Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.der Mitternacht frei, wie das Wild in der Wüste So wanderte er die ganze Nacht hindurch der Mitternacht frei, wie das Wild in der Wuͤſte So wanderte er die ganze Nacht hindurch <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0242" n="232"/> der Mitternacht frei, wie das Wild in der Wuͤſte<lb/> — die weite Erde war ſein Bette — die ganze<lb/> Natur ſein Gebiet. —</p><lb/> <p>So wanderte er die ganze Nacht hindurch<lb/> bis der Tag anbrach — und als er die Gegen¬<lb/> ſtaͤnde allmaͤlig wieder unterſcheiden konnte, ſo<lb/> daͤuchte es ihm nach der Gegend, als ob er ohn¬<lb/> gefaͤhr noch eine halbe Meile von H... waͤre —<lb/> auf einmal aber befand er ſich, ehe er ſichs ver¬<lb/> ſahe, dicht an einer großen Kirchhofsmauer, die<lb/> er ſonſt nie in dieſer Gegend bemerkt hatte —<lb/> er nahm alle ſein Nachdenken zuſammen, und<lb/> ſuchte ſich zu orientieren, aber es war vergeb¬<lb/> lich — er konnte die lange Kirchhofsmauer aus<lb/> dem Zuſammenhange der uͤbrigen Gegenſtaͤnde<lb/> nicht erklaͤren; ſie war und blieb ihm eine Er¬<lb/> ſcheinung, welche ihn eine Zeitlang wirklich zwei¬<lb/> feln ließ, <hi rendition="#fr">ob er wache oder traͤume</hi> — er rieb<lb/> ſich die Augen — aber die lange Kirchhofsmauer<lb/> blieb immer da — uͤberdem war auch durch ſein<lb/> ſonderbares Nichtwandern, und durch das Wegfal¬<lb/> len der gewohnten Pauſe, wodurch die Vorſtellun¬<lb/> gen des Tages der Natur gemaͤß unterbrochen<lb/> werden, ſeine Phantaſie zerruͤttet — er fing<lb/></p> </body> </text> </TEI> [232/0242]
der Mitternacht frei, wie das Wild in der Wuͤſte
— die weite Erde war ſein Bette — die ganze
Natur ſein Gebiet. —
So wanderte er die ganze Nacht hindurch
bis der Tag anbrach — und als er die Gegen¬
ſtaͤnde allmaͤlig wieder unterſcheiden konnte, ſo
daͤuchte es ihm nach der Gegend, als ob er ohn¬
gefaͤhr noch eine halbe Meile von H... waͤre —
auf einmal aber befand er ſich, ehe er ſichs ver¬
ſahe, dicht an einer großen Kirchhofsmauer, die
er ſonſt nie in dieſer Gegend bemerkt hatte —
er nahm alle ſein Nachdenken zuſammen, und
ſuchte ſich zu orientieren, aber es war vergeb¬
lich — er konnte die lange Kirchhofsmauer aus
dem Zuſammenhange der uͤbrigen Gegenſtaͤnde
nicht erklaͤren; ſie war und blieb ihm eine Er¬
ſcheinung, welche ihn eine Zeitlang wirklich zwei¬
feln ließ, ob er wache oder traͤume — er rieb
ſich die Augen — aber die lange Kirchhofsmauer
blieb immer da — uͤberdem war auch durch ſein
ſonderbares Nichtwandern, und durch das Wegfal¬
len der gewohnten Pauſe, wodurch die Vorſtellun¬
gen des Tages der Natur gemaͤß unterbrochen
werden, ſeine Phantaſie zerruͤttet — er fing
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |