Der Rektor that alles, um Reisern Muth und Zutrauen einzuflößen; er ließ ihn verschied¬ nemal mit sich allein an seinem Tische speisen, und unterredete sich mit ihn -- Reiser hatte da¬ mals schon Schriftstellerprojekte: er wollte die alte Acerra Philalogika in einen bessern Stil bringen, und der Rektor war so gütig, ihn zu ermuntern, daß er immer dergleichen Projekte für die Zukunft nähren, und sich mit dergleichen Ausarbeitungen beschäftigen solle.
Wenn nun Reiser über so etwas mit dem Rektor sprach, so fehlte es ihm immer an den rechten Ausdrücken, deren er sich bedienen sollte, welches seine Perioden sehr unterbrochen machte. -- Denn er schwieg lieber, ehe er das unrechte Wort zu dem Gedanken wählte, den er ausdrü¬ cken wollte. -- Der Rektor half ihm dann mit vieler Nachsicht zurecht -- Er ließ ihn auch zu¬ weilen des Abends zu sich auf die Stube kommen, und sich von ihm vorlesen. --
Reiser erdreistete sich denn auch manchmal Fragen an ihn zu thun: in wie fern z. B. ein Stuhl ein Individuum zu nennen sey, da man ihn doch immer noch wieder theilen könne, wel¬
Der Rektor that alles, um Reiſern Muth und Zutrauen einzufloͤßen; er ließ ihn verſchied¬ nemal mit ſich allein an ſeinem Tiſche ſpeiſen, und unterredete ſich mit ihn — Reiſer hatte da¬ mals ſchon Schriftſtellerprojekte: er wollte die alte Acerra Philalogika in einen beſſern Stil bringen, und der Rektor war ſo guͤtig, ihn zu ermuntern, daß er immer dergleichen Projekte fuͤr die Zukunft naͤhren, und ſich mit dergleichen Ausarbeitungen beſchaͤftigen ſolle.
Wenn nun Reiſer uͤber ſo etwas mit dem Rektor ſprach, ſo fehlte es ihm immer an den rechten Ausdruͤcken, deren er ſich bedienen ſollte, welches ſeine Perioden ſehr unterbrochen machte. — Denn er ſchwieg lieber, ehe er das unrechte Wort zu dem Gedanken waͤhlte, den er ausdruͤ¬ cken wollte. — Der Rektor half ihm dann mit vieler Nachſicht zurecht — Er ließ ihn auch zu¬ weilen des Abends zu ſich auf die Stube kommen, und ſich von ihm vorleſen. —
Reiſer erdreiſtete ſich denn auch manchmal Fragen an ihn zu thun: in wie fern z. B. ein Stuhl ein Individuum zu nennen ſey, da man ihn doch immer noch wieder theilen koͤnne, wel¬
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Der Rektor that alles, um Reiſern Muth
und Zutrauen einzufloͤßen; er ließ ihn verſchied¬
nemal mit ſich allein an ſeinem Tiſche ſpeiſen,
und unterredete ſich mit ihn — Reiſer hatte da¬
mals ſchon Schriftſtellerprojekte: er wollte die
alte Acerra Philalogika in einen beſſern Stil
bringen, und der Rektor war ſo guͤtig, ihn zu
ermuntern, daß er immer dergleichen Projekte
fuͤr die Zukunft naͤhren, und ſich mit dergleichen
Ausarbeitungen beſchaͤftigen ſolle.
Wenn nun Reiſer uͤber ſo etwas mit dem
Rektor ſprach, ſo fehlte es ihm immer an den
rechten Ausdruͤcken, deren er ſich bedienen ſollte,
welches ſeine Perioden ſehr unterbrochen machte.
— Denn er ſchwieg lieber, ehe er das unrechte
Wort zu dem Gedanken waͤhlte, den er ausdruͤ¬
cken wollte. — Der Rektor half ihm dann mit
vieler Nachſicht zurecht — Er ließ ihn auch zu¬
weilen des Abends zu ſich auf die Stube kommen,
und ſich von ihm vorleſen. —
Reiſer erdreiſtete ſich denn auch manchmal
Fragen an ihn zu thun: in wie fern z. B. ein
Stuhl ein Individuum zu nennen ſey, da man
ihn doch immer noch wieder theilen koͤnne, wel¬
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/121>, abgerufen am 16.07.2024.
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