Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

Lehrer dem Rektor S. . ., wo er im Hause ge¬
wohnt hatte, erkundigt, und dieser hatte ihm
ganz wider Reisers Vermuthen, ein Zeugniß
gegeben, welches ihm bei dem Doktor Froriep
noch weit mehr in Gunst brachte.

Der Rektor S. . . hatte nehmlich geschrie¬
ben, daß man allerdings von den Anlagen die¬
ses jungen Menschen sich viel versprochen hätte.
Und dieß war für den Doktor Froriep genug,
um das Nachtheilige, was dieß Zeugniß enthielt,
mit Schonung und Nachsicht zu betrachten, und
sich nun Reisers mit verdoppeltem Eifer anzu¬
nehmen, um ihm, wo möglich, auch die Gna¬
de des Prinzen wieder zu verschaffen.

Das Zeugniß selbst aber war auch schonend
und nachsichtsvoll abgefaßt, ausgenommen einen
Punkt, wo man Reisern, wegen seiner nächt¬
lichen Spatziergänge, im Verdacht der Lieder¬
lichkeit gehabt hatte, und ihn also gerade einer
Sache beschuldigte, wovon er am weitesten ent¬
fernt war, weil er schon durch das Drückende
seines Zustandes, durch seine Selbstverachtung,
und selbst durch seine Schwärmereien davon ab¬
gehalten wurde.

4ter Theil. I

Lehrer dem Rektor S. . ., wo er im Hauſe ge¬
wohnt hatte, erkundigt, und dieſer hatte ihm
ganz wider Reiſers Vermuthen, ein Zeugniß
gegeben, welches ihm bei dem Doktor Froriep
noch weit mehr in Gunſt brachte.

Der Rektor S. . . hatte nehmlich geſchrie¬
ben, daß man allerdings von den Anlagen die¬
ſes jungen Menſchen ſich viel verſprochen haͤtte.
Und dieß war fuͤr den Doktor Froriep genug,
um das Nachtheilige, was dieß Zeugniß enthielt,
mit Schonung und Nachſicht zu betrachten, und
ſich nun Reiſers mit verdoppeltem Eifer anzu¬
nehmen, um ihm, wo moͤglich, auch die Gna¬
de des Prinzen wieder zu verſchaffen.

Das Zeugniß ſelbſt aber war auch ſchonend
und nachſichtsvoll abgefaßt, ausgenommen einen
Punkt, wo man Reiſern, wegen ſeiner naͤcht¬
lichen Spatziergaͤnge, im Verdacht der Lieder¬
lichkeit gehabt hatte, und ihn alſo gerade einer
Sache beſchuldigte, wovon er am weiteſten ent¬
fernt war, weil er ſchon durch das Druͤckende
ſeines Zuſtandes, durch ſeine Selbſtverachtung,
und ſelbſt durch ſeine Schwaͤrmereien davon ab¬
gehalten wurde.

4ter Theil. I
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0143" n="129"/>
Lehrer dem Rektor S. . ., wo er im Hau&#x017F;e ge¬<lb/>
wohnt <choice><sic>hattte</sic><corr>hatte</corr></choice>, erkundigt, und die&#x017F;er hatte ihm<lb/>
ganz wider Rei&#x017F;ers Vermuthen, ein Zeugniß<lb/>
gegeben, welches ihm bei dem Doktor Froriep<lb/>
noch weit mehr in Gun&#x017F;t brachte.</p><lb/>
      <p>Der Rektor S. . . hatte nehmlich ge&#x017F;chrie¬<lb/>
ben, daß man allerdings von den Anlagen die¬<lb/>
&#x017F;es jungen Men&#x017F;chen &#x017F;ich viel ver&#x017F;prochen ha&#x0364;tte.<lb/>
Und dieß war fu&#x0364;r den Doktor Froriep genug,<lb/>
um das Nachtheilige, was dieß Zeugniß enthielt,<lb/>
mit Schonung und Nach&#x017F;icht zu betrachten, und<lb/>
&#x017F;ich nun Rei&#x017F;ers mit verdoppeltem Eifer anzu¬<lb/>
nehmen, um ihm, wo mo&#x0364;glich, auch die Gna¬<lb/>
de des Prinzen wieder zu ver&#x017F;chaffen.</p><lb/>
      <p>Das Zeugniß &#x017F;elb&#x017F;t aber war auch &#x017F;chonend<lb/>
und nach&#x017F;ichtsvoll abgefaßt, ausgenommen einen<lb/>
Punkt, wo man Rei&#x017F;ern, wegen &#x017F;einer na&#x0364;cht¬<lb/>
lichen Spatzierga&#x0364;nge, im Verdacht der Lieder¬<lb/>
lichkeit gehabt hatte, und ihn al&#x017F;o gerade einer<lb/>
Sache be&#x017F;chuldigte, wovon er am weite&#x017F;ten ent¬<lb/>
fernt war, weil er &#x017F;chon durch das Dru&#x0364;ckende<lb/>
&#x017F;eines Zu&#x017F;tandes, durch &#x017F;eine Selb&#x017F;tverachtung,<lb/>
und &#x017F;elb&#x017F;t durch &#x017F;eine Schwa&#x0364;rmereien davon ab¬<lb/>
gehalten wurde.</p><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig">4ter <hi rendition="#fr">Theil</hi>. I<lb/></fw>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0143] Lehrer dem Rektor S. . ., wo er im Hauſe ge¬ wohnt hatte, erkundigt, und dieſer hatte ihm ganz wider Reiſers Vermuthen, ein Zeugniß gegeben, welches ihm bei dem Doktor Froriep noch weit mehr in Gunſt brachte. Der Rektor S. . . hatte nehmlich geſchrie¬ ben, daß man allerdings von den Anlagen die¬ ſes jungen Menſchen ſich viel verſprochen haͤtte. Und dieß war fuͤr den Doktor Froriep genug, um das Nachtheilige, was dieß Zeugniß enthielt, mit Schonung und Nachſicht zu betrachten, und ſich nun Reiſers mit verdoppeltem Eifer anzu¬ nehmen, um ihm, wo moͤglich, auch die Gna¬ de des Prinzen wieder zu verſchaffen. Das Zeugniß ſelbſt aber war auch ſchonend und nachſichtsvoll abgefaßt, ausgenommen einen Punkt, wo man Reiſern, wegen ſeiner naͤcht¬ lichen Spatziergaͤnge, im Verdacht der Lieder¬ lichkeit gehabt hatte, und ihn alſo gerade einer Sache beſchuldigte, wovon er am weiteſten ent¬ fernt war, weil er ſchon durch das Druͤckende ſeines Zuſtandes, durch ſeine Selbſtverachtung, und ſelbſt durch ſeine Schwaͤrmereien davon ab¬ gehalten wurde. 4ter Theil. I

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/143
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/143>, abgerufen am 21.11.2024.