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Moser, Johann Jacob: Abgenöthigte Beleuchtung der Ignorantz und vielfältigen Unwahrheiten. [s. l.], 1731.

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Dom-Probst erst zwischen 1174. und 1190. die Jurisdiction über (das neue)
Losebeck erhalten habe und doch die Neu-Stadt Hildesheim von denen Ein-
wohnern des zerstörten (alten) Losebecks zuvor An. 1089. angelegt worden
seye.

Ja wann auch alles dieses nicht wäre/ so concludirte doch des Adversarii
Argument
lediglich nicht: Dann man hat disseits nirgends vorgegeben/ we-
der daß die Neu-Stadt Hildesheim auf dem Platz/ wo Losebeck gelegen ware/
erbauet worden seye/ noch daß die Dom-Probstey schon zu der Zeit/ als die
Neu-Stadt angefangen/ eine Jurisdiction über Losebeck gehabt habe/ sondern
dieses hat man gesagt/ die Einwohner des zerstörten Losebecks seyen nach sol-
cher Zerstöhrung näher an die Stadt geruckt/ hätten sich auf einen Dom-
Probstlichen Grund und Boden angebaut und daraus seye die Neu-Stadt
Hildesheim erwachsen. Nun möchte man gerne sehen und hören/ wie behaup-
tet werden könne/ daß dieses nicht habe geschehen können/ ohne daß die Dom-
Probstey eine Jurisdiction über Losebeck gehabt habe; Gewiß vermuhtet man
nicht ohne Grund/ der Gegner werde sich eines so seltsamen Schlusses jetzo selb-
sten schämen. Wann jemand laugnen wollte/ daß im vorigen Seculo die we-
gen der Religion aus denen Oesterreichischen Erblanden exulirende im Her-
tzogthum Würtemberg die Stadt Freudenstadt angelegt hätten/ weil das
Hertzogliche Haus Würtemberg keine Jurisdiction über die Oesterreichische
Erb-Lande habe/ so würde ja wahrhaftig die gantze Welt einen solchen Men-
schen für aberwitzig halten/ nun ist es aber idem plane casus und idem me-
dium concludendi.

Endlich so nimt der Gegnerische Concipist auch noch eine vergebliche Mü-
he über sich/ wann er erweisen will/ daß in obenangeführter Stelle des alten
Chronici Hildesiensis unter denen Worten: omne jus decidendarum causa-
rum &c.
nicht auch die Criminal-Jurisdiction begriffen seye/ 1. weil sie niema-
len durch die Kastenvöigte exerciret worden seye und 2. weil es irregularita-
tem induci
rte. Es seynd aber diese beyde Behelffe so schwach/ daß man kaum
disseits die Zeit mit deren Widerlegung zubringen mag. Dann das erste ist
nicht nur wider die allgemeine Meynung derer/ welche diese Materie ex pro-
fesso
untersucht haben/ und deren Stellen der Gegner bey PFEFFINGER l. c.
Tom. I. p. 1155. seq.
in Compendio
antreffen kan/ sondern es streitet auch die-
ses expreße mit denen vielen von jenem gesammleten Documentis & Diplo-
matibus,
worvon ich zur Probe nur folgendes Hamburgische de An. 937. (so
in LINDENBROGII Scriptor. rer. Septentr. p. 130. befindlich ist) anführe/ als
worin es heisst: Ut nullus Judex publicus vel quaelibet judiciaria potestas ali-
quam sibi vindicet potestatem in supradictorum hominibus Monasteriorum,
Litis videlicet & Colonis, vel eos aliquis capitis banno, ob capitis furtum,
vel quocunque banno constringat, aut aliquam justitiam facere cogat, nisi
Advocatus Archi-Episcopi
&c.
Der zweyte Einwurff aber probirt zu viel/
adeoque nichts/ oder vielmehr er erweiset nur/ daß die Herrn Dom-Pröbste
die Criminal-Jurisdiction nicht in eigener Person exerciren können/ sondern
es anderen auftragen müssen/ quo non obstante die Jurisdictio criminalis quo-
ad patrimonium & proprietatem
dannoch denen Herrn Dom-Pröbsten zuste-
hen kan/ sonst würde man ex eodem principio allen geistlichen Chur-Fursten/
Ertz- und Bischöffen/ auch Prälaten und Abtissinnen die Criminal-Jurisdi-
ction
noch jetzo absprechen müssen/ welches ja niemand auch nur im Schlaff
einfallen wird zu behaupten/ wie dann auch das Jus Canonicum Decretal.
Lib. 3. Tit. 24. ne Clerici vel Monachi secularibus negotiis se immisceant
,
selb-
sten ordnet: Episcopus seu quicunque alius Praelatus vel Clericus Jurisdi-
ctionem obtinens temporalem, si homicidio aut alio maleficio ab aliquibus in

