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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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nun wie die übrigen von seinem Stande, ging
des Sonntags fleißig in die Kirche, und war ein
stiller religiöser Mensch -- in einsamen Stunden
ergötzte er sich denn mit Shakespear und Homer,
und hatte dasjenige reelle Leben in sich, was er
nicht außer sich haben konnte.

Besonders rührend war ihm bei dergleichen
Vorstellungen immer der Gedanke, daß er am
Sonntage fleißig in die Kirche gehen, und dem
Prediger recht aufmerksam zuhören würde
.
-- Denn hierdurch vernichtete er gleichsam sich
selbst, weil er alles, was auch der schlechteste
Prediger ihm sagen würde, doch für sich noch
sehr lehrreich hielt, und nicht klüger als der
einfältigste Mensch seyn wollte.

Er dachte sich nun wieder in dem Zustande,
worin er als Hutmacherbursch gewesen war,
wo er den Prediger, der ihm gefiel, wie ein
Wesen höherer Art, und selbst die Chorschüler
auf der Straße mit Ehrfurcht betrachtete. Vom
Theater durfte er in diesem Zustande kaum einen
Begriff haben -- und doch war es ihm wieder,
als ob eben dieser Zustand auf eine wunderbare

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nun wie die uͤbrigen von ſeinem Stande, ging
des Sonntags fleißig in die Kirche, und war ein
ſtiller religioͤſer Menſch — in einſamen Stunden
ergoͤtzte er ſich denn mit Shakeſpear und Homer,
und hatte dasjenige reelle Leben in ſich, was er
nicht außer ſich haben konnte.

Beſonders ruͤhrend war ihm bei dergleichen
Vorſtellungen immer der Gedanke, daß er am
Sonntage fleißig in die Kirche gehen, und dem
Prediger recht aufmerkſam zuhoͤren wuͤrde
.
— Denn hierdurch vernichtete er gleichſam ſich
ſelbſt, weil er alles, was auch der ſchlechteſte
Prediger ihm ſagen wuͤrde, doch fuͤr ſich noch
ſehr lehrreich hielt, und nicht kluͤger als der
einfaͤltigſte Menſch ſeyn wollte.

Er dachte ſich nun wieder in dem Zuſtande,
worin er als Hutmacherburſch geweſen war,
wo er den Prediger, der ihm gefiel, wie ein
Weſen hoͤherer Art, und ſelbſt die Chorſchuͤler
auf der Straße mit Ehrfurcht betrachtete. Vom
Theater durfte er in dieſem Zuſtande kaum einen
Begriff haben — und doch war es ihm wieder,
als ob eben dieſer Zuſtand auf eine wunderbare

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[73/0087] nun wie die uͤbrigen von ſeinem Stande, ging des Sonntags fleißig in die Kirche, und war ein ſtiller religioͤſer Menſch — in einſamen Stunden ergoͤtzte er ſich denn mit Shakeſpear und Homer, und hatte dasjenige reelle Leben in ſich, was er nicht außer ſich haben konnte. Beſonders ruͤhrend war ihm bei dergleichen Vorſtellungen immer der Gedanke, daß er am Sonntage fleißig in die Kirche gehen, und dem Prediger recht aufmerkſam zuhoͤren wuͤrde. — Denn hierdurch vernichtete er gleichſam ſich ſelbſt, weil er alles, was auch der ſchlechteſte Prediger ihm ſagen wuͤrde, doch fuͤr ſich noch ſehr lehrreich hielt, und nicht kluͤger als der einfaͤltigſte Menſch ſeyn wollte. Er dachte ſich nun wieder in dem Zuſtande, worin er als Hutmacherburſch geweſen war, wo er den Prediger, der ihm gefiel, wie ein Weſen hoͤherer Art, und ſelbſt die Chorſchuͤler auf der Straße mit Ehrfurcht betrachtete. Vom Theater durfte er in dieſem Zuſtande kaum einen Begriff haben — und doch war es ihm wieder, als ob eben dieſer Zuſtand auf eine wunderbare E 5

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/87>, abgerufen am 24.11.2024.