Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Es wird unstreitig viele, mit Anhörung un-
nöthiger Weitläufigkeiten und noch unnützerer
Widersprüche, Zweifel und Zänkereyen, frucht-
los verschwendete Zeit erspart.

Der Regent gewöhnt sich an einen unpartheyi-
schern, bloss auf die Sache selbst, wenn ihr
pro und contra redlich vorgetragen wird, ge-
richteten Blick.

Er gewöhnt sich an eine gelassenere und ru-
higere Beurtheilung von Personen und Sachen.
Diss ist besonders nöthig und eine Regel prac-
tischer Lebens-Weisheit bey raschen, hitzigen
und eine Sache gleich beym ersten Blick zu
übersehen glaubenden Herrn; ein Kunstgriff,
dessen sich bekanntlich der berühmte und un-
glückliche Baron von Goerz bey seinem eigen-
sinnigen und ungeduldigen Herrn, K. Carl XII.
in Schweden, mit stetem Vortheil, bediente:
"Ich wills", sagte er, wann ihn der rasche Kö-
nig nicht länger anhören wollte, "Ew. Maje-
"stät schriftlich geben".

Ein Regent ist nur selten so wenig Mensch,
dass bey ihm Vorurtheil und Vorliebe gar kei-
nen Einfluss hätte; dass er nicht bey einer Sa-
che Beyfall oder Abneigung bezeugte, weils
der gewollt und gewünscht und jener andere

Es wird unstreitig viele, mit Anhörung un-
nöthiger Weitläufigkeiten und noch unnützerer
Widersprüche, Zweifel und Zänkereyen, frucht-
los verschwendete Zeit erspart.

Der Regent gewöhnt sich an einen unpartheyi-
schern, bloſs auf die Sache selbst, wenn ihr
pro und contra redlich vorgetragen wird, ge-
richteten Blick.

Er gewöhnt sich an eine gelassenere und ru-
higere Beurtheilung von Personen und Sachen.
Diſs ist besonders nöthig und eine Regel prac-
tischer Lebens-Weisheit bey raschen, hitzigen
und eine Sache gleich beym ersten Blick zu
übersehen glaubenden Herrn; ein Kunstgriff,
dessen sich bekanntlich der berühmte und un-
glückliche Baron von Goerz bey seinem eigen-
sinnigen und ungeduldigen Herrn, K. Carl XII.
in Schweden, mit stetem Vortheil, bediente:
„Ich wills„, sagte er, wann ihn der rasche Kö-
nig nicht länger anhören wollte, „Ew. Maje-
„stät schriftlich geben„.

Ein Regent ist nur selten so wenig Mensch,
daſs bey ihm Vorurtheil und Vorliebe gar kei-
nen Einfluſs hätte; daſs er nicht bey einer Sa-
che Beyfall oder Abneigung bezeugte, weils
der gewollt und gewünscht und jener andere

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0221" n="215"/>
        <p>Es wird unstreitig viele, mit Anhörung un-<lb/>
nöthiger Weitläufigkeiten und noch unnützerer<lb/>
Widersprüche, Zweifel und Zänkereyen, frucht-<lb/>
los verschwendete Zeit erspart.</p><lb/>
        <p>Der Regent gewöhnt sich an einen unpartheyi-<lb/>
schern, blo&#x017F;s auf die Sache selbst, wenn ihr<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">pro</hi></hi> und <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">contra</hi></hi> redlich vorgetragen wird, ge-<lb/>
richteten Blick.</p><lb/>
        <p>Er gewöhnt sich an eine gelassenere und ru-<lb/>
higere Beurtheilung von Personen und Sachen.<lb/>
Di&#x017F;s ist besonders nöthig und eine Regel prac-<lb/>
tischer Lebens-Weisheit bey raschen, hitzigen<lb/>
und eine Sache gleich beym ersten Blick zu<lb/>
übersehen glaubenden Herrn; ein Kunstgriff,<lb/>
dessen sich bekanntlich der berühmte und un-<lb/>
glückliche Baron <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">von Goerz</hi></hi> bey seinem eigen-<lb/>
sinnigen und ungeduldigen Herrn, K. Carl XII.<lb/>
in Schweden, mit stetem Vortheil, bediente:<lb/>
&#x201E;Ich wills&#x201E;, sagte er, wann ihn der rasche Kö-<lb/>
nig nicht länger anhören wollte, &#x201E;Ew. Maje-<lb/>
&#x201E;stät <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">schriftlich</hi></hi> geben&#x201E;.</p><lb/>
        <p>Ein Regent ist nur selten so wenig Mensch,<lb/>
da&#x017F;s bey ihm Vorurtheil und Vorliebe gar kei-<lb/>
nen Einflu&#x017F;s hätte; da&#x017F;s er nicht bey einer Sa-<lb/>
che Beyfall oder Abneigung bezeugte, weils<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#g">der</hi></hi> gewollt und gewünscht und <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">jener andere</hi></hi><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0221] Es wird unstreitig viele, mit Anhörung un- nöthiger Weitläufigkeiten und noch unnützerer Widersprüche, Zweifel und Zänkereyen, frucht- los verschwendete Zeit erspart. Der Regent gewöhnt sich an einen unpartheyi- schern, bloſs auf die Sache selbst, wenn ihr pro und contra redlich vorgetragen wird, ge- richteten Blick. Er gewöhnt sich an eine gelassenere und ru- higere Beurtheilung von Personen und Sachen. Diſs ist besonders nöthig und eine Regel prac- tischer Lebens-Weisheit bey raschen, hitzigen und eine Sache gleich beym ersten Blick zu übersehen glaubenden Herrn; ein Kunstgriff, dessen sich bekanntlich der berühmte und un- glückliche Baron von Goerz bey seinem eigen- sinnigen und ungeduldigen Herrn, K. Carl XII. in Schweden, mit stetem Vortheil, bediente: „Ich wills„, sagte er, wann ihn der rasche Kö- nig nicht länger anhören wollte, „Ew. Maje- „stät schriftlich geben„. Ein Regent ist nur selten so wenig Mensch, daſs bey ihm Vorurtheil und Vorliebe gar kei- nen Einfluſs hätte; daſs er nicht bey einer Sa- che Beyfall oder Abneigung bezeugte, weils der gewollt und gewünscht und jener andere

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/221
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/221>, abgerufen am 02.05.2024.