Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

fen, die Schiffe des Ulysses zerschmettern, und
seine Gefährten ergreifen und verzehren. --

Auf einmal war der Wirth zu Hause gekom¬
men, und sahe, da es schon anfing dunkel zu
werden, einen Menschen in seinem Hofe in der
Laube auf dem Tische liegen, und in einem
Buche lesen.

Er redete Reisern erst ziemlich unsanft an,
da dieser sich aber aufrichtete, und der Wirth
in ihm einen wohlgekleideten Menschen sah, so
fragte er ihn sogleich, ob er ein Jurist sey,
welches in diesen Gegenden die gewöhnliche Be¬
nennung für einen Studenten ist, weil die
Theologen größtentheils in Klöstern studiren,
und schon als Geistliche betrachtet werden.

Dem Wirth war seine Frau gestorben, und
außer ihm war niemand im ganzen Hause. Der
Mann war aber gesprächig, und Reiser hielt
seine Abendmahlzeit, die wie gewöhnlich aus
Bier und Brodt bestand, in seiner Gesellschaft.

Der Mann erzählte ihm von vielen soge¬
nannten Juristen, die bei ihm logirt hätten, und
Reiser ließ ihn dabei, daß er auch im Begriff
sey nach Erfurt zu gehen, um dort zu studiren.

B 2

fen, die Schiffe des Ulyſſes zerſchmettern, und
ſeine Gefaͤhrten ergreifen und verzehren. —

Auf einmal war der Wirth zu Hauſe gekom¬
men, und ſahe, da es ſchon anfing dunkel zu
werden, einen Menſchen in ſeinem Hofe in der
Laube auf dem Tiſche liegen, und in einem
Buche leſen.

Er redete Reiſern erſt ziemlich unſanft an,
da dieſer ſich aber aufrichtete, und der Wirth
in ihm einen wohlgekleideten Menſchen ſah, ſo
fragte er ihn ſogleich, ob er ein Juriſt ſey,
welches in dieſen Gegenden die gewoͤhnliche Be¬
nennung fuͤr einen Studenten iſt, weil die
Theologen groͤßtentheils in Kloͤſtern ſtudiren,
und ſchon als Geiſtliche betrachtet werden.

Dem Wirth war ſeine Frau geſtorben, und
außer ihm war niemand im ganzen Hauſe. Der
Mann war aber geſpraͤchig, und Reiſer hielt
ſeine Abendmahlzeit, die wie gewoͤhnlich aus
Bier und Brodt beſtand, in ſeiner Geſellſchaft.

Der Mann erzaͤhlte ihm von vielen ſoge¬
nannten Juriſten, die bei ihm logirt haͤtten, und
Reiſer ließ ihn dabei, daß er auch im Begriff
ſey nach Erfurt zu gehen, um dort zu ſtudiren.

B 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0033" n="19"/>
fen, die Schiffe des Uly&#x017F;&#x017F;es zer&#x017F;chmettern, und<lb/>
&#x017F;eine Gefa&#x0364;hrten ergreifen und verzehren. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Auf einmal war der Wirth zu Hau&#x017F;e gekom¬<lb/>
men, und &#x017F;ahe, da es &#x017F;chon anfing dunkel zu<lb/>
werden, einen Men&#x017F;chen in &#x017F;einem Hofe in der<lb/>
Laube auf dem Ti&#x017F;che liegen, und in einem<lb/>
Buche le&#x017F;en.</p><lb/>
      <p>Er redete Rei&#x017F;ern er&#x017F;t ziemlich un&#x017F;anft an,<lb/>
da die&#x017F;er &#x017F;ich aber aufrichtete, und der Wirth<lb/>
in ihm einen wohlgekleideten Men&#x017F;chen &#x017F;ah, &#x017F;o<lb/>
fragte er ihn &#x017F;ogleich, ob er ein Juri&#x017F;t &#x017F;ey,<lb/>
welches in die&#x017F;en Gegenden die gewo&#x0364;hnliche Be¬<lb/>
nennung fu&#x0364;r einen Studenten i&#x017F;t, weil die<lb/>
Theologen gro&#x0364;ßtentheils in Klo&#x0364;&#x017F;tern &#x017F;tudiren,<lb/>
und &#x017F;chon als Gei&#x017F;tliche betrachtet werden.</p><lb/>
      <p>Dem Wirth war &#x017F;eine Frau ge&#x017F;torben, und<lb/>
außer ihm war niemand im ganzen Hau&#x017F;e. Der<lb/>
Mann war aber ge&#x017F;pra&#x0364;chig, und Rei&#x017F;er hielt<lb/>
&#x017F;eine Abendmahlzeit, die wie gewo&#x0364;hnlich aus<lb/>
Bier und Brodt be&#x017F;tand, in &#x017F;einer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft.</p><lb/>
      <p>Der Mann erza&#x0364;hlte ihm von vielen &#x017F;oge¬<lb/>
nannten Juri&#x017F;ten, die bei ihm logirt ha&#x0364;tten, und<lb/>
Rei&#x017F;er ließ ihn dabei, daß er auch im Begriff<lb/>
&#x017F;ey nach Erfurt zu gehen, um dort zu &#x017F;tudiren.</p><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig">B 2<lb/></fw>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0033] fen, die Schiffe des Ulyſſes zerſchmettern, und ſeine Gefaͤhrten ergreifen und verzehren. — Auf einmal war der Wirth zu Hauſe gekom¬ men, und ſahe, da es ſchon anfing dunkel zu werden, einen Menſchen in ſeinem Hofe in der Laube auf dem Tiſche liegen, und in einem Buche leſen. Er redete Reiſern erſt ziemlich unſanft an, da dieſer ſich aber aufrichtete, und der Wirth in ihm einen wohlgekleideten Menſchen ſah, ſo fragte er ihn ſogleich, ob er ein Juriſt ſey, welches in dieſen Gegenden die gewoͤhnliche Be¬ nennung fuͤr einen Studenten iſt, weil die Theologen groͤßtentheils in Kloͤſtern ſtudiren, und ſchon als Geiſtliche betrachtet werden. Dem Wirth war ſeine Frau geſtorben, und außer ihm war niemand im ganzen Hauſe. Der Mann war aber geſpraͤchig, und Reiſer hielt ſeine Abendmahlzeit, die wie gewoͤhnlich aus Bier und Brodt beſtand, in ſeiner Geſellſchaft. Der Mann erzaͤhlte ihm von vielen ſoge¬ nannten Juriſten, die bei ihm logirt haͤtten, und Reiſer ließ ihn dabei, daß er auch im Begriff ſey nach Erfurt zu gehen, um dort zu ſtudiren. B 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/33
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/33>, abgerufen am 21.11.2024.