Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

auch aus allen Kräften an, auf Anton zuzu¬
schlagen, dem alle sein Flehen und Bitten nichts
half. -- Nie ist wohl eine Predigt unglück¬
licher abgelaufen, als diese erste Predigt, welche
Anton in seinem Leben hielt. -- Das Andenken
an diesen Vorfall hat ihn oft noch im Traume
erschreckt.

Indes wurde er dadurch nicht abgeschreckt,
noch öfter wieder seine Kanzel zu besteigen,
und ganze geschriebne Predigten mit Evange¬
lium, Thema und Eintheilung abzulesen. --
Denn seitdem er angefangen hatte, zum ersten¬
mal die Predigt des Pastor P... nachzuschrei¬
ben, war es ihm auch leichter, seine Gedanken
zu ordnen, und sie in eine Art von Verbindung
mit einander zu bringen.

Kein Sonntag ging hin, wo er itzt nicht eine
Predigt nachschrieb, und er bekam dadurch bald
eine solche Fertigkeit, daß er das Fehlende da¬
zwischen durch sein Gedächtniß ergänzen, und
eine Predigt, die er gehört, und die Hauptsa¬
chen nachgeschrieben hatte, zu Hause beinahe
vollständig wieder zu Papier bringen konnte.

Anton
L 5

auch aus allen Kraͤften an, auf Anton zuzu¬
ſchlagen, dem alle ſein Flehen und Bitten nichts
half. — Nie iſt wohl eine Predigt ungluͤck¬
licher abgelaufen, als dieſe erſte Predigt, welche
Anton in ſeinem Leben hielt. — Das Andenken
an dieſen Vorfall hat ihn oft noch im Traume
erſchreckt.

Indes wurde er dadurch nicht abgeſchreckt,
noch oͤfter wieder ſeine Kanzel zu beſteigen,
und ganze geſchriebne Predigten mit Evange¬
lium, Thema und Eintheilung abzuleſen. —
Denn ſeitdem er angefangen hatte, zum erſten¬
mal die Predigt des Paſtor P... nachzuſchrei¬
ben, war es ihm auch leichter, ſeine Gedanken
zu ordnen, und ſie in eine Art von Verbindung
mit einander zu bringen.

Kein Sonntag ging hin, wo er itzt nicht eine
Predigt nachſchrieb, und er bekam dadurch bald
eine ſolche Fertigkeit, daß er das Fehlende da¬
zwiſchen durch ſein Gedaͤchtniß ergaͤnzen, und
eine Predigt, die er gehoͤrt, und die Hauptſa¬
chen nachgeſchrieben hatte, zu Hauſe beinahe
vollſtaͤndig wieder zu Papier bringen konnte.

Anton
L 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0179" n="169"/>
auch aus allen Kra&#x0364;ften an, auf Anton zuzu¬<lb/>
&#x017F;chlagen, dem alle &#x017F;ein Flehen und Bitten nichts<lb/>
half. &#x2014; Nie i&#x017F;t wohl eine Predigt unglu&#x0364;ck¬<lb/>
licher abgelaufen, als die&#x017F;e er&#x017F;te Predigt, welche<lb/>
Anton in &#x017F;einem Leben hielt. &#x2014; Das Andenken<lb/>
an die&#x017F;en Vorfall hat ihn oft noch im Traume<lb/>
er&#x017F;chreckt.</p><lb/>
      <p>Indes wurde er dadurch nicht abge&#x017F;chreckt,<lb/>
noch o&#x0364;fter wieder &#x017F;eine Kanzel zu be&#x017F;teigen,<lb/>
und ganze ge&#x017F;chriebne Predigten mit Evange¬<lb/>
lium, Thema und Eintheilung abzule&#x017F;en. &#x2014;<lb/>
Denn &#x017F;eitdem er angefangen hatte, zum er&#x017F;ten¬<lb/>
mal die Predigt des Pa&#x017F;tor P... nachzu&#x017F;chrei¬<lb/>
ben, war es ihm auch leichter, &#x017F;eine Gedanken<lb/>
zu ordnen, und &#x017F;ie in eine Art von Verbindung<lb/>
mit einander zu bringen.</p><lb/>
      <p>Kein Sonntag ging hin, wo er itzt nicht eine<lb/>
Predigt nach&#x017F;chrieb, und er bekam dadurch bald<lb/>
eine &#x017F;olche Fertigkeit, daß er das Fehlende da¬<lb/>
zwi&#x017F;chen durch &#x017F;ein Geda&#x0364;chtniß erga&#x0364;nzen, und<lb/>
eine Predigt, die er geho&#x0364;rt, und die Haupt&#x017F;<lb/>
chen nachge&#x017F;chrieben hatte, zu Hau&#x017F;e beinahe<lb/>
voll&#x017F;ta&#x0364;ndig wieder zu Papier bringen konnte.</p><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig">L 5<lb/></fw>
      <fw place="bottom" type="catch">Anton<lb/></fw>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0179] auch aus allen Kraͤften an, auf Anton zuzu¬ ſchlagen, dem alle ſein Flehen und Bitten nichts half. — Nie iſt wohl eine Predigt ungluͤck¬ licher abgelaufen, als dieſe erſte Predigt, welche Anton in ſeinem Leben hielt. — Das Andenken an dieſen Vorfall hat ihn oft noch im Traume erſchreckt. Indes wurde er dadurch nicht abgeſchreckt, noch oͤfter wieder ſeine Kanzel zu beſteigen, und ganze geſchriebne Predigten mit Evange¬ lium, Thema und Eintheilung abzuleſen. — Denn ſeitdem er angefangen hatte, zum erſten¬ mal die Predigt des Paſtor P... nachzuſchrei¬ ben, war es ihm auch leichter, ſeine Gedanken zu ordnen, und ſie in eine Art von Verbindung mit einander zu bringen. Kein Sonntag ging hin, wo er itzt nicht eine Predigt nachſchrieb, und er bekam dadurch bald eine ſolche Fertigkeit, daß er das Fehlende da¬ zwiſchen durch ſein Gedaͤchtniß ergaͤnzen, und eine Predigt, die er gehoͤrt, und die Hauptſa¬ chen nachgeſchrieben hatte, zu Hauſe beinahe vollſtaͤndig wieder zu Papier bringen konnte. Anton L 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/179
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/179>, abgerufen am 15.05.2024.