Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

Demohngeachtet loderte die Lebensflamme
noch manchmal wieder in ihm auf. Er hoffte
zuweilen noch glückliche Tage zu sehen, und
hatte einen großen Eifer zur Erlernung des Eng¬
lischen, weil er sich von diesem seinem Studium
viel versprach, um vorzüglich die in der engli¬
schen Sprache geschriebenen medizinischen Werke
zu nutzen, und dann auch durch Uebersetzungen
aus dem Englischen Geld zu erwerben.

Dann bot sich ihm auch sogar eine kleine
Aussicht zu einer Art von Versorgung in Er¬
furt dar -- und dies war ihm nun schon eine
sehr glückliche Wendung, die er besonders sei¬
nem Ausharren zuschrieb. Wer in Erfurt zu
etwas kommen wolle, pflegte er nun oft zu Rei¬
sern zu sagen, der müsse nur lange Zeit aushar¬
ren, und die Gedult nicht verlieren! so beschei¬
den und mäßig war er in seinen Wünschen, und
so sehr war jeder Schimmer eines bessern Glücks
ihm schon aufmunternd.

Er wußte nicht, daß alles äußere Glück
ihm nicht mehr helfen konnte, weil der Quell
des Glücks in ihm selber versiegt, und die

Demohngeachtet loderte die Lebensflamme
noch manchmal wieder in ihm auf. Er hoffte
zuweilen noch gluͤckliche Tage zu ſehen, und
hatte einen großen Eifer zur Erlernung des Eng¬
liſchen, weil er ſich von dieſem ſeinem Studium
viel verſprach, um vorzuͤglich die in der engli¬
ſchen Sprache geſchriebenen mediziniſchen Werke
zu nutzen, und dann auch durch Ueberſetzungen
aus dem Engliſchen Geld zu erwerben.

Dann bot ſich ihm auch ſogar eine kleine
Ausſicht zu einer Art von Verſorgung in Er¬
furt dar — und dies war ihm nun ſchon eine
ſehr gluͤckliche Wendung, die er beſonders ſei¬
nem Ausharren zuſchrieb. Wer in Erfurt zu
etwas kommen wolle, pflegte er nun oft zu Rei¬
ſern zu ſagen, der muͤſſe nur lange Zeit aushar¬
ren, und die Gedult nicht verlieren! ſo beſchei¬
den und maͤßig war er in ſeinen Wuͤnſchen, und
ſo ſehr war jeder Schimmer eines beſſern Gluͤcks
ihm ſchon aufmunternd.

Er wußte nicht, daß alles aͤußere Gluͤck
ihm nicht mehr helfen konnte, weil der Quell
des Gluͤcks in ihm ſelber verſiegt, und die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0153" n="139"/>
      <p>Demohngeachtet loderte die Lebensflamme<lb/>
noch manchmal wieder in ihm auf. Er hoffte<lb/>
zuweilen noch glu&#x0364;ckliche Tage zu &#x017F;ehen, und<lb/>
hatte einen großen Eifer zur Erlernung des Eng¬<lb/>
li&#x017F;chen, weil er &#x017F;ich von die&#x017F;em &#x017F;einem Studium<lb/>
viel ver&#x017F;prach, um vorzu&#x0364;glich die in der engli¬<lb/>
&#x017F;chen Sprache ge&#x017F;chriebenen medizini&#x017F;chen Werke<lb/>
zu nutzen, und dann auch durch Ueber&#x017F;etzungen<lb/>
aus dem Engli&#x017F;chen Geld zu erwerben.</p><lb/>
      <p>Dann bot &#x017F;ich ihm auch &#x017F;ogar eine kleine<lb/>
Aus&#x017F;icht zu einer Art von Ver&#x017F;orgung in Er¬<lb/>
furt dar &#x2014; und dies war ihm nun &#x017F;chon eine<lb/>
&#x017F;ehr glu&#x0364;ckliche Wendung, die er be&#x017F;onders &#x017F;ei¬<lb/>
nem Ausharren zu&#x017F;chrieb. Wer in Erfurt zu<lb/>
etwas kommen wolle, pflegte er nun oft zu Rei¬<lb/>
&#x017F;ern zu &#x017F;agen, der mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e nur lange Zeit aushar¬<lb/>
ren, und die Gedult nicht verlieren! &#x017F;o be&#x017F;chei¬<lb/>
den und ma&#x0364;ßig war er in &#x017F;einen Wu&#x0364;n&#x017F;chen, und<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr war jeder Schimmer eines be&#x017F;&#x017F;ern Glu&#x0364;cks<lb/>
ihm &#x017F;chon aufmunternd.</p><lb/>
      <p>Er wußte nicht, daß alles a&#x0364;ußere Glu&#x0364;ck<lb/>
ihm nicht mehr helfen konnte, weil der Quell<lb/>
des Glu&#x0364;cks in ihm &#x017F;elber ver&#x017F;iegt, und die<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0153] Demohngeachtet loderte die Lebensflamme noch manchmal wieder in ihm auf. Er hoffte zuweilen noch gluͤckliche Tage zu ſehen, und hatte einen großen Eifer zur Erlernung des Eng¬ liſchen, weil er ſich von dieſem ſeinem Studium viel verſprach, um vorzuͤglich die in der engli¬ ſchen Sprache geſchriebenen mediziniſchen Werke zu nutzen, und dann auch durch Ueberſetzungen aus dem Engliſchen Geld zu erwerben. Dann bot ſich ihm auch ſogar eine kleine Ausſicht zu einer Art von Verſorgung in Er¬ furt dar — und dies war ihm nun ſchon eine ſehr gluͤckliche Wendung, die er beſonders ſei¬ nem Ausharren zuſchrieb. Wer in Erfurt zu etwas kommen wolle, pflegte er nun oft zu Rei¬ ſern zu ſagen, der muͤſſe nur lange Zeit aushar¬ ren, und die Gedult nicht verlieren! ſo beſchei¬ den und maͤßig war er in ſeinen Wuͤnſchen, und ſo ſehr war jeder Schimmer eines beſſern Gluͤcks ihm ſchon aufmunternd. Er wußte nicht, daß alles aͤußere Gluͤck ihm nicht mehr helfen konnte, weil der Quell des Gluͤcks in ihm ſelber verſiegt, und die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/153
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/153>, abgerufen am 21.11.2024.