Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Dies war nun sehr traurig für Anton, und
er fragte, wie er es denn anzufangen habe, um
seinen verschlimmerten Seelenzustand wieder zu
verbessern? -- Seinen Weg in Einfalt zu wandeln,
und sich ganz Gott zu überlassen, war die Ant¬
wort, sey das einzige Mittel, seine Seele zu
retten. -- Weiter wurden keine nähern Anwei¬
sungen ertheilt. Hr. L. . . hielt es nicht für gut,
Gott gleichsam vorzugreifen, der sich selber von
Anton abgezogen zu haben schien. -- Die nach¬
drücklich ausgesprochnen Worte aber, seinen
Weg in Einfalt zu wandeln, hatten darauf
Bezug, daß ihm Anton seit einiger Zeit zu klug
zu werden anfing, zu viel sprach und vernünf¬
telte, und überhaupt, wegen der Zufriedenheit
mit seinem Zustande, zu lebhaft wurde. -- Diese
Lebhaftigkeit war ihm der gerade Weg zu Antons
Verderben, der nach dieser Heiterkeit in seinem
Gesichte nothwendig ein ruchloser, weltlichge¬
sinnter Mensch werden mußte, von dem nichts
anders zu vermuthen stand, als daß ihn Gott
selbst in seinen Sünden dahin geben würde. --

Hätte Anton seinen Vortheil besser verstan¬
den, so hätte er itzt durch ein niedergeschlagenes,

Dies war nun ſehr traurig fuͤr Anton, und
er fragte, wie er es denn anzufangen habe, um
ſeinen verſchlimmerten Seelenzuſtand wieder zu
verbeſſern? — Seinen Weg in Einfalt zu wandeln,
und ſich ganz Gott zu uͤberlaſſen, war die Ant¬
wort, ſey das einzige Mittel, ſeine Seele zu
retten. — Weiter wurden keine naͤhern Anwei¬
ſungen ertheilt. Hr. L. . . hielt es nicht fuͤr gut,
Gott gleichſam vorzugreifen, der ſich ſelber von
Anton abgezogen zu haben ſchien. — Die nach¬
druͤcklich ausgeſprochnen Worte aber, ſeinen
Weg in Einfalt zu wandeln, hatten darauf
Bezug, daß ihm Anton ſeit einiger Zeit zu klug
zu werden anfing, zu viel ſprach und vernuͤnf¬
telte, und uͤberhaupt, wegen der Zufriedenheit
mit ſeinem Zuſtande, zu lebhaft wurde. — Dieſe
Lebhaftigkeit war ihm der gerade Weg zu Antons
Verderben, der nach dieſer Heiterkeit in ſeinem
Geſichte nothwendig ein ruchloſer, weltlichge¬
ſinnter Menſch werden mußte, von dem nichts
anders zu vermuthen ſtand, als daß ihn Gott
ſelbſt in ſeinen Suͤnden dahin geben wuͤrde. —

Haͤtte Anton ſeinen Vortheil beſſer verſtan¬
den, ſo haͤtte er itzt durch ein niedergeſchlagenes,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0114" n="104"/>
      <p>Dies war <choice><sic>nnn</sic><corr>nun</corr></choice> &#x017F;ehr traurig fu&#x0364;r Anton, und<lb/>
er fragte, wie er es denn anzufangen habe, um<lb/>
&#x017F;einen ver&#x017F;chlimmerten Seelenzu&#x017F;tand wieder zu<lb/>
verbe&#x017F;&#x017F;ern? &#x2014; Seinen Weg in Einfalt zu wandeln,<lb/>
und &#x017F;ich ganz Gott zu u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, war die Ant¬<lb/>
wort, &#x017F;ey das einzige Mittel, &#x017F;eine Seele zu<lb/>
retten. &#x2014; Weiter wurden keine na&#x0364;hern Anwei¬<lb/>
&#x017F;ungen ertheilt. Hr. L. . . hielt es nicht fu&#x0364;r gut,<lb/>
Gott gleich&#x017F;am vorzugreifen, der &#x017F;ich &#x017F;elber von<lb/>
Anton abgezogen zu haben &#x017F;chien. &#x2014; Die nach¬<lb/>
dru&#x0364;cklich ausge&#x017F;prochnen Worte aber, &#x017F;einen<lb/>
Weg in Einfalt zu wandeln, hatten darauf<lb/>
Bezug, daß ihm Anton &#x017F;eit einiger Zeit zu klug<lb/>
zu werden anfing, zu viel &#x017F;prach und vernu&#x0364;nf¬<lb/>
telte, und u&#x0364;berhaupt, wegen der Zufriedenheit<lb/>
mit &#x017F;einem Zu&#x017F;tande, zu lebhaft wurde. &#x2014; Die&#x017F;e<lb/>
Lebhaftigkeit war ihm der gerade Weg zu Antons<lb/>
Verderben, der nach die&#x017F;er Heiterkeit in &#x017F;einem<lb/>
Ge&#x017F;ichte nothwendig ein ruchlo&#x017F;er, weltlichge¬<lb/>
&#x017F;innter Men&#x017F;ch werden mußte, von dem nichts<lb/>
anders zu vermuthen &#x017F;tand, als daß ihn Gott<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t in &#x017F;einen Su&#x0364;nden dahin geben wu&#x0364;rde. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Ha&#x0364;tte Anton &#x017F;einen Vortheil be&#x017F;&#x017F;er ver&#x017F;tan¬<lb/>
den, &#x017F;o ha&#x0364;tte er itzt durch ein niederge&#x017F;chlagenes,<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0114] Dies war nun ſehr traurig fuͤr Anton, und er fragte, wie er es denn anzufangen habe, um ſeinen verſchlimmerten Seelenzuſtand wieder zu verbeſſern? — Seinen Weg in Einfalt zu wandeln, und ſich ganz Gott zu uͤberlaſſen, war die Ant¬ wort, ſey das einzige Mittel, ſeine Seele zu retten. — Weiter wurden keine naͤhern Anwei¬ ſungen ertheilt. Hr. L. . . hielt es nicht fuͤr gut, Gott gleichſam vorzugreifen, der ſich ſelber von Anton abgezogen zu haben ſchien. — Die nach¬ druͤcklich ausgeſprochnen Worte aber, ſeinen Weg in Einfalt zu wandeln, hatten darauf Bezug, daß ihm Anton ſeit einiger Zeit zu klug zu werden anfing, zu viel ſprach und vernuͤnf¬ telte, und uͤberhaupt, wegen der Zufriedenheit mit ſeinem Zuſtande, zu lebhaft wurde. — Dieſe Lebhaftigkeit war ihm der gerade Weg zu Antons Verderben, der nach dieſer Heiterkeit in ſeinem Geſichte nothwendig ein ruchloſer, weltlichge¬ ſinnter Menſch werden mußte, von dem nichts anders zu vermuthen ſtand, als daß ihn Gott ſelbſt in ſeinen Suͤnden dahin geben wuͤrde. — Haͤtte Anton ſeinen Vortheil beſſer verſtan¬ den, ſo haͤtte er itzt durch ein niedergeſchlagenes,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/114
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/114>, abgerufen am 15.05.2024.