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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

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venschwäche der Fürsten-Naturen an. "Grosse
Seelen verachten die Schmeicheley; sie schmei-
cheln nie, um zu gewinnen, und lassen sich
nicht schmeicheln, um sich gewinnen zu lassen.
Sie jagen nicht nach Ruhm, aber sie erlauben
sich keine Handlung, keine Enthaltung die nicht
Ruhm verdient *)". Weil es nun von Anbe-
ginn starke und schwache Menschen auch un-
ter Königen und Fürsten gegeben hat, weil
sich biss ans Ende der Tage solche finden wer-
den die Ketten zersprengen, und wieder andere,
und deren noch mehrere, die sich an seidenen
Seilen führen lassen, so ward die Schmeicheley
schon vor bald zwey tausend Jahren als eine
Erbsünde, als ein altes fortgepflanztes Uebel
verschrieen **). In diesem üblen Ruf stuhnden
vorzüglich und vorlängst alle Familiaren der
Könige und Fürsten, welche auch zu Ehren
ihrer treibenden freyen Kunst Speichellecker,
Tellerlecker, Augendiener u. s. w. genennt
wurden, und über die der biedere Luther +)

*) Lavaters Monathblatt für Freunde. 1794. 6. St. S. 4.
**) Adulationes vetus in republica malum. Tacitus.
+) "Es ist kein Ort in der Welt, da von Rechts wegen
weniger Schmeicheley seyn sollte als an Höfen, da sie
jezund am meisten ist. Denn, so der Fürst verführt

venschwäche der Fürsten-Naturen an. „Groſse
Seelen verachten die Schmeicheley; sie schmei-
cheln nie, um zu gewinnen, und lassen sich
nicht schmeicheln, um sich gewinnen zu lassen.
Sie jagen nicht nach Ruhm, aber sie erlauben
sich keine Handlung, keine Enthaltung die nicht
Ruhm verdient *)„. Weil es nun von Anbe-
ginn starke und schwache Menschen auch un-
ter Königen und Fürsten gegeben hat, weil
sich biſs ans Ende der Tage solche finden wer-
den die Ketten zersprengen, und wieder andere,
und deren noch mehrere, die sich an seidenen
Seilen führen lassen, so ward die Schmeicheley
schon vor bald zwey tausend Jahren als eine
Erbsünde, als ein altes fortgepflanztes Uebel
verschrieen **). In diesem üblen Ruf stuhnden
vorzüglich und vorlängst alle Familiaren der
Könige und Fürsten, welche auch zu Ehren
ihrer treibenden freyen Kunst Speichellecker,
Tellerlecker, Augendiener u. s. w. genennt
wurden, und über die der biedere Luther †)

*) Lavaters Monathblatt für Freunde. 1794. 6. St. S. 4.
**) Adulationes vetus in republica malum. Tacitus.
†) „Es ist kein Ort in der Welt, da von Rechts wegen
weniger Schmeicheley seyn sollte als an Höfen, da sie
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[99/0105] venschwäche der Fürsten-Naturen an. „Groſse Seelen verachten die Schmeicheley; sie schmei- cheln nie, um zu gewinnen, und lassen sich nicht schmeicheln, um sich gewinnen zu lassen. Sie jagen nicht nach Ruhm, aber sie erlauben sich keine Handlung, keine Enthaltung die nicht Ruhm verdient *)„. Weil es nun von Anbe- ginn starke und schwache Menschen auch un- ter Königen und Fürsten gegeben hat, weil sich biſs ans Ende der Tage solche finden wer- den die Ketten zersprengen, und wieder andere, und deren noch mehrere, die sich an seidenen Seilen führen lassen, so ward die Schmeicheley schon vor bald zwey tausend Jahren als eine Erbsünde, als ein altes fortgepflanztes Uebel verschrieen **). In diesem üblen Ruf stuhnden vorzüglich und vorlängst alle Familiaren der Könige und Fürsten, welche auch zu Ehren ihrer treibenden freyen Kunst Speichellecker, Tellerlecker, Augendiener u. s. w. genennt wurden, und über die der biedere Luther †) *) Lavaters Monathblatt für Freunde. 1794. 6. St. S. 4. **) Adulationes vetus in republica malum. Tacitus. †) „Es ist kein Ort in der Welt, da von Rechts wegen weniger Schmeicheley seyn sollte als an Höfen, da sie jezund am meisten ist. Denn, so der Fürst verführt

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/105>, abgerufen am 22.11.2024.