untersagen mußte -- auch hat er nachher nie wieder öffentlich Verse kritisirt. --
Was Reisern am meisten bei der Sache freu¬ te, war der merkliche Fortschritt, den er seit ei¬ nem Jahre in Ansehung der Bildung seines Ge¬ schmacks gethan zu haben glaubte, da ihm vor einem Jahre das Gedicht an die Gottesleugner, welches er jetzt höchst abgeschmackt fand, noch so sehr gefallen hatte, daß er es der Mühe werth hielt, es auswendig zu lernen. -- Aber in diß Jahr hatte sich auch die Lektüre des Shakespear, des Werthers, und der vielen vorzüglichen Ge¬ dichte in den neuen Musenalmanachen, nebst sei¬ nem Studium der Wolfischen Philosophie, zusam¬ mengedrängt, wozu noch die Einsamkeit, und der stille ungestörte Naturgenuß kam, wodurch sein Geist zuweilen in einem Tage mehr, als vorher in ganzen Jahren, an Kultur gewann.-- Man fing nun auch an, wieder auf ihn aufmerk¬ sam zu werden, und diejenigen, welche bisher geglaubt hatten, daß nichts aus ihm werden würde, fingen nun wieder an zu glauben, daß doch noch wohl etwas aus ihm werden könnte. --
unterſagen mußte — auch hat er nachher nie wieder oͤffentlich Verſe kritiſirt. —
Was Reiſern am meiſten bei der Sache freu¬ te, war der merkliche Fortſchritt, den er ſeit ei¬ nem Jahre in Anſehung der Bildung ſeines Ge¬ ſchmacks gethan zu haben glaubte, da ihm vor einem Jahre das Gedicht an die Gottesleugner, welches er jetzt hoͤchſt abgeſchmackt fand, noch ſo ſehr gefallen hatte, daß er es der Muͤhe werth hielt, es auswendig zu lernen. — Aber in diß Jahr hatte ſich auch die Lektuͤre des Shakeſpear, des Werthers, und der vielen vorzuͤglichen Ge¬ dichte in den neuen Muſenalmanachen, nebſt ſei¬ nem Studium der Wolfiſchen Philoſophie, zuſam¬ mengedraͤngt, wozu noch die Einſamkeit, und der ſtille ungeſtoͤrte Naturgenuß kam, wodurch ſein Geiſt zuweilen in einem Tage mehr, als vorher in ganzen Jahren, an Kultur gewann.— Man fing nun auch an, wieder auf ihn aufmerk¬ ſam zu werden, und diejenigen, welche bisher geglaubt hatten, daß nichts aus ihm werden wuͤrde, fingen nun wieder an zu glauben, daß doch noch wohl etwas aus ihm werden koͤnnte. —
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unterſagen mußte — auch hat er nachher nie
wieder oͤffentlich Verſe kritiſirt. —
Was Reiſern am meiſten bei der Sache freu¬
te, war der merkliche Fortſchritt, den er ſeit ei¬
nem Jahre in Anſehung der Bildung ſeines Ge¬
ſchmacks gethan zu haben glaubte, da ihm vor
einem Jahre das Gedicht an die Gottesleugner,
welches er jetzt hoͤchſt abgeſchmackt fand, noch ſo
ſehr gefallen hatte, daß er es der Muͤhe werth
hielt, es auswendig zu lernen. — Aber in diß
Jahr hatte ſich auch die Lektuͤre des Shakeſpear,
des Werthers, und der vielen vorzuͤglichen Ge¬
dichte in den neuen Muſenalmanachen, nebſt ſei¬
nem Studium der Wolfiſchen Philoſophie, zuſam¬
mengedraͤngt, wozu noch die Einſamkeit, und
der ſtille ungeſtoͤrte Naturgenuß kam, wodurch
ſein Geiſt zuweilen in einem Tage mehr, als
vorher in ganzen Jahren, an Kultur gewann.—
Man fing nun auch an, wieder auf ihn aufmerk¬
ſam zu werden, und diejenigen, welche bisher
geglaubt hatten, daß nichts aus ihm werden
wuͤrde, fingen nun wieder an zu glauben, daß
doch noch wohl etwas aus ihm werden
koͤnnte. —
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/133>, abgerufen am 17.02.2025.
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