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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

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Punkt kam, so war es immer, als hörte man
einen Liebhaber aus den Ritterzeiten. -- Seine
Treue in der Freundschaft, seine Begierde, den
Nohtleidenden zu helfen, und selbst seine Gast¬
freiheit, kam auf diesen Schlag heraus, und
gründete sich zum Theil auf die romanhaften Be¬
griffe, womit seine Phantasie genährt war,
obgleich sein gutes Herz der eigentliche Grund
davon war -- denn nur auf dem Boden eines
guten Herzens können dergleichen Auswüchse von
romanhaften Tugenden emporkeimen, und Wur¬
zel fassen. In einer eigennützigen Seele, und
zusammengeschrumpften Herzen wird die häufig¬
ste Romanenlektüre nie dergleichen Wirkungen
hervorbringen. --

Man siehet nun leicht ein, warum Philipp
und Anton Reiser sich auf halbem Wege begegne¬
ten und bei dem nähern Umgange für einander
gemacht zu seyn schienen. Der erstere war beinahe
zwanzig Jahr alt, da Reiser ihn kennen lernte;
die Jahre, die er vor ihm voraus hatte, machten
ihn also gewissermaßen zu seinem Führer und Rath¬
geber, nur Schade, daß in dem Hauptpunkte,
was die Ordnung des Lebens betraf, Reiser

Punkt kam, ſo war es immer, als hoͤrte man
einen Liebhaber aus den Ritterzeiten. — Seine
Treue in der Freundſchaft, ſeine Begierde, den
Nohtleidenden zu helfen, und ſelbſt ſeine Gaſt¬
freiheit, kam auf dieſen Schlag heraus, und
gruͤndete ſich zum Theil auf die romanhaften Be¬
griffe, womit ſeine Phantaſie genaͤhrt war,
obgleich ſein gutes Herz der eigentliche Grund
davon war — denn nur auf dem Boden eines
guten Herzens koͤnnen dergleichen Auswuͤchſe von
romanhaften Tugenden emporkeimen, und Wur¬
zel faſſen. In einer eigennuͤtzigen Seele, und
zuſammengeſchrumpften Herzen wird die haͤufig¬
ſte Romanenlektuͤre nie dergleichen Wirkungen
hervorbringen. —

Man ſiehet nun leicht ein, warum Philipp
und Anton Reiſer ſich auf halbem Wege begegne¬
ten und bei dem naͤhern Umgange fuͤr einander
gemacht zu ſeyn ſchienen. Der erſtere war beinahe
zwanzig Jahr alt, da Reiſer ihn kennen lernte;
die Jahre, die er vor ihm voraus hatte, machten
ihn alſo gewiſſermaßen zu ſeinem Fuͤhrer und Rath¬
geber, nur Schade, daß in dem Hauptpunkte,
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[86/0096] Punkt kam, ſo war es immer, als hoͤrte man einen Liebhaber aus den Ritterzeiten. — Seine Treue in der Freundſchaft, ſeine Begierde, den Nohtleidenden zu helfen, und ſelbſt ſeine Gaſt¬ freiheit, kam auf dieſen Schlag heraus, und gruͤndete ſich zum Theil auf die romanhaften Be¬ griffe, womit ſeine Phantaſie genaͤhrt war, obgleich ſein gutes Herz der eigentliche Grund davon war — denn nur auf dem Boden eines guten Herzens koͤnnen dergleichen Auswuͤchſe von romanhaften Tugenden emporkeimen, und Wur¬ zel faſſen. In einer eigennuͤtzigen Seele, und zuſammengeſchrumpften Herzen wird die haͤufig¬ ſte Romanenlektuͤre nie dergleichen Wirkungen hervorbringen. — Man ſiehet nun leicht ein, warum Philipp und Anton Reiſer ſich auf halbem Wege begegne¬ ten und bei dem naͤhern Umgange fuͤr einander gemacht zu ſeyn ſchienen. Der erſtere war beinahe zwanzig Jahr alt, da Reiſer ihn kennen lernte; die Jahre, die er vor ihm voraus hatte, machten ihn alſo gewiſſermaßen zu ſeinem Fuͤhrer und Rath¬ geber, nur Schade, daß in dem Hauptpunkte, was die Ordnung des Lebens betraf, Reiſer

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/96>, abgerufen am 22.11.2024.