Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

suchen sollte, in welcher nun auch der allerärmste
besser als er gekleidet war, ein Umstand, der nicht
wenig dazu beitrug, gleich anfänglich seinen Muth
in etwas niederzuschlagen.

Dazu kam nun noch, daß er das Kommis¬
brodt, welches der Hauboist F. . . empfing, hoh¬
len, und unter den Armen durch die Stadt tra¬
gen mußte, welches er zwar, wenn es irgend
möglich war, in der Dämmerung that, aber es
sich doch auf keine Weise durfte merken lassen, daß
er sich dieß zu thun schäme, wenn es ihm nicht
ebenfalls als ein unverzeihlicher Stolz sollte aus¬
gelegt werden; denn von diesem Brodte wurde
ihm selbst wöchentlich eins für ein geringes Geld
überlassen, wovon er denn sein Frühstück und sei¬
nen Abendtisch bestreiten mußte.

Gegen dieß alles durfte er sich nun nicht im
mindesten auflehnen, weil der Pastor M. . . in
die Einsichten der Frau F. . ., was Reisers Er¬
ziehung und die Einrichtung seiner Lebensart an
betraf, ein unbegränztes Zutrauen setzte. In
derselben Woche machte er auch noch seinen Be¬
such bei diesen Leuten, und dankte ihnen, daß sie
die nähere Aufsicht über Reisern hätten überneh¬

E4

ſuchen ſollte, in welcher nun auch der alleraͤrmſte
beſſer als er gekleidet war, ein Umſtand, der nicht
wenig dazu beitrug, gleich anfaͤnglich ſeinen Muth
in etwas niederzuſchlagen.

Dazu kam nun noch, daß er das Kommis¬
brodt, welches der Hauboiſt F. . . empfing, hoh¬
len, und unter den Armen durch die Stadt tra¬
gen mußte, welches er zwar, wenn es irgend
moͤglich war, in der Daͤmmerung that, aber es
ſich doch auf keine Weiſe durfte merken laſſen, daß
er ſich dieß zu thun ſchaͤme, wenn es ihm nicht
ebenfalls als ein unverzeihlicher Stolz ſollte aus¬
gelegt werden; denn von dieſem Brodte wurde
ihm ſelbſt woͤchentlich eins fuͤr ein geringes Geld
uͤberlaſſen, wovon er denn ſein Fruͤhſtuͤck und ſei¬
nen Abendtiſch beſtreiten mußte.

Gegen dieß alles durfte er ſich nun nicht im
mindeſten auflehnen, weil der Paſtor M. . . in
die Einſichten der Frau F. . ., was Reiſers Er¬
ziehung und die Einrichtung ſeiner Lebensart an
betraf, ein unbegraͤnztes Zutrauen ſetzte. In
derſelben Woche machte er auch noch ſeinen Be¬
ſuch bei dieſen Leuten, und dankte ihnen, daß ſie
die naͤhere Aufſicht uͤber Reiſern haͤtten uͤberneh¬

E4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0049" n="39"/>
&#x017F;uchen &#x017F;ollte, in welcher nun auch der allera&#x0364;rm&#x017F;te<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er als er gekleidet war, ein Um&#x017F;tand, der nicht<lb/>
wenig dazu beitrug, gleich anfa&#x0364;nglich &#x017F;einen Muth<lb/>
in etwas niederzu&#x017F;chlagen.</p><lb/>
      <p>Dazu kam nun noch, daß er das Kommis¬<lb/>
brodt, welches der Hauboi&#x017F;t F. . . empfing, hoh¬<lb/>
len, und unter den Armen durch die Stadt tra¬<lb/>
gen mußte, welches er zwar, wenn es irgend<lb/>
mo&#x0364;glich war, in der Da&#x0364;mmerung that, aber es<lb/>
&#x017F;ich doch auf keine Wei&#x017F;e durfte merken la&#x017F;&#x017F;en, daß<lb/>
er &#x017F;ich dieß zu thun &#x017F;cha&#x0364;me, wenn es ihm nicht<lb/>
ebenfalls als ein unverzeihlicher Stolz &#x017F;ollte aus¬<lb/>
gelegt werden; denn von die&#x017F;em Brodte wurde<lb/>
ihm &#x017F;elb&#x017F;t wo&#x0364;chentlich eins fu&#x0364;r ein geringes Geld<lb/>
u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, wovon er denn &#x017F;ein Fru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;ck und &#x017F;ei¬<lb/>
nen Abendti&#x017F;ch be&#x017F;treiten mußte.</p><lb/>
      <p>Gegen dieß alles durfte er &#x017F;ich nun nicht im<lb/>
minde&#x017F;ten auflehnen, weil der Pa&#x017F;tor M. . . in<lb/>
die Ein&#x017F;ichten der Frau F. . ., was Rei&#x017F;ers Er¬<lb/>
ziehung und die Einrichtung &#x017F;einer Lebensart an<lb/>
betraf, ein unbegra&#x0364;nztes Zutrauen &#x017F;etzte. In<lb/>
der&#x017F;elben Woche machte er auch noch &#x017F;einen Be¬<lb/>
&#x017F;uch bei die&#x017F;en Leuten, und dankte ihnen, daß &#x017F;ie<lb/>
die na&#x0364;here Auf&#x017F;icht u&#x0364;ber Rei&#x017F;ern ha&#x0364;tten u&#x0364;berneh¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E4<lb/></fw>
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0049] ſuchen ſollte, in welcher nun auch der alleraͤrmſte beſſer als er gekleidet war, ein Umſtand, der nicht wenig dazu beitrug, gleich anfaͤnglich ſeinen Muth in etwas niederzuſchlagen. Dazu kam nun noch, daß er das Kommis¬ brodt, welches der Hauboiſt F. . . empfing, hoh¬ len, und unter den Armen durch die Stadt tra¬ gen mußte, welches er zwar, wenn es irgend moͤglich war, in der Daͤmmerung that, aber es ſich doch auf keine Weiſe durfte merken laſſen, daß er ſich dieß zu thun ſchaͤme, wenn es ihm nicht ebenfalls als ein unverzeihlicher Stolz ſollte aus¬ gelegt werden; denn von dieſem Brodte wurde ihm ſelbſt woͤchentlich eins fuͤr ein geringes Geld uͤberlaſſen, wovon er denn ſein Fruͤhſtuͤck und ſei¬ nen Abendtiſch beſtreiten mußte. Gegen dieß alles durfte er ſich nun nicht im mindeſten auflehnen, weil der Paſtor M. . . in die Einſichten der Frau F. . ., was Reiſers Er¬ ziehung und die Einrichtung ſeiner Lebensart an betraf, ein unbegraͤnztes Zutrauen ſetzte. In derſelben Woche machte er auch noch ſeinen Be¬ ſuch bei dieſen Leuten, und dankte ihnen, daß ſie die naͤhere Aufſicht uͤber Reiſern haͤtten uͤberneh¬ E4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/49
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/49>, abgerufen am 03.12.2024.