Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

andre, weil Anton ein Vergnügen daran fand,
die verschiedenen Prediger nach einander zu
hören. --

Nun saßen Anton und August einmal um
Mitternacht zusammen in der Trockenstube, und
sprachen über verschiedene Prediger, die sie gehört
hatten, als der letztre dem Anton versprach, ihn
künftigen Sonntag mit in die B. . .kirche zu
nehmen, wo er einen Prediger hören würde,
der alles überträfe, was er sich denken und vor¬
stellen könnte. Dieser Prediger hieß P. . .,
und August konnte nicht aufhören, zu erzählen,
wie er oft durch die Predigten dieses Mannes
erschüttert und bewegt sey. Nichts war für
Anton reizender, als der Anblick eines öffent¬
lichen Redners, der das Herz von Tausenden in
seiner Hand hat. Er hörte aufmerksam auf das,
was August ihm erzählte. Er sahe schon im
Geist den Pastor P . . auf der Kanzel, er hörte
ihn schon predigen. Sein einziger Wunsch war,
daß es nur erst möchte Sonntag seyn!

Der Sonntag kam heran. Anton stand
früher, wie gewöhnlich, auf, verrichtete seine
Geschäfte, und kleidete sich an. Als geläutet

wurde,

andre, weil Anton ein Vergnuͤgen daran fand,
die verſchiedenen Prediger nach einander zu
hoͤren. —

Nun ſaßen Anton und Auguſt einmal um
Mitternacht zuſammen in der Trockenſtube, und
ſprachen uͤber verſchiedene Prediger, die ſie gehoͤrt
hatten, als der letztre dem Anton verſprach, ihn
kuͤnftigen Sonntag mit in die B. . .kirche zu
nehmen, wo er einen Prediger hoͤren wuͤrde,
der alles uͤbertraͤfe, was er ſich denken und vor¬
ſtellen koͤnnte. Dieſer Prediger hieß P. . .,
und Auguſt konnte nicht aufhoͤren, zu erzaͤhlen,
wie er oft durch die Predigten dieſes Mannes
erſchuͤttert und bewegt ſey. Nichts war fuͤr
Anton reizender, als der Anblick eines oͤffent¬
lichen Redners, der das Herz von Tauſenden in
ſeiner Hand hat. Er hoͤrte aufmerkſam auf das,
was Auguſt ihm erzaͤhlte. Er ſahe ſchon im
Geiſt den Paſtor P . . auf der Kanzel, er hoͤrte
ihn ſchon predigen. Sein einziger Wunſch war,
daß es nur erſt moͤchte Sonntag ſeyn!

Der Sonntag kam heran. Anton ſtand
fruͤher, wie gewoͤhnlich, auf, verrichtete ſeine
Geſchaͤfte, und kleidete ſich an. Als gelaͤutet

wurde,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0122" n="112"/>
andre, weil Anton ein Vergnu&#x0364;gen daran fand,<lb/>
die ver&#x017F;chiedenen Prediger nach einander zu<lb/>
ho&#x0364;ren. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Nun &#x017F;aßen Anton und Augu&#x017F;t einmal um<lb/>
Mitternacht zu&#x017F;ammen in der Trocken&#x017F;tube, und<lb/>
&#x017F;prachen u&#x0364;ber ver&#x017F;chiedene Prediger, die &#x017F;ie geho&#x0364;rt<lb/>
hatten, als der letztre dem Anton ver&#x017F;prach, ihn<lb/>
ku&#x0364;nftigen Sonntag mit in die B. . .kirche zu<lb/>
nehmen, wo er einen Prediger ho&#x0364;ren wu&#x0364;rde,<lb/>
der alles u&#x0364;bertra&#x0364;fe, was er &#x017F;ich denken und vor¬<lb/>
&#x017F;tellen ko&#x0364;nnte. Die&#x017F;er Prediger hieß P. . .,<lb/>
und Augu&#x017F;t konnte nicht aufho&#x0364;ren, zu erza&#x0364;hlen,<lb/>
wie er oft durch die Predigten die&#x017F;es Mannes<lb/>
er&#x017F;chu&#x0364;ttert und bewegt &#x017F;ey. Nichts war fu&#x0364;r<lb/>
Anton reizender, als der Anblick eines o&#x0364;ffent¬<lb/>
lichen Redners, der das Herz von Tau&#x017F;enden in<lb/>
&#x017F;einer Hand hat. Er ho&#x0364;rte aufmerk&#x017F;am auf das,<lb/>
was Augu&#x017F;t ihm erza&#x0364;hlte. Er &#x017F;ahe &#x017F;chon im<lb/>
Gei&#x017F;t den Pa&#x017F;tor P . . auf der Kanzel, er ho&#x0364;rte<lb/>
ihn &#x017F;chon predigen. Sein einziger Wun&#x017F;ch war,<lb/>
daß es nur er&#x017F;t mo&#x0364;chte Sonntag &#x017F;eyn!</p><lb/>
      <p>Der Sonntag kam heran. Anton &#x017F;tand<lb/>
fru&#x0364;her, wie gewo&#x0364;hnlich, auf, verrichtete &#x017F;eine<lb/>
Ge&#x017F;cha&#x0364;fte, und kleidete &#x017F;ich an. Als gela&#x0364;utet<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wurde,<lb/></fw>
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0122] andre, weil Anton ein Vergnuͤgen daran fand, die verſchiedenen Prediger nach einander zu hoͤren. — Nun ſaßen Anton und Auguſt einmal um Mitternacht zuſammen in der Trockenſtube, und ſprachen uͤber verſchiedene Prediger, die ſie gehoͤrt hatten, als der letztre dem Anton verſprach, ihn kuͤnftigen Sonntag mit in die B. . .kirche zu nehmen, wo er einen Prediger hoͤren wuͤrde, der alles uͤbertraͤfe, was er ſich denken und vor¬ ſtellen koͤnnte. Dieſer Prediger hieß P. . ., und Auguſt konnte nicht aufhoͤren, zu erzaͤhlen, wie er oft durch die Predigten dieſes Mannes erſchuͤttert und bewegt ſey. Nichts war fuͤr Anton reizender, als der Anblick eines oͤffent¬ lichen Redners, der das Herz von Tauſenden in ſeiner Hand hat. Er hoͤrte aufmerkſam auf das, was Auguſt ihm erzaͤhlte. Er ſahe ſchon im Geiſt den Paſtor P . . auf der Kanzel, er hoͤrte ihn ſchon predigen. Sein einziger Wunſch war, daß es nur erſt moͤchte Sonntag ſeyn! Der Sonntag kam heran. Anton ſtand fruͤher, wie gewoͤhnlich, auf, verrichtete ſeine Geſchaͤfte, und kleidete ſich an. Als gelaͤutet wurde,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/122
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/122>, abgerufen am 04.12.2024.