanns Monumenten, abgebildet, indeß der mit dem Drachen umwundne Lorbeerbaum den Sieg des Jaſon ſchon im Voraus andeutet, der mit Medeens Zauberkraͤften ausgeruͤſtet, ſeiner Waf- fen, die an der Wand haͤngen, nicht mehr bedarf, und leichtbekleidet ohne Harniſch daſteht. Auf eben dieſer Tafel iſt, nach einer antiken Gemme, auch Meleager und der Kopf des Kalydoniſchen Ebers vor ihm, dargeſtellt.
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Medeens uͤberdruͤſſig, war Jaſon im Begriff
ſich mit der fuͤrſtlichen Tochter Kreons zu ver-
maͤhlen, uneingedenk der Rache, verachteter Ei-
ferſucht und verſchmaͤhter Treue. Medea ſtellte
ſich ſanft und duldend; ſie ſchickte ſelber der Braut
ein Hochzeitkleid. Kaum hatte dieſe es angelegt,
ſo fuͤhlte ſie ſchon die Flamme ihr Innerſtes ver-
zehren und ſtarb einen qualenvollen Tod. —
Nun ließ Medea ihrer Rache freien Lauf;
auf Kreons Pallaſt ließ ſie Feuer regnen; den
Kreon ſelbſt einen Raub der Flammen werden; —
ermordete ihre beiden Kinder, die Jaſon mit ihr
erzeugt hatte, und eilte darauf in ihren mit Dra-
chen beſpannten Wagen durch die Luͤfte, indem ſie
den Jaſon ſeinem Gram und der Verzweiflung
uͤberließ, die ſeine Tage kuͤrzte, und ihm den Reſt
ſeines Lebens verbitterte.
Auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel ſind Jaſon
und Medea, ſich einander die Haͤnde gebend, nebſt
Jaſons Waffentraͤger, nach einem antiken Basrelief
aus Winkelmanns Monumenten, abgebildet, indeß
der mit dem Drachen umwundne Lorbeerbaum den
Sieg des Jaſon ſchon im Voraus andeutet, der mit
Medeens Zauberkraͤften ausgeruͤſtet, ſeiner Waf-
fen, die an der Wand haͤngen, nicht mehr bedarf,
und leichtbekleidet ohne Harniſch daſteht. Auf eben
dieſer Tafel iſt, nach einer antiken Gemme, auch
Meleager und der Kopf des Kalydoniſchen Ebers
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/331>, abgerufen am 27.11.2024.
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