Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.Ihn aus dem Reiche. Mördrisch hatte schon Thyest auf schwere Thaten sinnend, lange Dem Bruder einen Sohn entwandt, und heimlich Ihn als den seinen schmeichelnd auferzogen. Dem füllet er die Brust mit Wuth und Rache, Und sendet ihn zur Königsstadt, daß er Im Oheim seinen eignen Vater morde. Des Jünglings Vorsatz wird entdeckt; der König Straft grausam den gesandten Mörder, wähnend, Er tödte seines Bruders Sohn. Zu spät Erfährt er, wer vor seinen trunknen Augen Gemartert stirbt; und die Begier der Rache Aus seiner Brust zu tilgen, sinnt er still Auf unerhörte That. Er scheint gelassen, Gleichgültig und versöhnt, und lockt den Bruder Mit seinen beiden Söhnen in das Reich Zurück, ergreift die Knaben, schlachtet sie, Und setzt die eckle schaudervolle Speise Dem Vater bei dem ersten Mahle vor. Und da Thyest von seinem Fleische sich Gesättigt, eine Wehmuth ihn ergreift, Er nach den Kindern fragt, den Tritt, die Stimme Der Knaben an des Saales Thüre schon Zu hören glaubt, wirft Atreus grinsend, Ihm Haupt und Füße der Erschlagnen hin. -- -- -- -- -- -- -- -- Es wendete die Sonn' ihr Antlitz weg, Und ihren Wagen aus dem ewgen Gleise -- -- Göthens Iphigenie Ihn aus dem Reiche. Moͤrdriſch hatte ſchon Thyeſt auf ſchwere Thaten ſinnend, lange Dem Bruder einen Sohn entwandt, und heimlich Ihn als den ſeinen ſchmeichelnd auferzogen. Dem fuͤllet er die Bruſt mit Wuth und Rache, Und ſendet ihn zur Koͤnigsſtadt, daß er Im Oheim ſeinen eignen Vater morde. Des Juͤnglings Vorſatz wird entdeckt; der Koͤnig Straft grauſam den geſandten Moͤrder, waͤhnend, Er toͤdte ſeines Bruders Sohn. Zu ſpaͤt Erfaͤhrt er, wer vor ſeinen trunknen Augen Gemartert ſtirbt; und die Begier der Rache Aus ſeiner Bruſt zu tilgen, ſinnt er ſtill Auf unerhoͤrte That. Er ſcheint gelaſſen, Gleichguͤltig und verſoͤhnt, und lockt den Bruder Mit ſeinen beiden Soͤhnen in das Reich Zuruͤck, ergreift die Knaben, ſchlachtet ſie, Und ſetzt die eckle ſchaudervolle Speiſe Dem Vater bei dem erſten Mahle vor. Und da Thyeſt von ſeinem Fleiſche ſich Geſaͤttigt, eine Wehmuth ihn ergreift, Er nach den Kindern fragt, den Tritt, die Stimme Der Knaben an des Saales Thuͤre ſchon Zu hoͤren glaubt, wirft Atreus grinſend, Ihm Haupt und Fuͤße der Erſchlagnen hin. — — — — — — — — Es wendete die Sonn’ ihr Antlitz weg, Und ihren Wagen aus dem ewgen Gleiſe — — Goͤthens Iphigenie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0438" n="366"/> <l>Ihn aus dem Reiche. Moͤrdriſch hatte ſchon</l><lb/> <l>Thyeſt auf ſchwere Thaten ſinnend, lange</l><lb/> <l>Dem Bruder einen Sohn entwandt, und heimlich</l><lb/> <l>Ihn als den ſeinen ſchmeichelnd auferzogen.</l><lb/> <l>Dem fuͤllet er die Bruſt mit Wuth und Rache,</l><lb/> <l>Und ſendet ihn zur Koͤnigsſtadt, daß er</l><lb/> <l>Im Oheim ſeinen eignen Vater morde.</l><lb/> <l>Des Juͤnglings Vorſatz wird entdeckt; der Koͤnig</l><lb/> <l>Straft grauſam den geſandten Moͤrder, waͤhnend,</l><lb/> <l>Er toͤdte ſeines Bruders Sohn. Zu ſpaͤt</l><lb/> <l>Erfaͤhrt er, wer vor ſeinen <choice><sic>trnnknen</sic><corr>trunknen</corr></choice> Augen</l><lb/> <l>Gemartert ſtirbt; und die Begier der Rache</l><lb/> <l>Aus ſeiner Bruſt zu tilgen, ſinnt er ſtill</l><lb/> <l>Auf unerhoͤrte That. Er ſcheint gelaſſen,</l><lb/> <l>Gleichguͤltig und verſoͤhnt, und lockt den Bruder</l><lb/> <l>Mit ſeinen beiden Soͤhnen in das Reich</l><lb/> <l>Zuruͤck, ergreift die Knaben, ſchlachtet ſie,</l><lb/> <l>Und ſetzt die eckle ſchaudervolle Speiſe</l><lb/> <l>Dem Vater bei dem erſten Mahle vor.</l><lb/> <l>Und da Thyeſt von ſeinem Fleiſche ſich</l><lb/> <l>Geſaͤttigt, eine Wehmuth ihn ergreift,</l><lb/> <l>Er nach den Kindern fragt, den Tritt, die Stimme</l><lb/> <l>Der Knaben an des Saales Thuͤre ſchon</l><lb/> <l>Zu hoͤren glaubt, wirft Atreus grinſend,</l><lb/> <l>Ihm Haupt und Fuͤße der Erſchlagnen hin.</l><lb/> <l>— — — — — — — —</l><lb/> <l>Es wendete die Sonn’ ihr Antlitz weg,</l><lb/> <l>Und ihren Wagen aus dem ewgen Gleiſe — —</l> </lg><lb/> <p> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Goͤthens Iphigenie</hi> </hi> </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [366/0438]
Ihn aus dem Reiche. Moͤrdriſch hatte ſchon
Thyeſt auf ſchwere Thaten ſinnend, lange
Dem Bruder einen Sohn entwandt, und heimlich
Ihn als den ſeinen ſchmeichelnd auferzogen.
Dem fuͤllet er die Bruſt mit Wuth und Rache,
Und ſendet ihn zur Koͤnigsſtadt, daß er
Im Oheim ſeinen eignen Vater morde.
Des Juͤnglings Vorſatz wird entdeckt; der Koͤnig
Straft grauſam den geſandten Moͤrder, waͤhnend,
Er toͤdte ſeines Bruders Sohn. Zu ſpaͤt
Erfaͤhrt er, wer vor ſeinen trunknen Augen
Gemartert ſtirbt; und die Begier der Rache
Aus ſeiner Bruſt zu tilgen, ſinnt er ſtill
Auf unerhoͤrte That. Er ſcheint gelaſſen,
Gleichguͤltig und verſoͤhnt, und lockt den Bruder
Mit ſeinen beiden Soͤhnen in das Reich
Zuruͤck, ergreift die Knaben, ſchlachtet ſie,
Und ſetzt die eckle ſchaudervolle Speiſe
Dem Vater bei dem erſten Mahle vor.
Und da Thyeſt von ſeinem Fleiſche ſich
Geſaͤttigt, eine Wehmuth ihn ergreift,
Er nach den Kindern fragt, den Tritt, die Stimme
Der Knaben an des Saales Thuͤre ſchon
Zu hoͤren glaubt, wirft Atreus grinſend,
Ihm Haupt und Fuͤße der Erſchlagnen hin.
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Es wendete die Sonn’ ihr Antlitz weg,
Und ihren Wagen aus dem ewgen Gleiſe — —
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