Juris-

Dom-Probſt erſt zwiſchen 1174. und 1190. die Jurisdiction uͤber (das neue)
Loſebeck erhalten habe und doch die Neu-Stadt Hildesheim von denen Ein-
wohnern des zerſtoͤrten (alten) Loſebecks zuvor An. 1089. angelegt worden
ſeye.

Ja wann auch alles dieſes nicht waͤre/ ſo concludirte doch des Adverſarii
Argument
lediglich nicht: Dann man hat diſſeits nirgends vorgegeben/ we-
der daß die Neu-Stadt Hildesheim auf dem Platz/ wo Loſebeck gelegen ware/
erbauet worden ſeye/ noch daß die Dom-Probſtey ſchon zu der Zeit/ als die
Neu-Stadt angefangen/ eine Jurisdiction uͤber Loſebeck gehabt habe/ ſondern
dieſes hat man geſagt/ die Einwohner des zerſtoͤrten Loſebecks ſeyen nach ſol-
cher Zerſtoͤhrung naͤher an die Stadt geruckt/ haͤtten ſich auf einen Dom-
Probſtlichen Grund und Boden angebaut und daraus ſeye die Neu-Stadt
Hildesheim erwachſen. Nun moͤchte man gerne ſehen und hoͤren/ wie behaup-
tet werden koͤnne/ daß dieſes nicht habe geſchehen koͤnnen/ ohne daß die Dom-
Probſtey eine Jurisdiction uͤber Loſebeck gehabt habe; Gewiß vermuhtet man
nicht ohne Grund/ der Gegner werde ſich eines ſo ſeltſamen Schluſſes jetzo ſelb-
ſten ſchaͤmen. Wann jemand laugnen wollte/ daß im vorigen Seculo die we-
gen der Religion aus denen Oeſterreichiſchen Erblanden exulirende im Her-
tzogthum Wuͤrtemberg die Stadt Freudenſtadt angelegt haͤtten/ weil das
Hertzogliche Haus Wuͤrtemberg keine Jurisdiction uͤber die Oeſterreichiſche
Erb-Lande habe/ ſo wuͤrde ja wahrhaftig die gantze Welt einen ſolchen Men-
ſchen fuͤr aberwitzig halten/ nun iſt es aber idem planè caſus und idem me-
dium concludendi.

