Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

ter hier durchgekommen, der sich lange mit ihm
unterhalten, er habe sich den Tag im Kalender
bemerkt, und zweifele fast nicht, daß es der
Doktor Barth gewesen sey.

Nun erzählte dieser Prediger Reisern seine
Geschichte, wie er sich erst lange als Hofmeister
herumgetrieben, und hier nun endlich in dieser
alten Pfarre eine Ruhestätte gefunden habe,
wo er dem, was in der Welt vorginge, nur so
ganz von ferne zusähe.

Reiser erzählte nun dem Prediger auch seine
eigene imaginirte unglückliche Geschichte, wobei
ihm der Prediger in einem Caffeeschälchen einige
Erfrischungen von eingemachtem Obst vorsetzte;
und ihm dabei Muth zusprach, daß er sein Ver¬
brechen vielleicht noch wieder gut machen könne;
dabei sah er auf die weisse Scheide von dem De¬
gen, welchen Reiser trug, und fragte ihn, ob
eine solche Degenscheide denn wirklich das Zei¬
chen der Freimäurer, und ob Reiser nicht in die¬
sem Orden sey? -- Jemehr dieser es verneinte,
desto fester glaubte der Prediger, demohngeach¬
tet einen Freimaurer vor sich zu sehen, der sich
ihm nur in diesem Punkt nicht entdecken wollte.

F 4

ter hier durchgekommen, der ſich lange mit ihm
unterhalten, er habe ſich den Tag im Kalender
bemerkt, und zweifele faſt nicht, daß es der
Doktor Barth geweſen ſey.

Nun erzaͤhlte dieſer Prediger Reiſern ſeine
Geſchichte, wie er ſich erſt lange als Hofmeiſter
herumgetrieben, und hier nun endlich in dieſer
alten Pfarre eine Ruheſtaͤtte gefunden habe,
wo er dem, was in der Welt vorginge, nur ſo
ganz von ferne zuſaͤhe.

Reiſer erzaͤhlte nun dem Prediger auch ſeine
eigene imaginirte ungluͤckliche Geſchichte, wobei
ihm der Prediger in einem Caffeeſchaͤlchen einige
Erfriſchungen von eingemachtem Obſt vorſetzte;
und ihm dabei Muth zuſprach, daß er ſein Ver¬
brechen vielleicht noch wieder gut machen koͤnne;
dabei ſah er auf die weiſſe Scheide von dem De¬
gen, welchen Reiſer trug, und fragte ihn, ob
eine ſolche Degenſcheide denn wirklich das Zei¬
chen der Freimaͤurer, und ob Reiſer nicht in die¬
ſem Orden ſey? — Jemehr dieſer es verneinte,
deſto feſter glaubte der Prediger, demohngeach¬
tet einen Freimaurer vor ſich zu ſehen, der ſich
ihm nur in dieſem Punkt nicht entdecken wollte.

F 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0101" n="87"/>
ter hier durchgekommen, der &#x017F;ich lange mit ihm<lb/>
unterhalten, er habe &#x017F;ich den Tag im Kalender<lb/>
bemerkt, und zweifele fa&#x017F;t nicht, daß es der<lb/>
Doktor Barth gewe&#x017F;en &#x017F;ey.</p><lb/>
      <p>Nun erza&#x0364;hlte die&#x017F;er Prediger Rei&#x017F;ern &#x017F;eine<lb/>
Ge&#x017F;chichte, wie er &#x017F;ich er&#x017F;t lange als Hofmei&#x017F;ter<lb/>
herumgetrieben, und hier nun endlich in die&#x017F;er<lb/>
alten Pfarre eine Ruhe&#x017F;ta&#x0364;tte gefunden habe,<lb/>
wo er dem, was in der Welt vorginge, nur &#x017F;o<lb/>
ganz von ferne zu&#x017F;a&#x0364;he.</p><lb/>
      <p>Rei&#x017F;er erza&#x0364;hlte nun dem Prediger auch &#x017F;eine<lb/>
eigene imaginirte unglu&#x0364;ckliche Ge&#x017F;chichte, wobei<lb/>
ihm der Prediger in einem Caffee&#x017F;cha&#x0364;lchen einige<lb/>
Erfri&#x017F;chungen von eingemachtem Ob&#x017F;t vor&#x017F;etzte;<lb/>
und ihm dabei Muth zu&#x017F;prach, daß er &#x017F;ein Ver¬<lb/>
brechen vielleicht noch wieder gut machen ko&#x0364;nne;<lb/>
dabei &#x017F;ah er auf die wei&#x017F;&#x017F;e Scheide von dem De¬<lb/>
gen, welchen Rei&#x017F;er trug, und fragte ihn, ob<lb/>
eine &#x017F;olche Degen&#x017F;cheide denn wirklich das Zei¬<lb/>
chen der Freima&#x0364;urer, und ob Rei&#x017F;er nicht in die¬<lb/>
&#x017F;em Orden &#x017F;ey? &#x2014; Jemehr die&#x017F;er es verneinte,<lb/>
de&#x017F;to fe&#x017F;ter glaubte der Prediger, demohngeach¬<lb/>
tet einen Freimaurer vor &#x017F;ich zu &#x017F;ehen, der &#x017F;ich<lb/>
ihm nur in die&#x017F;em Punkt nicht entdecken wollte.</p><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig">F 4<lb/></fw>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0101] ter hier durchgekommen, der ſich lange mit ihm unterhalten, er habe ſich den Tag im Kalender bemerkt, und zweifele faſt nicht, daß es der Doktor Barth geweſen ſey. Nun erzaͤhlte dieſer Prediger Reiſern ſeine Geſchichte, wie er ſich erſt lange als Hofmeiſter herumgetrieben, und hier nun endlich in dieſer alten Pfarre eine Ruheſtaͤtte gefunden habe, wo er dem, was in der Welt vorginge, nur ſo ganz von ferne zuſaͤhe. Reiſer erzaͤhlte nun dem Prediger auch ſeine eigene imaginirte ungluͤckliche Geſchichte, wobei ihm der Prediger in einem Caffeeſchaͤlchen einige Erfriſchungen von eingemachtem Obſt vorſetzte; und ihm dabei Muth zuſprach, daß er ſein Ver¬ brechen vielleicht noch wieder gut machen koͤnne; dabei ſah er auf die weiſſe Scheide von dem De¬ gen, welchen Reiſer trug, und fragte ihn, ob eine ſolche Degenſcheide denn wirklich das Zei¬ chen der Freimaͤurer, und ob Reiſer nicht in die¬ ſem Orden ſey? — Jemehr dieſer es verneinte, deſto feſter glaubte der Prediger, demohngeach¬ tet einen Freimaurer vor ſich zu ſehen, der ſich ihm nur in dieſem Punkt nicht entdecken wollte. F 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/101
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/101>, abgerufen am 24.11.2024.