Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

-- das glaubte er von sich auch -- ihm fielen
dabei alle die Demüthigungen und Kränkungen
ein, denen er von seiner frühsten Kindheit an, fast
so lange er denken konnte, beständig ausgesetzt
worden war. -- Er vergaß den Fürstensohn, und
alle die Verhältnisse eines Fürstensohnes, und
fand nur sich in dem unterdrückten Guelfo wie¬
der. -- Die bittre Lache, die Guelfo in der
Verzweiflung über sich selbst aufschlug, grif in
Reisers innerste Empfindungen ein -- er erin¬
nerte sich dabei aller der fürchterlichen Augen¬
blicke, wo er wirklich am Rande der Verzwei¬
flung stand, und eben eine solche Lache über sich
aufschlug -- indem er sein eignes Wesen mit
Verachtung und Abscheu betrachtete, und oft
mit schrecklicher Wonne in ein lautschallendes
Hohngelächter ausbrach. --

Der Abscheu vor sich selber, den Guelfo em¬
pfand, indem er den Spiegel entzwei schlägt,
worin er sich nach der Mordthat erblickt -- und
daß er nun nichts wünscht, als zu schlafen -- zu
schlafen -- das alles schien Reisern so wahr,
so aus seiner eignen Seele, die beständig mit
dergleichen schwarzen Phantasien schwanger ging,

— das glaubte er von ſich auch — ihm fielen
dabei alle die Demuͤthigungen und Kraͤnkungen
ein, denen er von ſeiner fruͤhſten Kindheit an, faſt
ſo lange er denken konnte, beſtaͤndig ausgeſetzt
worden war. — Er vergaß den Fuͤrſtenſohn, und
alle die Verhaͤltniſſe eines Fuͤrſtenſohnes, und
fand nur ſich in dem unterdruͤckten Guelfo wie¬
der. — Die bittre Lache, die Guelfo in der
Verzweiflung uͤber ſich ſelbſt aufſchlug, grif in
Reiſers innerſte Empfindungen ein — er erin¬
nerte ſich dabei aller der fuͤrchterlichen Augen¬
blicke, wo er wirklich am Rande der Verzwei¬
flung ſtand, und eben eine ſolche Lache uͤber ſich
aufſchlug — indem er ſein eignes Weſen mit
Verachtung und Abſcheu betrachtete, und oft
mit ſchrecklicher Wonne in ein lautſchallendes
Hohngelaͤchter ausbrach. —

Der Abſcheu vor ſich ſelber, den Guelfo em¬
pfand, indem er den Spiegel entzwei ſchlaͤgt,
worin er ſich nach der Mordthat erblickt — und
daß er nun nichts wuͤnſcht, als zu ſchlafen — zu
ſchlafen — das alles ſchien Reiſern ſo wahr,
ſo aus ſeiner eignen Seele, die beſtaͤndig mit
dergleichen ſchwarzen Phantaſien ſchwanger ging,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0190" n="180"/>
&#x2014; das glaubte er von &#x017F;ich auch &#x2014; ihm fielen<lb/>
dabei alle die Demu&#x0364;thigungen und Kra&#x0364;nkungen<lb/>
ein, denen er von &#x017F;einer fru&#x0364;h&#x017F;ten Kindheit an, fa&#x017F;t<lb/>
&#x017F;o lange er denken konnte, be&#x017F;ta&#x0364;ndig ausge&#x017F;etzt<lb/>
worden war. &#x2014; Er vergaß den Fu&#x0364;r&#x017F;ten&#x017F;ohn, und<lb/>
alle die Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e eines Fu&#x0364;r&#x017F;ten&#x017F;ohnes, und<lb/>
fand nur &#x017F;ich in dem unterdru&#x0364;ckten Guelfo wie¬<lb/>
der. &#x2014; <hi rendition="#fr">Die bittre Lache</hi>, die Guelfo in der<lb/>
Verzweiflung u&#x0364;ber &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t auf&#x017F;chlug, grif in<lb/>
Rei&#x017F;ers inner&#x017F;te Empfindungen ein &#x2014; er erin¬<lb/>
nerte &#x017F;ich dabei aller der fu&#x0364;rchterlichen Augen¬<lb/>
blicke, wo er wirklich am Rande der Verzwei¬<lb/>
flung &#x017F;tand, und eben eine &#x017F;olche Lache u&#x0364;ber &#x017F;ich<lb/>
auf&#x017F;chlug &#x2014; indem er &#x017F;ein eignes We&#x017F;en mit<lb/>
Verachtung und Ab&#x017F;cheu betrachtete, und oft<lb/>
mit &#x017F;chrecklicher Wonne in ein laut&#x017F;challendes<lb/>
Hohngela&#x0364;chter ausbrach. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Der Ab&#x017F;cheu vor &#x017F;ich &#x017F;elber, den Guelfo em¬<lb/>
pfand, indem er den Spiegel entzwei &#x017F;chla&#x0364;gt,<lb/>
worin er &#x017F;ich nach der Mordthat erblickt &#x2014; und<lb/>
daß er nun nichts wu&#x0364;n&#x017F;cht, als zu &#x017F;chlafen &#x2014; zu<lb/>
&#x017F;chlafen &#x2014; das alles &#x017F;chien Rei&#x017F;ern &#x017F;o wahr,<lb/>
&#x017F;o aus &#x017F;einer eignen Seele, die be&#x017F;ta&#x0364;ndig mit<lb/>
dergleichen &#x017F;chwarzen Phanta&#x017F;ien &#x017F;chwanger ging,<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0190] — das glaubte er von ſich auch — ihm fielen dabei alle die Demuͤthigungen und Kraͤnkungen ein, denen er von ſeiner fruͤhſten Kindheit an, faſt ſo lange er denken konnte, beſtaͤndig ausgeſetzt worden war. — Er vergaß den Fuͤrſtenſohn, und alle die Verhaͤltniſſe eines Fuͤrſtenſohnes, und fand nur ſich in dem unterdruͤckten Guelfo wie¬ der. — Die bittre Lache, die Guelfo in der Verzweiflung uͤber ſich ſelbſt aufſchlug, grif in Reiſers innerſte Empfindungen ein — er erin¬ nerte ſich dabei aller der fuͤrchterlichen Augen¬ blicke, wo er wirklich am Rande der Verzwei¬ flung ſtand, und eben eine ſolche Lache uͤber ſich aufſchlug — indem er ſein eignes Weſen mit Verachtung und Abſcheu betrachtete, und oft mit ſchrecklicher Wonne in ein lautſchallendes Hohngelaͤchter ausbrach. — Der Abſcheu vor ſich ſelber, den Guelfo em¬ pfand, indem er den Spiegel entzwei ſchlaͤgt, worin er ſich nach der Mordthat erblickt — und daß er nun nichts wuͤnſcht, als zu ſchlafen — zu ſchlafen — das alles ſchien Reiſern ſo wahr, ſo aus ſeiner eignen Seele, die beſtaͤndig mit dergleichen ſchwarzen Phantaſien ſchwanger ging,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/190
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/190>, abgerufen am 24.11.2024.