Endlich ſo nimt der Gegneriſche Concipiſt auch noch eine vergebliche Muͤ-
he uͤber ſich/ wann er erweiſen will/ daß in obenangefuͤhrter Stelle des alten
Chronici Hildeſienſis unter denen Worten: omne jus decidendarum cauſa-
rum &c.
nicht auch die Criminal-Jurisdiction begriffen ſeye/ 1. weil ſie niema-
len durch die Kaſtenvoͤigte exerciret worden ſeye und 2. weil es irregularita-
tem induci
rte. Es ſeynd aber dieſe beyde Behelffe ſo ſchwach/ daß man kaum
diſſeits die Zeit mit deren Widerlegung zubringen mag. Dann das erſte iſt
nicht nur wider die allgemeine Meynung derer/ welche dieſe Materie ex pro-
feſſo
unterſucht haben/ und deren Stellen der Gegner bey PFEFFINGER l. c.
Tom. I. p. 1155. ſeq.
in Compendio
antreffen kan/ ſondern es ſtreitet auch die-
ſes expreßè mit denen vielen von jenem geſammleten Documentis & Diplo-
matibus,
worvon ich zur Probe nur folgendes Hamburgiſche de An. 937. (ſo
in LINDENBROGII Scriptor. rer. Septentr. p. 130. befindlich iſt) anfuͤhre/ als
worin es heiſſt: Ut nullus Judex publicus vel quælibet judiciaria poteſtas ali-
quam ſibi vindicet poteſtatem in ſupradictorum hominibus Monaſteriorum,
Litis videlicet & Colonis, vel eos aliquis capitis banno, ob capitis furtum,
vel quocunque banno conſtringat, aut aliquam juſtitiam facere cogat, nisì
Advocatus Archi-Epiſcopi
&c.
Der zweyte Einwurff aber probirt zu viel/
adeóque nichts/ oder vielmehr er erweiſet nur/ daß die Herrn Dom-Proͤbſte
die Criminal-Jurisdiction nicht in eigener Perſon exerciren koͤnnen/ ſondern
es anderen auftragen muͤſſen/ quo non obſtante die Jurisdictio criminalis quo-
ad patrimonium & proprietatem
dannoch denen Herrn Dom-Proͤbſten zuſte-
hen kan/ ſonſt wuͤrde man ex eodem principio allen geiſtlichen Chur-Furſten/
Ertz- und Biſchoͤffen/ auch Praͤlaten und Abtiſſinnen die Criminal-Jurisdi-
ction
noch jetzo abſprechen muͤſſen/ welches ja niemand auch nur im Schlaff
einfallen wird zu behaupten/ wie dann auch das Jus Canonicum Decretal.
Lib. 3. Tit. 24. ne Clerici vel Monachi ſecularibus negotiis ſe immiſceant
,
ſelb-
ſten ordnet: Epiſcopus ſeu quicunque alius Prælatus vel Clericus Jurisdi-
ctionem obtinens temporalem, ſi homicidio aut alio maleficio ab aliquibus in

