Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

Auf die Weise brachte er zwölf schreckliche Wo¬
chen seines Lebens zu, bis ihn endlich der Pa¬
stor M. . . durch die dritte Hand selbst wissen
ließ, daß er sich seiner wieder annehmen wolle,
sobald er sich zur ernstlichen Abbitte und Reue
über sein Betragen bequemte.

Diß erweichte endlich sein Herz, da er über¬
dem seines hartnäckigen Trotzes und des darauf
folgenden langwierigen Elendes müde war. Er
setzte sich hin, und schrieb einen langen Brief an
den Pastor M. . ., worin er sich selbst mit der
größten Erbitterung gegen sich herabsetzte --
sich als den unwürdigsten Menschen schilderte,
den je die Sonne beschienen habe -- -- und sich
kein besser Schicksal prophezeite, als daß er der¬
einst vor Armuth und Dürftigkeit unter freiem
Himmel das Ende seines Lebens finden wür¬
de -- --

Kurz, dieser Brief war in den überspannte¬
sten Ausdrücken der Selbstverachtung und
Selbstherabwürdigung, die man sich nur denken

3r Theil. A

Auf die Weiſe brachte er zwoͤlf ſchreckliche Wo¬
chen ſeines Lebens zu, bis ihn endlich der Pa¬
ſtor M. . . durch die dritte Hand ſelbſt wiſſen
ließ, daß er ſich ſeiner wieder annehmen wolle,
ſobald er ſich zur ernſtlichen Abbitte und Reue
uͤber ſein Betragen bequemte.

Diß erweichte endlich ſein Herz, da er uͤber¬
dem ſeines hartnaͤckigen Trotzes und des darauf
folgenden langwierigen Elendes muͤde war. Er
ſetzte ſich hin, und ſchrieb einen langen Brief an
den Paſtor M. . ., worin er ſich ſelbſt mit der
groͤßten Erbitterung gegen ſich herabſetzte —
ſich als den unwuͤrdigſten Menſchen ſchilderte,
den je die Sonne beſchienen habe — — und ſich
kein beſſer Schickſal prophezeite, als daß er der¬
einſt vor Armuth und Duͤrftigkeit unter freiem
Himmel das Ende ſeines Lebens finden wuͤr¬
de — —

Kurz, dieſer Brief war in den uͤberſpannte¬
ſten Ausdruͤcken der Selbſtverachtung und
Selbſtherabwuͤrdigung, die man ſich nur denken

3r Theil. A
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0011" n="[1]"/>
      <p><hi rendition="#in">A</hi>uf die Wei&#x017F;e brachte er zwo&#x0364;lf &#x017F;chreckliche Wo¬<lb/>
chen &#x017F;eines Lebens zu, bis ihn endlich der Pa¬<lb/>
&#x017F;tor M. . . durch die dritte Hand &#x017F;elb&#x017F;t wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ließ, daß er &#x017F;ich &#x017F;einer wieder annehmen wolle,<lb/>
&#x017F;obald er &#x017F;ich zur ern&#x017F;tlichen Abbitte und Reue<lb/>
u&#x0364;ber &#x017F;ein Betragen bequemte.</p><lb/>
      <p>Diß erweichte endlich &#x017F;ein Herz, da er u&#x0364;ber¬<lb/>
dem &#x017F;eines hartna&#x0364;ckigen Trotzes und des darauf<lb/>
folgenden langwierigen Elendes mu&#x0364;de war. Er<lb/>
&#x017F;etzte &#x017F;ich hin, und &#x017F;chrieb einen langen Brief an<lb/>
den Pa&#x017F;tor M. . ., worin er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t mit der<lb/>
gro&#x0364;ßten Erbitterung gegen &#x017F;ich herab&#x017F;etzte &#x2014;<lb/>
&#x017F;ich als den unwu&#x0364;rdig&#x017F;ten Men&#x017F;chen &#x017F;childerte,<lb/>
den je die Sonne be&#x017F;chienen habe &#x2014; &#x2014; und &#x017F;ich<lb/>
kein be&#x017F;&#x017F;er Schick&#x017F;al prophezeite, als daß er der¬<lb/>
ein&#x017F;t vor Armuth und Du&#x0364;rftigkeit unter freiem<lb/>
Himmel das Ende &#x017F;eines Lebens finden wu&#x0364;<lb/>
de &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
      <p>Kurz, die&#x017F;er Brief war in den u&#x0364;ber&#x017F;pannte¬<lb/>
&#x017F;ten Ausdru&#x0364;cken der Selb&#x017F;tverachtung und<lb/>
Selb&#x017F;therabwu&#x0364;rdigung, die man &#x017F;ich nur denken<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">3r <hi rendition="#fr">Theil</hi>. A<lb/></fw>
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[1]/0011] Auf die Weiſe brachte er zwoͤlf ſchreckliche Wo¬ chen ſeines Lebens zu, bis ihn endlich der Pa¬ ſtor M. . . durch die dritte Hand ſelbſt wiſſen ließ, daß er ſich ſeiner wieder annehmen wolle, ſobald er ſich zur ernſtlichen Abbitte und Reue uͤber ſein Betragen bequemte. Diß erweichte endlich ſein Herz, da er uͤber¬ dem ſeines hartnaͤckigen Trotzes und des darauf folgenden langwierigen Elendes muͤde war. Er ſetzte ſich hin, und ſchrieb einen langen Brief an den Paſtor M. . ., worin er ſich ſelbſt mit der groͤßten Erbitterung gegen ſich herabſetzte — ſich als den unwuͤrdigſten Menſchen ſchilderte, den je die Sonne beſchienen habe — — und ſich kein beſſer Schickſal prophezeite, als daß er der¬ einſt vor Armuth und Duͤrftigkeit unter freiem Himmel das Ende ſeines Lebens finden wuͤr¬ de — — Kurz, dieſer Brief war in den uͤberſpannte¬ ſten Ausdruͤcken der Selbſtverachtung und Selbſtherabwuͤrdigung, die man ſich nur denken 3r Theil. A

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/11
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/11>, abgerufen am 21.11.2024.