Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

daß der Komödienzettel mit dem Personenver¬
zeichniß angeschlagen war, und laß, daß man an
demselben Abend noch Emilia Galotti auffüh¬
ren würde. --

Sein Herz schlug ihm vor Freuden, da er
dieß laß; gerade dieß Stück, bei dem er schon so
manche Thräne geweint, und so oft bis ins In¬
nerste der Seele erschüttert worden, und was
bis jetzt nur noch in seiner Phantasie aufgeführt
war, nun auf dem Schauplatz mit aller mögli¬
chen Täuschung wirklich dargestellt zu sehn. --

Er wäre den Abend nicht aus der Komödie
geblieben, hätte es auch kosten mögen, was es
gewollt hätte -- da er nun zu Hause kam, so
wurde die Stube, worin er schlief, geweißt, und
etwas darin gebaut, wodurch sie ganz unbewohn¬
bar gemacht wurde -- Dieser mißtröstende An¬
blick des Orts seines eigentlichsten Aufenthalts,
trieb ihn noch mehr aus der wirklichen ihn um¬
gebenden Welt hinaus -- er schmachtete nach der
Stunde, wann das Schauspiel anheben würde.

Wohin er kam konnte er seine Freude
nicht verbergen; da er bei der Frau F. . . in

daß der Komoͤdienzettel mit dem Perſonenver¬
zeichniß angeſchlagen war, und laß, daß man an
demſelben Abend noch Emilia Galotti auffuͤh¬
ren wuͤrde. —

Sein Herz ſchlug ihm vor Freuden, da er
dieß laß; gerade dieß Stuͤck, bei dem er ſchon ſo
manche Thraͤne geweint, und ſo oft bis ins In¬
nerſte der Seele erſchuͤttert worden, und was
bis jetzt nur noch in ſeiner Phantaſie aufgefuͤhrt
war, nun auf dem Schauplatz mit aller moͤgli¬
chen Taͤuſchung wirklich dargeſtellt zu ſehn. —

Er waͤre den Abend nicht aus der Komoͤdie
geblieben, haͤtte es auch koſten moͤgen, was es
gewollt haͤtte — da er nun zu Hauſe kam, ſo
wurde die Stube, worin er ſchlief, geweißt, und
etwas darin gebaut, wodurch ſie ganz unbewohn¬
bar gemacht wurde — Dieſer mißtroͤſtende An¬
blick des Orts ſeines eigentlichſten Aufenthalts,
trieb ihn noch mehr aus der wirklichen ihn um¬
gebenden Welt hinaus — er ſchmachtete nach der
Stunde, wann das Schauſpiel anheben wuͤrde.

Wohin er kam konnte er ſeine Freude
nicht verbergen; da er bei der Frau F. . . in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0169" n="159"/>
daß der Komo&#x0364;dienzettel mit dem Per&#x017F;onenver¬<lb/>
zeichniß ange&#x017F;chlagen war, und laß, daß man an<lb/>
dem&#x017F;elben Abend noch <hi rendition="#fr">Emilia Galotti</hi> auffu&#x0364;<lb/>
ren wu&#x0364;rde. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Sein Herz &#x017F;chlug ihm vor Freuden, da er<lb/>
dieß laß; gerade dieß Stu&#x0364;ck, bei dem er &#x017F;chon &#x017F;o<lb/>
manche Thra&#x0364;ne geweint, und &#x017F;o oft bis ins In¬<lb/>
ner&#x017F;te der Seele er&#x017F;chu&#x0364;ttert worden, und was<lb/>
bis jetzt nur noch in &#x017F;einer Phanta&#x017F;ie aufgefu&#x0364;hrt<lb/>
war, nun auf dem Schauplatz mit aller mo&#x0364;gli¬<lb/>
chen Ta&#x0364;u&#x017F;chung wirklich darge&#x017F;tellt zu &#x017F;ehn. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Er wa&#x0364;re <choice><sic>deu</sic><corr>den</corr></choice> Abend nicht aus der Komo&#x0364;die<lb/>
geblieben, ha&#x0364;tte es auch ko&#x017F;ten mo&#x0364;gen, was es<lb/>
gewollt ha&#x0364;tte &#x2014; da er nun zu Hau&#x017F;e kam, &#x017F;o<lb/>
wurde die Stube, worin er &#x017F;chlief, geweißt, und<lb/>
etwas darin gebaut, wodurch &#x017F;ie ganz unbewohn¬<lb/>
bar gemacht wurde &#x2014; Die&#x017F;er mißtro&#x0364;&#x017F;tende An¬<lb/>
blick des Orts &#x017F;eines <hi rendition="#fr">eigentlich&#x017F;ten</hi> Aufenthalts,<lb/>
trieb ihn noch mehr aus der wirklichen ihn um¬<lb/>
gebenden Welt hinaus &#x2014; er &#x017F;chmachtete nach der<lb/>
Stunde, wann das Schau&#x017F;piel anheben wu&#x0364;rde.</p><lb/>
      <p>Wohin er kam konnte er &#x017F;eine Freude<lb/>
nicht verbergen; da er bei der Frau F. . . in<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[159/0169] daß der Komoͤdienzettel mit dem Perſonenver¬ zeichniß angeſchlagen war, und laß, daß man an demſelben Abend noch Emilia Galotti auffuͤh¬ ren wuͤrde. — Sein Herz ſchlug ihm vor Freuden, da er dieß laß; gerade dieß Stuͤck, bei dem er ſchon ſo manche Thraͤne geweint, und ſo oft bis ins In¬ nerſte der Seele erſchuͤttert worden, und was bis jetzt nur noch in ſeiner Phantaſie aufgefuͤhrt war, nun auf dem Schauplatz mit aller moͤgli¬ chen Taͤuſchung wirklich dargeſtellt zu ſehn. — Er waͤre den Abend nicht aus der Komoͤdie geblieben, haͤtte es auch koſten moͤgen, was es gewollt haͤtte — da er nun zu Hauſe kam, ſo wurde die Stube, worin er ſchlief, geweißt, und etwas darin gebaut, wodurch ſie ganz unbewohn¬ bar gemacht wurde — Dieſer mißtroͤſtende An¬ blick des Orts ſeines eigentlichſten Aufenthalts, trieb ihn noch mehr aus der wirklichen ihn um¬ gebenden Welt hinaus — er ſchmachtete nach der Stunde, wann das Schauſpiel anheben wuͤrde. Wohin er kam konnte er ſeine Freude nicht verbergen; da er bei der Frau F. . . in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/169
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/169>, abgerufen am 21.11.2024.