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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

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daß er sich wohl darin geirrt habe, weil die
göttliche Gnade doch alles thun müsse.

Seine Mutter hielt diesen ganzen Brief für
Heuchelei, wie er denn wirklich nicht ganz davon
frei seyn mochte, und schrieb eigenhändig dar¬
unter: Anton führt sich auf, wie alle gottlose
Buben.

Nun war er sich doch eines wirklichen Kam¬
pfes mit sich selbst bewußt, und es mußte also
äußerst kränkend für ihn seyn, daß er mit allen
gottlosen Buben in eine Klasse geworfen wurde.

Dies schlug ihn so sehr nieder, daß er nun
wirklich eine Zeitlang wieder ausschweifte, und
sich muthwillig mit wilden Buben abgab; wor¬
in er denn durch das Schelten und sogenannte
Predigen seiner Mutter noch immer mehr be¬
stärkt wurde: denn dies schlug ihn immer noch
tiefer nieder, so daß er sich oft am Ende selbst
für nichts mehr, als einen gemeinen Gassenbu¬
ben hielt, und nun um desto eher wider Gemein¬
schaft mit ihnen machte.

Dies dauerte, bis sein Vater von P. wie¬
der zurückkam.

daß er ſich wohl darin geirrt habe, weil die
goͤttliche Gnade doch alles thun muͤſſe.

Seine Mutter hielt dieſen ganzen Brief fuͤr
Heuchelei, wie er denn wirklich nicht ganz davon
frei ſeyn mochte, und ſchrieb eigenhaͤndig dar¬
unter: Anton fuͤhrt ſich auf, wie alle gottloſe
Buben.

Nun war er ſich doch eines wirklichen Kam¬
pfes mit ſich ſelbſt bewußt, und es mußte alſo
aͤußerſt kraͤnkend fuͤr ihn ſeyn, daß er mit allen
gottloſen Buben in eine Klaſſe geworfen wurde.

Dies ſchlug ihn ſo ſehr nieder, daß er nun
wirklich eine Zeitlang wieder ausſchweifte, und
ſich muthwillig mit wilden Buben abgab; wor¬
in er denn durch das Schelten und ſogenannte
Predigen ſeiner Mutter noch immer mehr be¬
ſtaͤrkt wurde: denn dies ſchlug ihn immer noch
tiefer nieder, ſo daß er ſich oft am Ende ſelbſt
fuͤr nichts mehr, als einen gemeinen Gaſſenbu¬
ben hielt, und nun um deſto eher wider Gemein¬
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[75/0085] daß er ſich wohl darin geirrt habe, weil die goͤttliche Gnade doch alles thun muͤſſe. Seine Mutter hielt dieſen ganzen Brief fuͤr Heuchelei, wie er denn wirklich nicht ganz davon frei ſeyn mochte, und ſchrieb eigenhaͤndig dar¬ unter: Anton fuͤhrt ſich auf, wie alle gottloſe Buben. Nun war er ſich doch eines wirklichen Kam¬ pfes mit ſich ſelbſt bewußt, und es mußte alſo aͤußerſt kraͤnkend fuͤr ihn ſeyn, daß er mit allen gottloſen Buben in eine Klaſſe geworfen wurde. Dies ſchlug ihn ſo ſehr nieder, daß er nun wirklich eine Zeitlang wieder ausſchweifte, und ſich muthwillig mit wilden Buben abgab; wor¬ in er denn durch das Schelten und ſogenannte Predigen ſeiner Mutter noch immer mehr be¬ ſtaͤrkt wurde: denn dies ſchlug ihn immer noch tiefer nieder, ſo daß er ſich oft am Ende ſelbſt fuͤr nichts mehr, als einen gemeinen Gaſſenbu¬ ben hielt, und nun um deſto eher wider Gemein¬ ſchaft mit ihnen machte. Dies dauerte, bis ſein Vater von P. wie¬ der zuruͤckkam.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/85>, abgerufen am 16.05.2024.