Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

machte, sondern aus dem feinen Gefühl von Ord¬
nung, welches dadurch beleidiget wurde, wenn
jemand, ihrer Meinung nach, zu viel aß. -- Sie
pflegte denn auch wohl von Gnadenbrünlein und
Gnadenquellen zu reden, die sich verstopften,
wenn man nicht mit Mäßigkeit daraus schöpfte.

Die Frau des Hofmusikus, welche ihm am
Donnerstage zu essen gab, war zwar dabei etwas
rauh in ihrem Betragen, quälte ihn aber doch
dadurch lange nicht so, als die Frau F. . . mit
aller ihrer Feinheit. -- Am Freitage aber hatte
er wieder einen sehr schlimmen Tag, indem er
bei Leuten aß, die es ihn nicht durch Anspielun¬
gen, sondern auf eine ziemlich grobe Art fühlen
ließen, daß sie seine Wohlthäter waren. Sie
hatten ihn auch noch als Kind gekannt, und nann¬
ten ihn nicht auf eine zärtliche sondern verächtli¬
che Weise bei seinem Vornahmen Anton, da er
doch anfieng, sich unter die erwachsenen Leute
zu zählen. Kurz diese Leute behandelten ihn so,
daß er den ganzen Freitag über mißmüthig und
und traurig zu seyn pflegte, und zu nichts recht
Lust hatte, ohne oft zu wissen worüber, es war
aber darüber, daß er den Mittag der erniedri¬

machte, ſondern aus dem feinen Gefuͤhl von Ord¬
nung, welches dadurch beleidiget wurde, wenn
jemand, ihrer Meinung nach, zu viel aß. — Sie
pflegte denn auch wohl von Gnadenbruͤnlein und
Gnadenquellen zu reden, die ſich verſtopften,
wenn man nicht mit Maͤßigkeit daraus ſchoͤpfte.

Die Frau des Hofmuſikus, welche ihm am
Donnerſtage zu eſſen gab, war zwar dabei etwas
rauh in ihrem Betragen, quaͤlte ihn aber doch
dadurch lange nicht ſo, als die Frau F. . . mit
aller ihrer Feinheit. — Am Freitage aber hatte
er wieder einen ſehr ſchlimmen Tag, indem er
bei Leuten aß, die es ihn nicht durch Anſpielun¬
gen, ſondern auf eine ziemlich grobe Art fuͤhlen
ließen, daß ſie ſeine Wohlthaͤter waren. Sie
hatten ihn auch noch als Kind gekannt, und nann¬
ten ihn nicht auf eine zaͤrtliche ſondern veraͤchtli¬
che Weiſe bei ſeinem Vornahmen Anton, da er
doch anfieng, ſich unter die erwachſenen Leute
zu zaͤhlen. Kurz dieſe Leute behandelten ihn ſo,
daß er den ganzen Freitag uͤber mißmuͤthig und
und traurig zu ſeyn pflegte, und zu nichts recht
Luſt hatte, ohne oft zu wiſſen woruͤber, es war
aber daruͤber, daß er den Mittag der erniedri¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0046" n="36"/>
machte, &#x017F;ondern aus dem feinen Gefu&#x0364;hl von Ord¬<lb/>
nung, welches dadurch beleidiget wurde, wenn<lb/>
jemand, ihrer Meinung nach, zu viel aß. &#x2014; Sie<lb/>
pflegte denn auch wohl von Gnadenbru&#x0364;nlein und<lb/>
Gnadenquellen zu reden, die &#x017F;ich ver&#x017F;topften,<lb/>
wenn man nicht mit Ma&#x0364;ßigkeit daraus &#x017F;cho&#x0364;pfte.</p><lb/>
      <p>Die Frau des Hofmu&#x017F;ikus, welche ihm am<lb/>
Donner&#x017F;tage zu e&#x017F;&#x017F;en gab, war zwar dabei etwas<lb/>
rauh in ihrem Betragen, qua&#x0364;lte ihn aber doch<lb/>
dadurch lange nicht &#x017F;o, als die Frau F. . . mit<lb/>
aller ihrer Feinheit. &#x2014; Am Freitage aber hatte<lb/>
er wieder einen &#x017F;ehr &#x017F;chlimmen Tag, indem er<lb/>
bei Leuten aß, die es ihn nicht durch An&#x017F;pielun¬<lb/>
gen, &#x017F;ondern auf eine ziemlich grobe Art fu&#x0364;hlen<lb/>
ließen, daß &#x017F;ie &#x017F;eine Wohltha&#x0364;ter waren. Sie<lb/>
hatten ihn auch noch als Kind gekannt, und nann¬<lb/>
ten ihn nicht auf eine za&#x0364;rtliche &#x017F;ondern vera&#x0364;chtli¬<lb/>
che Wei&#x017F;e bei &#x017F;einem Vornahmen Anton, da er<lb/>
doch anfieng, &#x017F;ich unter die erwach&#x017F;enen Leute<lb/>
zu za&#x0364;hlen. Kurz die&#x017F;e Leute behandelten ihn &#x017F;o,<lb/>
daß er den ganzen Freitag u&#x0364;ber mißmu&#x0364;thig und<lb/>
und traurig zu &#x017F;eyn pflegte, und zu nichts recht<lb/>
Lu&#x017F;t hatte, ohne oft zu wi&#x017F;&#x017F;en woru&#x0364;ber, es war<lb/>
aber daru&#x0364;ber, daß er den Mittag der erniedri¬<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0046] machte, ſondern aus dem feinen Gefuͤhl von Ord¬ nung, welches dadurch beleidiget wurde, wenn jemand, ihrer Meinung nach, zu viel aß. — Sie pflegte denn auch wohl von Gnadenbruͤnlein und Gnadenquellen zu reden, die ſich verſtopften, wenn man nicht mit Maͤßigkeit daraus ſchoͤpfte. Die Frau des Hofmuſikus, welche ihm am Donnerſtage zu eſſen gab, war zwar dabei etwas rauh in ihrem Betragen, quaͤlte ihn aber doch dadurch lange nicht ſo, als die Frau F. . . mit aller ihrer Feinheit. — Am Freitage aber hatte er wieder einen ſehr ſchlimmen Tag, indem er bei Leuten aß, die es ihn nicht durch Anſpielun¬ gen, ſondern auf eine ziemlich grobe Art fuͤhlen ließen, daß ſie ſeine Wohlthaͤter waren. Sie hatten ihn auch noch als Kind gekannt, und nann¬ ten ihn nicht auf eine zaͤrtliche ſondern veraͤchtli¬ che Weiſe bei ſeinem Vornahmen Anton, da er doch anfieng, ſich unter die erwachſenen Leute zu zaͤhlen. Kurz dieſe Leute behandelten ihn ſo, daß er den ganzen Freitag uͤber mißmuͤthig und und traurig zu ſeyn pflegte, und zu nichts recht Luſt hatte, ohne oft zu wiſſen woruͤber, es war aber daruͤber, daß er den Mittag der erniedri¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/46
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/46>, abgerufen am 21.11.2024.