Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844.dieses Antlitz! So weich auch die Lider sich auf die Augensterne senken, so liegt doch in den edlen Linien eine unnahbare Erhabenheit. In welchen einfachen, edlen Linien senkt sich die Nase von der klaren Stirne herunter. Dagegen verlängert sich die Oberlippe über das Ideale hinaus, wie wir dieß bei träumerischen, zur Schwermuth geneigten Menschen gewöhnlich finden, und doch ist in ihrer scharfen Zeichnung der geringste Schein des Weichlichen und Hingebenden vermieden; ebenso feingefühlt ist das gelinde Hervortreten der Unterlippe im gezügelten, aber doch möglichen Zorne über die nahegetretene Gemeinheit. Solche Gesichtszüge verbergen die glühendste Leidenschaft, aber besiegt und verklärt im höchsten Vernunftleben; denn die Leidenschaft ist das Roß, von welchem der Genius der Menschheit dem Ziele brausend entgegengetragen oder zertreten wird. Hier sehen wir nicht den Jesus, welcher der Menschheit einen trägen, dumpfen Frieden, sondern das Schwert des Kampfes gebracht hat. Er konnte der Natur, wie er gethan hat, den Krieg ankündigen, denn er hatte sie tief in seinem Blute überwunden. Nicht er vor ihr, sie knieet mit aller Herrlichkeit der Welt vor ihm und betet ihn an. Eben so mächtig prägt sich in seinem Gegensatze, im Pharisäer, die gemeine, thierisch herrschende Natur aus. Wie edel sind auch hier die Gesichtszüge angelegt, dieses Antlitz! So weich auch die Lider sich auf die Augensterne senken, so liegt doch in den edlen Linien eine unnahbare Erhabenheit. In welchen einfachen, edlen Linien senkt sich die Nase von der klaren Stirne herunter. Dagegen verlängert sich die Oberlippe über das Ideale hinaus, wie wir dieß bei träumerischen, zur Schwermuth geneigten Menschen gewöhnlich finden, und doch ist in ihrer scharfen Zeichnung der geringste Schein des Weichlichen und Hingebenden vermieden; ebenso feingefühlt ist das gelinde Hervortreten der Unterlippe im gezügelten, aber doch möglichen Zorne über die nahegetretene Gemeinheit. Solche Gesichtszüge verbergen die glühendste Leidenschaft, aber besiegt und verklärt im höchsten Vernunftleben; denn die Leidenschaft ist das Roß, von welchem der Genius der Menschheit dem Ziele brausend entgegengetragen oder zertreten wird. Hier sehen wir nicht den Jesus, welcher der Menschheit einen trägen, dumpfen Frieden, sondern das Schwert des Kampfes gebracht hat. Er konnte der Natur, wie er gethan hat, den Krieg ankündigen, denn er hatte sie tief in seinem Blute überwunden. Nicht er vor ihr, sie knieet mit aller Herrlichkeit der Welt vor ihm und betet ihn an. Eben so mächtig prägt sich in seinem Gegensatze, im Pharisäer, die gemeine, thierisch herrschende Natur aus. Wie edel sind auch hier die Gesichtszüge angelegt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0043" n="33"/> dieses Antlitz! So weich auch die Lider sich auf die Augensterne senken, so liegt doch in den edlen Linien eine unnahbare Erhabenheit. In welchen einfachen, edlen Linien senkt sich die Nase von der klaren Stirne herunter. Dagegen verlängert sich die Oberlippe über das Ideale hinaus, wie wir dieß bei träumerischen, zur Schwermuth geneigten Menschen gewöhnlich finden, und doch ist in ihrer scharfen Zeichnung der geringste Schein des Weichlichen und Hingebenden vermieden; ebenso feingefühlt ist das gelinde Hervortreten der Unterlippe im gezügelten, aber doch möglichen Zorne über die nahegetretene Gemeinheit.</p> <p>Solche Gesichtszüge verbergen die glühendste Leidenschaft, aber besiegt und verklärt im höchsten Vernunftleben; denn die Leidenschaft ist das Roß, von welchem der Genius der Menschheit dem Ziele brausend entgegengetragen oder zertreten wird.</p> <p>Hier sehen wir nicht den Jesus, welcher der Menschheit einen trägen, dumpfen Frieden, sondern das Schwert des Kampfes gebracht hat. Er konnte der Natur, wie er gethan hat, den Krieg ankündigen, denn er hatte sie tief in seinem Blute überwunden. Nicht <hi rendition="#g">er</hi> vor <hi rendition="#g">ihr, sie</hi> knieet mit aller Herrlichkeit der Welt vor ihm und betet ihn an.</p> <p>Eben so mächtig prägt sich in seinem Gegensatze, im Pharisäer, die gemeine, thierisch herrschende Natur aus. Wie edel sind auch hier die Gesichtszüge angelegt, </p> </div> </body> </text> </TEI> [33/0043]
dieses Antlitz! So weich auch die Lider sich auf die Augensterne senken, so liegt doch in den edlen Linien eine unnahbare Erhabenheit. In welchen einfachen, edlen Linien senkt sich die Nase von der klaren Stirne herunter. Dagegen verlängert sich die Oberlippe über das Ideale hinaus, wie wir dieß bei träumerischen, zur Schwermuth geneigten Menschen gewöhnlich finden, und doch ist in ihrer scharfen Zeichnung der geringste Schein des Weichlichen und Hingebenden vermieden; ebenso feingefühlt ist das gelinde Hervortreten der Unterlippe im gezügelten, aber doch möglichen Zorne über die nahegetretene Gemeinheit.
Solche Gesichtszüge verbergen die glühendste Leidenschaft, aber besiegt und verklärt im höchsten Vernunftleben; denn die Leidenschaft ist das Roß, von welchem der Genius der Menschheit dem Ziele brausend entgegengetragen oder zertreten wird.
Hier sehen wir nicht den Jesus, welcher der Menschheit einen trägen, dumpfen Frieden, sondern das Schwert des Kampfes gebracht hat. Er konnte der Natur, wie er gethan hat, den Krieg ankündigen, denn er hatte sie tief in seinem Blute überwunden. Nicht er vor ihr, sie knieet mit aller Herrlichkeit der Welt vor ihm und betet ihn an.
Eben so mächtig prägt sich in seinem Gegensatze, im Pharisäer, die gemeine, thierisch herrschende Natur aus. Wie edel sind auch hier die Gesichtszüge angelegt,
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