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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

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prediger, durch unverständige Beichtväter oder
eigennützige Bauchpfaffen, welche sich mit
Schmeicheleyen und Loben bey ihrem unlau-
tern Egoismus besser als bey dem Mene Te-
kel
eines Daniels befinden; von welcher Men-
schenart der freymüthige Plank *) ein merk-
würdiges Beyspiel anführt.

Was für Schaden nicht nur für den also un-
würdig Gelobten entsteht, sondern welche weit
nachtheiligere Folgen für dessen Familie, Kin-
der und Nachfolger daraus entspringen, welche
sich um so leichter bey allen ihren Untugen-

*) "Er (Churfürst Johann von Sachsen) freute sich, von
seinen Theologen als Vertheidiger der Sache Gottes und
als Bekenner des Evangelii gerühmt zu werden; nicht,
weil es seiner Eitelkeit schmeichelte, denn diese Lei-
denschaft beunruhigte ihn wenig; sondern weil er das
Bewusstseyn einer guten That nöthig hatte, um sich
bey seinem Gewissen wegen so mancher andern entschul-
digen zu können, die er aus Trägheit unterliess, und
wegen so mancher Fehler entschuldigen zu können,
die er wohl an sich erkannte, aber zu verbessern wei-
ter nicht eilte. Der ehrliche Johannes glaubte sich ge-
troster gewisse Lieblings-Schwachheiten übersehen,
sich zum Beyspiel ruhiger des Mittags betrinken zu
dürfen, wenn er sich sagen oder sagen lassen konnte,
dass er des Morgens etwas für das Evangelium gethan
habe; desswegen zeigte er sich so bereitwillig alles zu
thun, wozu Luther oder sein Hofprediger ihn auffor-
derte". Geschichte der Entstehung etc. des Protestanti-
schen Lehrbegriffs
II. B. S. 340.

prediger, durch unverständige Beichtväter oder
eigennützige Bauchpfaffen, welche sich mit
Schmeicheleyen und Loben bey ihrem unlau-
tern Egoismus besser als bey dem Mene Te-
kel
eines Daniels befinden; von welcher Men-
schenart der freymüthige Plank *) ein merk-
würdiges Beyspiel anführt.

Was für Schaden nicht nur für den also un-
würdig Gelobten entsteht, sondern welche weit
nachtheiligere Folgen für dessen Familie, Kin-
der und Nachfolger daraus entspringen, welche
sich um so leichter bey allen ihren Untugen-

*) „Er (Churfürst Johann von Sachsen) freute sich, von
seinen Theologen als Vertheidiger der Sache Gottes und
als Bekenner des Evangelii gerühmt zu werden; nicht,
weil es seiner Eitelkeit schmeichelte, denn diese Lei-
denschaft beunruhigte ihn wenig; sondern weil er das
Bewuſstseyn einer guten That nöthig hatte, um sich
bey seinem Gewissen wegen so mancher andern entschul-
digen zu können, die er aus Trägheit unterlieſs, und
wegen so mancher Fehler entschuldigen zu können,
die er wohl an sich erkannte, aber zu verbessern wei-
ter nicht eilte. Der ehrliche Johannes glaubte sich ge-
troster gewisse Lieblings-Schwachheiten übersehen,
sich zum Beyspiel ruhiger des Mittags betrinken zu
dürfen, wenn er sich sagen oder sagen lassen konnte,
daſs er des Morgens etwas für das Evangelium gethan
habe; deſswegen zeigte er sich so bereitwillig alles zu
thun, wozu Luther oder sein Hofprediger ihn auffor-
derte„. Geschichte der Entstehung etc. des Protestanti-
schen Lehrbegriffs
II. B. S. 340.
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[102/0108] prediger, durch unverständige Beichtväter oder eigennützige Bauchpfaffen, welche sich mit Schmeicheleyen und Loben bey ihrem unlau- tern Egoismus besser als bey dem Mene Te- kel eines Daniels befinden; von welcher Men- schenart der freymüthige Plank *) ein merk- würdiges Beyspiel anführt. Was für Schaden nicht nur für den also un- würdig Gelobten entsteht, sondern welche weit nachtheiligere Folgen für dessen Familie, Kin- der und Nachfolger daraus entspringen, welche sich um so leichter bey allen ihren Untugen- *) „Er (Churfürst Johann von Sachsen) freute sich, von seinen Theologen als Vertheidiger der Sache Gottes und als Bekenner des Evangelii gerühmt zu werden; nicht, weil es seiner Eitelkeit schmeichelte, denn diese Lei- denschaft beunruhigte ihn wenig; sondern weil er das Bewuſstseyn einer guten That nöthig hatte, um sich bey seinem Gewissen wegen so mancher andern entschul- digen zu können, die er aus Trägheit unterlieſs, und wegen so mancher Fehler entschuldigen zu können, die er wohl an sich erkannte, aber zu verbessern wei- ter nicht eilte. Der ehrliche Johannes glaubte sich ge- troster gewisse Lieblings-Schwachheiten übersehen, sich zum Beyspiel ruhiger des Mittags betrinken zu dürfen, wenn er sich sagen oder sagen lassen konnte, daſs er des Morgens etwas für das Evangelium gethan habe; deſswegen zeigte er sich so bereitwillig alles zu thun, wozu Luther oder sein Hofprediger ihn auffor- derte„. Geschichte der Entstehung etc. des Protestanti- schen Lehrbegriffs II. B. S. 340.

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/108>, abgerufen am 22.11.2024.