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[27/0029] Dom-Probſt erſt zwiſchen 1174. und 1190. die Jurisdiction uͤber (das neue) Loſebeck erhalten habe und doch die Neu-Stadt Hildesheim von denen Ein- wohnern des zerſtoͤrten (alten) Loſebecks zuvor An. 1089. angelegt worden ſeye. Ja wann auch alles dieſes nicht waͤre/ ſo concludirte doch des Adverſarii Argument lediglich nicht: Dann man hat diſſeits nirgends vorgegeben/ we- der daß die Neu-Stadt Hildesheim auf dem Platz/ wo Loſebeck gelegen ware/ erbauet worden ſeye/ noch daß die Dom-Probſtey ſchon zu der Zeit/ als die Neu-Stadt angefangen/ eine Jurisdiction uͤber Loſebeck gehabt habe/ ſondern dieſes hat man geſagt/ die Einwohner des zerſtoͤrten Loſebecks ſeyen nach ſol- cher Zerſtoͤhrung naͤher an die Stadt geruckt/ haͤtten ſich auf einen Dom- Probſtlichen Grund und Boden angebaut und daraus ſeye die Neu-Stadt Hildesheim erwachſen. Nun moͤchte man gerne ſehen und hoͤren/ wie behaup- tet werden koͤnne/ daß dieſes nicht habe geſchehen koͤnnen/ ohne daß die Dom- Probſtey eine Jurisdiction uͤber Loſebeck gehabt habe; Gewiß vermuhtet man nicht ohne Grund/ der Gegner werde ſich eines ſo ſeltſamen Schluſſes jetzo ſelb- ſten ſchaͤmen. Wann jemand laugnen wollte/ daß im vorigen Seculo die we- gen der Religion aus denen Oeſterreichiſchen Erblanden exulirende im Her- tzogthum Wuͤrtemberg die Stadt Freudenſtadt angelegt haͤtten/ weil das Hertzogliche Haus Wuͤrtemberg keine Jurisdiction uͤber die Oeſterreichiſche Erb-Lande habe/ ſo wuͤrde ja wahrhaftig die gantze Welt einen ſolchen Men- ſchen fuͤr aberwitzig halten/ nun iſt es aber idem planè caſus und idem me- dium concludendi. Endlich ſo nimt der Gegneriſche Concipiſt auch noch eine vergebliche Muͤ- he uͤber ſich/ wann er erweiſen will/ daß in obenangefuͤhrter Stelle des alten Chronici Hildeſienſis unter denen Worten: omne jus decidendarum cauſa- rum &c. nicht auch die Criminal-Jurisdiction begriffen ſeye/ 1. weil ſie niema- len durch die Kaſtenvoͤigte exerciret worden ſeye und 2. weil es irregularita- tem inducirte. Es ſeynd aber dieſe beyde Behelffe ſo ſchwach/ daß man kaum diſſeits die Zeit mit deren Widerlegung zubringen mag. Dann das erſte iſt nicht nur wider die allgemeine Meynung derer/ welche dieſe Materie ex pro- feſſo unterſucht haben/ und deren Stellen der Gegner bey PFEFFINGER l. c. Tom. I. p. 1155. ſeq. in Compendio antreffen kan/ ſondern es ſtreitet auch die- ſes expreßè mit denen vielen von jenem geſammleten Documentis & Diplo- matibus, worvon ich zur Probe nur folgendes Hamburgiſche de An. 937. (ſo in LINDENBROGII Scriptor. rer. Septentr. p. 130. befindlich iſt) anfuͤhre/ als worin es heiſſt: Ut nullus Judex publicus vel quælibet judiciaria poteſtas ali- quam ſibi vindicet poteſtatem in ſupradictorum hominibus Monaſteriorum, Litis videlicet & Colonis, vel eos aliquis capitis banno, ob capitis furtum, vel quocunque banno conſtringat, aut aliquam juſtitiam facere cogat, nisì Advocatus Archi-Epiſcopi &c. Der zweyte Einwurff aber probirt zu viel/ adeóque nichts/ oder vielmehr er erweiſet nur/ daß die Herrn Dom-Proͤbſte die Criminal-Jurisdiction nicht in eigener Perſon exerciren koͤnnen/ ſondern es anderen auftragen muͤſſen/ quo non obſtante die Jurisdictio criminalis quo- ad patrimonium & proprietatem dannoch denen Herrn Dom-Proͤbſten zuſte- hen kan/ ſonſt wuͤrde man ex eodem principio allen geiſtlichen Chur-Furſten/ Ertz- und Biſchoͤffen/ auch Praͤlaten und Abtiſſinnen die Criminal-Jurisdi- ction noch jetzo abſprechen muͤſſen/ welches ja niemand auch nur im Schlaff einfallen wird zu behaupten/ wie dann auch das Jus Canonicum Decretal. Lib. 3. Tit. 24. ne Clerici vel Monachi ſecularibus negotiis ſe immiſceant, ſelb- ſten ordnet: Epiſcopus ſeu quicunque alius Prælatus vel Clericus Jurisdi- ctionem obtinens temporalem, ſi homicidio aut alio maleficio ab aliquibus in Juris-

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Zitationshilfe: Moser, Johann Jacob: Abgenöthigte Beleuchtung der Ignorantz und vielfältigen Unwahrheiten. [s. l.], 1731, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_beleuchtung_1731/29>, abgerufen am 21.11.2024.