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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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Sie durfte Kuchen und Fährgeld nicht ver-
gessen, jenen um den Cerberus zu besänftigen,
dieses um den Charon zu befriedigen, der ihr,
so wie den Todten, das Geld aus dem Munde
nehmen mußte. Es waren nur die Gebräuche
des Sterbens,
welche von der Psyche beob-
achtet wurden, sie selber kehrte ans Licht empor;
auch durfte sie sich dem Orkus durch nichts ver-
bindlich machen, und an dem Gastmahl Pro-
serpinens
keinen Antheil nehmen, sondern auf
der Erde sitzend nur schwarzes Brod verzehren.
Vor allem aber mußte sie die Büchse mit den
Schönheitsreitzen uneröfnet der Venus überbrin-
gen; und Psyche, welche nun in so vielen Pro-
ben bestanden war, erlag in dieser letztern.
Kaum war sie der Unterwelt entstiegen, so
nahm sie den Deckel von der Büchse, aus wel-
cher ein höllischer Dampf ihr entgegenstieg, der
sie in einen tiefen Todesschlummer senkte, von
welchem Amor, der schon lange unsichtbar über
ihr schwebte, sie wieder weckte, und über diesen
zweiten Rückfall in Eitelkeit und Neugier ihr
nur sanfte Vorwürfe machte; denn schon war
sein Entschluß gefaßt, sich mit der Psyche zu
vermählen; sie ward auf seine Bitte beim Ju-
piter unter die Zahl der Götter aufgenommen;
auch Venus ward versöhnt; Gesang und Sai-

C c

Sie durfte Kuchen und Faͤhrgeld nicht ver-
geſſen, jenen um den Cerberus zu beſaͤnftigen,
dieſes um den Charon zu befriedigen, der ihr,
ſo wie den Todten, das Geld aus dem Munde
nehmen mußte. Es waren nur die Gebraͤuche
des Sterbens,
welche von der Pſyche beob-
achtet wurden, ſie ſelber kehrte ans Licht empor;
auch durfte ſie ſich dem Orkus durch nichts ver-
bindlich machen, und an dem Gaſtmahl Pro-
ſerpinens
keinen Antheil nehmen, ſondern auf
der Erde ſitzend nur ſchwarzes Brod verzehren.
Vor allem aber mußte ſie die Buͤchſe mit den
Schoͤnheitsreitzen uneroͤfnet der Venus uͤberbrin-
gen; und Pſyche, welche nun in ſo vielen Pro-
ben beſtanden war, erlag in dieſer letztern.
Kaum war ſie der Unterwelt entſtiegen, ſo
nahm ſie den Deckel von der Buͤchſe, aus wel-
cher ein hoͤlliſcher Dampf ihr entgegenſtieg, der
ſie in einen tiefen Todesſchlummer ſenkte, von
welchem Amor, der ſchon lange unſichtbar uͤber
ihr ſchwebte, ſie wieder weckte, und uͤber dieſen
zweiten Ruͤckfall in Eitelkeit und Neugier ihr
nur ſanfte Vorwuͤrfe machte; denn ſchon war
ſein Entſchluß gefaßt, ſich mit der Pſyche zu
vermaͤhlen; ſie ward auf ſeine Bitte beim Ju-
piter unter die Zahl der Goͤtter aufgenommen;
auch Venus ward verſoͤhnt; Geſang und Sai-

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[401/0479] Sie durfte Kuchen und Faͤhrgeld nicht ver- geſſen, jenen um den Cerberus zu beſaͤnftigen, dieſes um den Charon zu befriedigen, der ihr, ſo wie den Todten, das Geld aus dem Munde nehmen mußte. Es waren nur die Gebraͤuche des Sterbens, welche von der Pſyche beob- achtet wurden, ſie ſelber kehrte ans Licht empor; auch durfte ſie ſich dem Orkus durch nichts ver- bindlich machen, und an dem Gaſtmahl Pro- ſerpinens keinen Antheil nehmen, ſondern auf der Erde ſitzend nur ſchwarzes Brod verzehren. Vor allem aber mußte ſie die Buͤchſe mit den Schoͤnheitsreitzen uneroͤfnet der Venus uͤberbrin- gen; und Pſyche, welche nun in ſo vielen Pro- ben beſtanden war, erlag in dieſer letztern. Kaum war ſie der Unterwelt entſtiegen, ſo nahm ſie den Deckel von der Buͤchſe, aus wel- cher ein hoͤlliſcher Dampf ihr entgegenſtieg, der ſie in einen tiefen Todesſchlummer ſenkte, von welchem Amor, der ſchon lange unſichtbar uͤber ihr ſchwebte, ſie wieder weckte, und uͤber dieſen zweiten Ruͤckfall in Eitelkeit und Neugier ihr nur ſanfte Vorwuͤrfe machte; denn ſchon war ſein Entſchluß gefaßt, ſich mit der Pſyche zu vermaͤhlen; ſie ward auf ſeine Bitte beim Ju- piter unter die Zahl der Goͤtter aufgenommen; auch Venus ward verſoͤhnt; Geſang und Sai- C c

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/479>, abgerufen am 21.11.2024.