fene Schauspieler das Pistol weit von sich weg, und rief pathetisch aus: auch diesen traurigen Dienst willst du mir versagen? Dann ergrif er plötzlich die andere, drückte sie wie die erste loß, und o Unglück! auch diese versagte ihm.
Nun erstarb ihm das Wort im Munde; mit zitternden Händen ergrif er das Brodmesser das zufälliger Weise auf dem Tische lag, und durchstach sich damit zum Schrecken aller Zu¬ schauer Rock und Weste. -- Indem er nun fiel, stürzte sein Freund Wilhelm herein, und rief -- "Gott! ich hörte einen Schuß fallen!"
Schwerlich kann wohl eine Tragödie sich ko¬ mischer wie diese schließen. -- Dieß brachte aber Reisern nicht aus seiner hochschwebenden Phantasie, vielmehr bestärkte es ihn darin, weil er so etwas Unvollkommenes vor sich sahe, das durch etwas Vollkommenes ersetzt werden mußte.
Er hörte, daß in acht Tagen die Schauspie¬ ler von Erfurt abreisen, und nach Leipzig gehen würden, er hörte ferner daß der geschickteste Schauspieler unter dieser Truppe Nahmens B. . . einen Ruf nach Gotha erhalten hätte; er hatte also nun keinen Nebenbuhler mehr zu fürchten;
fene Schauſpieler das Piſtol weit von ſich weg, und rief pathetiſch aus: auch dieſen traurigen Dienſt willſt du mir verſagen? Dann ergrif er ploͤtzlich die andere, druͤckte ſie wie die erſte loß, und o Ungluͤck! auch dieſe verſagte ihm.
Nun erſtarb ihm das Wort im Munde; mit zitternden Haͤnden ergrif er das Brodmeſſer das zufaͤlliger Weiſe auf dem Tiſche lag, und durchſtach ſich damit zum Schrecken aller Zu¬ ſchauer Rock und Weſte. — Indem er nun fiel, ſtuͤrzte ſein Freund Wilhelm herein, und rief — „Gott! ich hoͤrte einen Schuß fallen!“
Schwerlich kann wohl eine Tragoͤdie ſich ko¬ miſcher wie dieſe ſchließen. — Dieß brachte aber Reiſern nicht aus ſeiner hochſchwebenden Phantaſie, vielmehr beſtaͤrkte es ihn darin, weil er ſo etwas Unvollkommenes vor ſich ſahe, das durch etwas Vollkommenes erſetzt werden mußte.
Er hoͤrte, daß in acht Tagen die Schauſpie¬ ler von Erfurt abreiſen, und nach Leipzig gehen wuͤrden, er hoͤrte ferner daß der geſchickteſte Schauſpieler unter dieſer Truppe Nahmens B. . . einen Ruf nach Gotha erhalten haͤtte; er hatte alſo nun keinen Nebenbuhler mehr zu fuͤrchten;
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0205"n="191"/>
fene Schauſpieler das Piſtol weit von ſich weg,<lb/>
und rief pathetiſch aus: auch dieſen traurigen<lb/>
Dienſt willſt du mir verſagen? Dann ergrif er<lb/>
ploͤtzlich die andere, druͤckte ſie wie die erſte loß,<lb/>
und o Ungluͤck! auch dieſe verſagte ihm.</p><lb/><p>Nun erſtarb ihm das Wort im Munde; mit<lb/>
zitternden Haͤnden ergrif er das Brodmeſſer<lb/>
das zufaͤlliger Weiſe auf dem Tiſche lag, und<lb/>
durchſtach ſich damit zum Schrecken aller Zu¬<lb/>ſchauer Rock und Weſte. — Indem er nun<lb/>
fiel, ſtuͤrzte ſein Freund Wilhelm herein, und<lb/>
rief —„Gott! ich hoͤrte einen Schuß fallen!“</p><lb/><p>Schwerlich kann wohl eine Tragoͤdie ſich ko¬<lb/>
miſcher wie dieſe ſchließen. — Dieß brachte<lb/>
aber Reiſern nicht aus ſeiner hochſchwebenden<lb/>
Phantaſie, vielmehr beſtaͤrkte es ihn darin, weil<lb/>
er ſo etwas Unvollkommenes vor ſich ſahe, das<lb/>
durch etwas Vollkommenes erſetzt werden mußte.</p><lb/><p>Er hoͤrte, daß in acht Tagen die Schauſpie¬<lb/>
ler von Erfurt abreiſen, und nach Leipzig gehen<lb/>
wuͤrden, er hoͤrte ferner daß der geſchickteſte<lb/>
Schauſpieler unter dieſer Truppe Nahmens B. . .<lb/>
einen Ruf nach Gotha erhalten haͤtte; er hatte<lb/>
alſo nun keinen Nebenbuhler mehr zu fuͤrchten;<lb/></p></body></text></TEI>
[191/0205]
fene Schauſpieler das Piſtol weit von ſich weg,
und rief pathetiſch aus: auch dieſen traurigen
Dienſt willſt du mir verſagen? Dann ergrif er
ploͤtzlich die andere, druͤckte ſie wie die erſte loß,
und o Ungluͤck! auch dieſe verſagte ihm.
Nun erſtarb ihm das Wort im Munde; mit
zitternden Haͤnden ergrif er das Brodmeſſer
das zufaͤlliger Weiſe auf dem Tiſche lag, und
durchſtach ſich damit zum Schrecken aller Zu¬
ſchauer Rock und Weſte. — Indem er nun
fiel, ſtuͤrzte ſein Freund Wilhelm herein, und
rief — „Gott! ich hoͤrte einen Schuß fallen!“
Schwerlich kann wohl eine Tragoͤdie ſich ko¬
miſcher wie dieſe ſchließen. — Dieß brachte
aber Reiſern nicht aus ſeiner hochſchwebenden
Phantaſie, vielmehr beſtaͤrkte es ihn darin, weil
er ſo etwas Unvollkommenes vor ſich ſahe, das
durch etwas Vollkommenes erſetzt werden mußte.
Er hoͤrte, daß in acht Tagen die Schauſpie¬
ler von Erfurt abreiſen, und nach Leipzig gehen
wuͤrden, er hoͤrte ferner daß der geſchickteſte
Schauſpieler unter dieſer Truppe Nahmens B. . .
einen Ruf nach Gotha erhalten haͤtte; er hatte
alſo nun keinen Nebenbuhler mehr zu fuͤrchten;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/205>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.